| 15 |

915 58 20
                                    

Ich wünsche euch viel Spaß mit dem 15. Türchen von saelamju. Ich hoffe, es gefällt euch :)

„Verschweigst du mir irgendwas?"
Iara verschluckte sich an der heißen Tomatensuppe und hustete. „Was? Nein." Sie schnappte sich ein Zewa-Tuch und tupfte sich den Mund trocken. „Wieso sollte ich?"
„Du benimmst dich komisch. Außerdem bist du extrem reizbar", erklärte Tua, wie sein Eindruck überhaupt zustande kam.

„Uni und Arbeit stressen mich eben, und was heißt überhaupt extrem reizbar, hä?" Sie schwang sich auf die Granitplatte neben dem Herd. Mit den Fingern umklammerte sie so fest den Rand, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
„Na, das meine ich damit." Er sah ihr kurz in die Augen, da landete ein Spritzer Tomatensuppe direkt auf seinem hellen T-Shirt. „Fuck", fluchte er und regelte die Hitze runter. „Du sagst mir nicht, was bei dir los ist, wenn ich dich frage, wie's dir geht", fuhr er fort. „So in dich gekehrt warst du das letzte Mal, als sie deine Schwester in die Klinik gebracht haben. Das hast du mir auch verschwiegen und als du mir das endlich anvertraut hattest, ist es da irgendwie eskaliert zwischen uns? Daran kann ich mich nämlich nicht erinnern. Tut weh, wenn die eigene Freundin glaubt, sie müsste alles mit sich selbst ausmachen. Wenn du mir nicht sagst, was nicht stimmt, kann ich dir nicht helfen, das durchzustehen."


„Das weiß ich, aber seit wann entscheidest du, wobei du mir helfen kannst?", erwiderte Iara.
„Seit wann entscheidest du, wobei ich dir nicht helfen kann?", konterte er sofort.
Sie verdrehte die Augen. „Du könntest mich wenigstens mal ausreden lassen."
„Sprich", tat er es mit einer Handbewegung ab. Sein Blick wanderte weg von ihr zu der Tomatensuppe auf dem Induktionsherd.
„Ähm, hallo? Guckst du mich bitte an, wenn ich mit dir rede?", zickte sie drauflos.
„Wer kümmert sich dann um die Suppe? Unser imaginäres Kind?"
Iara starrte ihn einige Sekunden schockiert an. Sie konnte nicht fassen, dass er das wirklich gesagt hatte. „Willst du mich verarschen, Tua?", fragte sie tonlos. Ihre Kehle war staubtrocken. Sie hatte keine Ahnung, wie sie auf die indirekte Anschuldigung reagieren sollte.
„Gott, Iara, beruhig dich mal wieder", meinte Tua, als er zu ihr rübersah. „Ich hätte auch unser imaginärer Mitbewohner sagen können." Er ließ den Holzkochlöffel los und lehnte sich ihr entgegen, um ihr einen besänftigenden Kuss auf die Wange zu hauchen, doch sie zuckte zurück.


„Hast du aber nicht", sagte sie scharf und funkelte ihn aus ihren grünen Augen böse an.
„Interpretier jetzt bitte nichts in diesen einen blöden Satz rein. Entschuldige, dass ich mich so bescheuert ausgedrückt habe." Er griff nach ihrer Hand. Sie entzog sie ihm und wischte sich mit dem Ärmel kurz über die Augen. Mit der gesamten Macht des Universums schien sie urplötzlich all den Druck auf ihren Schultern zu spüren. Es wäre ihr egal gewesen, wenn sie jetzt überraschend schwanger geworden wäre. Sie wusste, er war an ihrer Seite und sie müsste sich keine Sorgen machen. Aber sie wusste auch, dass es momentan unwahrscheinlich war, dass sie tatsächlich schwanger werden würde. Hauptsächlich stand der ganze Stress, dem sie ausgesetzt war, dem im Weg – Und die unterschwellige Angst, dass Tua langsam immer dringender Kinder von ihr wollte, tat ihr Übriges. Iara fühlte sich emotional alleingelassen. Ihr war klar, dass es ihr schon automatisch besser ginge, wenn sie ihrem Freund nur die Wahrheit anvertrauen könnte, die rein gar nichts mit der Kinderthematik zu tun hatte. Doch sie hatte Raphael versprochen, sein Geheimnis zu bewahren.


