Hauchfeine Schneeflocken fielen auf die Erde hinab und ehe sie den Grund berühren konnten, waren sie schon wieder verschwunden. Sie schwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Doch für Jung Hoseok reichte es, um ihn vollends in die lang ersehnte Weihnachtsstimmung zu bringen.
Weihnachten war die eine Festlichkeit, die ihm seit jeher all seine Sorgen für eine gewisse Zeit zu nehmen vermochte. Diese Zeit war immerzu von einem gewissen Gefühl geprägt. Es war eine Art Kribbeln in seiner Magengegend, das sich fast so anfühlte, als sei er verliebt. Es war jene quirlige Ungeduld, die sich kaum gelegt hatte, seit er ein Kind war. Es war wie ein strahlender Schleier, der sich über den kalten Winter legte und ihm seine ernüchternde Finsternis nahm.
Wenn er zurückdachte an all die frühen Morgen, an denen er freudig aus dem Bett gehüpft und schnurstracks zu seinem Adventskalender gerannt war, spürte er, wie sich ein warmes Gefühl in seiner Brust ausbreitete. Er hatte sich zu dieser Zeit immer besonders erfüllt und geliebt gefühlt, denn man sprach nicht umsonst von der Zeit des Schenkens. Seine gesamte Familie versank in einer beinahe ansteckenden Glückseligkeit, die jeden Anflug von Stress sofort im Keim zu ersticken vermochte. Sie schenkten einander positive Empfindungen und bedingungslose Liebe, während sie gemeinsam Plätzchen backten oder ihre heimischen vier Wände mit ansehnlichen Weihnachtsschmuck versahen.
Etwas an dieser Zeit, die am Ende des Jahres auf jedes dafür empfängliche Gemüt wartete, war schlichtweg magisch. Doch, dass das Weihnachtsfest einmal buchstäblich magische Folgen tragen würde, hätte Hoseok beim besten Willen nicht erwartet.
Der Heranwachsende erhielt in diesem Jahr ein außergewöhnliches Geschenk. Es handelte sich um eine Taschenuhr, die zwar zu ihrer Zeit nur von durchschnittlich hohem Wert, doch seit Generationen in Besitz seiner Familie war. Das Erbstück war mit einer Kette versehen, seine Legierung hatte ihren Glanz längst verloren und seine Oberfläche schmückten verschnörkelte Verzierungen. Die Uhr war etwas kitschig, wie Hoseok fand und doch ließ sich seine Freude über das Geschenk kaum mit Worten beschreiben.
Seit er denken konnte, hatte der junge Student einen Faible für antike Sammlerstücke, doch zu seinem Missfallen sorgte sein dürftig bestücktes Portemonnaie dafür, dass es bis jetzt nicht zu mehr als der Bewunderung aus der Ferne gereicht hatte.
Man sah der kunstvoll gestalteten Taschenuhr durchaus an, dass sie bereits einige Jahrhunderte hinter sich gebracht hatte und die Tatsache, dass ihre Weitergabe über mehrere Generationen bis zu ihm erfolgte, faszinierte den jungen Mann ungemein. Er fragte sich, wie viele seiner Vorfahren sie bereits bei sich trugen, wenn sie ihren Alltag bestritten und wie sehr sie sich wohl von ihm unterschieden haben mussten. Wie sehr sich ihr Leben wohl von seinem unterschieden haben musste.
Diese Uhr musste einige historische Zeitalter überlebt haben, wenn sie nun, im einundzwanzigsten Jahrhundert, in Hoseoks Hand ruhte und regelmäßig vor sich hin tickte. Wie viele Stunden sie schon gezählt haben musste, war unvorstellbar für den glückseligen jungen Mann und doch reichte seine Vorstellungskraft aus, um eine gehörige Menge von stiller Bewunderung in ihm auszulösen.
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The Christmas Room
Fiksi PenggemarWillkommen im "The Christmas Room", wo ihr euch hinsetzen und jeden Dezembertag der Geschichte eines Schreibers von insgesamt 26 beiwohnen könnt. 🎄 | | Fröhliche Weihnachten 💖🎄