Meine Lieben, heute Türchen 22 für euch. Ich denke, ihr werdet es mögen. Es ist definitiv mein Lieblingskapitel.
"Komm mal mit."
Nika schaute Marten irritiert an. Nachdem sie während des Raclette-Essens die Blicke kaum voneinander hatten abwenden können, hatte sie Cassie und Willow im Anschluss geholfen, die Reste wieder in die Küche zu bringen und in unzähligen Dosen zu verstauen. Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer hatte er sie abgepasst und schaute jetzt ungeduldig in ihr Gesicht. Noch immer konnte sie nicht fassen, dass er tatsächlich vor ihr stand.
„Komm schon", forderte er zappelig und griff nach ihrer Hand. Es fühlte sich unbeschreiblich an, auch, wenn es nur eine kleine Geste war.
„Wo willst du denn hin?", fragte sie überfordert, als er sie hinter sich her durch das Foyer in Richtung Haustür schleifte. Er antwortete nicht, drückte ihr stattdessen ihren Wintermantel in die Hand und zog sich seine dicke Jacke über. Seine blauen Augen leuchteten vorfreudig. Nika folgte ihm aufgeregt ins Freie. Sofort schlug ihnen die eisige Kälte entgegen. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und der Mond tauchte den Abend in ein nahezu romantisches Licht. Er schnappte sich noch eine von Cassies unzähligen Mützen und streifte sie seiner Freundin über den Kopf, ehe er die schwere Haustür hinter sich zuzog.
Die letzten Monate hatte er in einer nur wenige Quadratmeter großen Zelle verbracht. Er wollte unbedingt nach draußen; dorthin, wo er sich – wenn auch nur für kurze Zeit – frei bewegen konnte. Nika konnte noch immer nicht glauben, dass er tatsächlich hier war. Er nahm erneut ihre Hand, lächelte zufrieden auf sie herab und setzte sich schließlich in Bewegung. Der Schnee knirschte unter seinen Schuhen, während sie die Einfahrt überquerten und all die teuren Autos hinter sich ließen.
„Erzähl, geht's dir besser? Ist alles wieder okay?"
Er musterte sie aufmerksam von der Seite. Sie schluckte. Sein Blick war ernst und prüfend geworden. Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne.
„Ja, viel besser", versicherte sie, auch, wenn ihr Herz noch immer schmerzte.
„Es tut mir leid, dass ich-"
„Entschuldige dich bitte nicht dafür", sagte sie sanft, denn sie wusste, wie es in ihm aussah. Sie sah es in seinen Augen, die die Farbe der stürmisch-rauen See angenommen hatten. Er ließ seinen Blick ziellos schweifen.
„Ich denke viel nach da drin", offenbarte er ihr schließlich. „Ich habe noch ein paar Briefe an dich geschrieben, sie aber nie abgeschickt, weil ich nicht die richtigen Worte gefunden habe. Du weißt ja, ich kann das nicht so gut."
Sie lächelte gerührt.
„Ich würde sie trotzdem gern lesen", sagte sie.
„Irgendwann vielleicht", wich er ihr aus, denn er hatte ihr in seiner Verzweiflung in seinen Briefen all seine Gefühle offenbart; jeden seiner Gedanken, der ungefiltert aus seinem Kopf aufs Papier geströmt war. Diese Briefe zeigten nicht nur die berüchtigte Seite in ihm, die er bislang so erfolgreich vor ihr versteckt hatte, sondern machten ihn auch angreifbar. Er wusste, dass es ihre Beziehung für immer verändern würde, wenn er ihr das offenbarte, was er aufgeschrieben hatte; nicht, weil er etwas Schlimmes darinstand, sondern, weil es bedeutete, sich ihr noch weiter zu öffnen.
„Ich kann nicht glauben, dass du gerade wirklich hier bist", wechselte sie das Thema, als sie merkte, dass ihr Gespräch ins Stocken geriet. Er lächelte. Das Stahlen ihrer Augen in dem Moment, als sie ihn gesehen hatte, würde er vermutlich nie wieder vergessen; ebenso wenig wie die Tränen, die sie vor Freude vergossen hatte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal jemanden vor Freude zum Weinen gebracht hatte.

DU LIEST GERADE
Waiting for Christmas | Adventskalender
Короткий рассказWeihnachten steht vor der Tür. Kekse backen, den Baum schmücken und Geschenke einpacken - Cassie freut sich wie ein kleines Mädchen auf die besinnliche Zeit mit der Familie. Anlässlich Johns Geburtstag hat sie all ihre Freunde für ein Adventsessen z...