„Hey, es tut mir echt leid, okay?" Tua nahm eine ihrer Locken in die Hand. Sie sah in seinen Augen, dass er es ernst meinte. Obwohl es unfair war, musste sie ihn vor den Kopf stoßen, um der Situation zu entfliehen. Sie würde sich sonst verplappern.
„Falls du wirklich auf der Stelle ein Kind möchtest, musst du es wohl oder übel mit einer anderen Frau zeugen! Merkst du nicht, wie hektisch – wie panisch! – mich solche Bemerkungen machen? Du erlegst mir eine unverhältnismäßige Last auf und das lasse ich mir von dir nicht gefallen." Iara glitt von ihrem Platz auf der Anrichte runter auf den Boden. „Wir

sind gleichberechtigt in dieser Beziehung; das heißt aber nicht, dass alles, was mich etwas angeht, auch dich etwas angeht, und umgekehrt", konstatierte sie.


Zwischen Tuas Augenbrauen entstand die Zornesfalte, die Iara im Laufe der Zeit von der milderen Skepsisfalte zu unterscheiden gelernt hatte. „Wir sind verlobt und für mich gehört zur Gleichberechtigung das Teilen unangenehmer Wahrheiten mit dazu", herrschte er sie an.
Unangenehme Wahrheiten. In Iara zog sich alles zusammen. Sie hätte ihm am liebsten heulend ihr Herz ausgeschüttet. Einerseits wollte sie auf keinen Fall, dass Tua einen langjährigen Freund verlor. Deswegen war es quasi ihre Pflicht, Raf zu schützen. Sollte Tua spitzkriegen, dass Raphael Edita betrog und außerdem noch Iara dazu nötigte, niemandem davon zu erzählen, wäre das der unausweichliche Beginn eines kalten Kriegs. Andererseits zerbombte sie ihre eigene Beziehung, solang sie noch vor Tua mauerte. Er war ihr Seelenverwandter. Edita zu belügen war schlimm genug, aber ihm etwas vormachen zu müssen: daran ging sie regelrecht zugrunde. Sie schluckte. „Für mich gehört zur Gleichberechtigung deine Akzeptanz, dass ich Dinge für mich behalten darf, die ich für mich behalten möchte", entgegnete sie.


„Du hast volle Entscheidungsfreiheit darüber, was du mit mir teilst und was nicht, aber ich weiß, dass du mir etwas absichtlich vorenthältst und es stört mich, weil es dich quält, kapierst du das nicht?! Wieso frisst du das in dich hinein?"
Iara kämpfte mühsam mit den Tränen. „Ich kann es dir nicht sagen", krächzte sie heiser. „Warum nicht, verdammt?!"

„Bitte hör auf mich anzuschreien", flehte sie.
„Du hast wieder damit angefangen, jetzt dreh mir gefälligst keinen Strick daraus!"
Wütend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Woraus drehe ich dir denn bitte je einen Strick?" Ihre Stimme war nicht mehr schwach, als sie die Frage an ihn richtete.
„Du machst mich wahnsinnig, Iara!" Er schlug aggressiv gegen den Küchenschrank und sie duckte sich reflexartig.
„Entschuldige, tut mir leid." Tua sah auf seine geballte Faust und streckte die Finger aus. Sie trieb ihn eher selten so weit, dass er seinen Ärger physisch abbauen musste.
„Du bist ungeduldig!", platzte es aus ihr heraus. „Ob wir verliebt, verlobt, verheiratet oder geschieden sind, Tua – Wir sind zwei unterschiedliche Menschen! Es wird immer etwas geben, dass dich nichts angeht. Besser lernst du gleich, dich damit vernünftig zu arrangieren." Sie warf ihm einen letzten ernsten Blick zu, bevor sie sich eine Decke von der Couch nahm und auf die Terrasse verschwand. Draußen schnappte sie sich eine seiner Zigaretten und das Feuerzeug.

Hat noch jemand das Gefühl, dass sich das Geheimnis zwischen Iara und Raf negativ auf ihre Beziehung mit Tua auswirkt? Und was würdet ihr an ihrer Stelle tun? Würdet ihr euren Freund einweihen? Oder würdet ihr es auch für euch behalten?

Waiting for Christmas | AdventskalenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt