Here you go.
„Was machst du denn hier?"
Raphael schaute überrascht auf Cassie herab, die ihm unmittelbar gegenüberstand und ihn aus großen Augen ansah. Auch Malia starrte ihm verblüfft ins Gesicht. Vermutlich hätte er sich vorher ankündigen sollen, doch sie hatte seine letzten Anrufe und Nachrichten ignoriert und er wusste, sie würde ihm nicht einfach so eine Chance geben, mit ihr zu reden. Also hatte er sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Doch er hatte nicht damit gerechnet, Cassie hier zu begegnen. Schließlich hatte er John gesagt, er würde erst morgen nach Hamburg kommen. Sowohl Malia als auch er schienen nach einer glaubwürdigen Ausrede zu suchen.
„Ich muss was abholen", sagte er, während Cassie ihn zur Begrüßung kurz in die Arme schloss. Ihm fiel auf Anhieb nichts Besseres ein. Cassie runzelte skeptisch die Stirn.
„Was musst du denn bei ihr abholen?"
„Ihr ist kein Geschenk für John eingefallen, also haben wir uns zusammengetan", ergänzte er, während Malia die Luft anhielt und hoffte, dass Cassie die unglaublich schlechte Ausrede schluckte. Doch ihr selbst fiel im Gegensatz zu Raphael überhaupt nichts Plausibles ein; ihr Hirn war wie leergefegt, was nicht zuletzt am Alkohol lag.
„Genau", pflichtete sie also bei. „Willst du kurz reinkommen?"
Cassie zuckte zusammen, als es erneut klingelte.
„Sieht aus, als wäre das wirklich mein Taxi", sagte sie, bevor sie sich an Raphael vorbei in den Flur drückte. „Also, bis morgen."
„Komm gut nach Hause", nuschelte Raphael ihr nach, bevor Malia die Tür hinter Cassie ins Schloss drückte. Raphael blieb unschlüssig vor ihr stehen. Sie war überfordert. Der Rum, den Cassie in ihr Mischgetränk gekippt hatte, machte sich in ihrer Blutbahn bemerkbar. Wenn sie in seine braunen Augen schaute, war es, als würde sie sich darin verlieren, aber das durfte sie nicht. Genau genommen durfte er nicht einmal hier sein. Was dachte er sich überhaupt dabei? Sie hatte schließlich bei ihrem letzten Treffen alles gesagt. Außerdem riskierte er so nur, dass ihnen jemand auf die Schliche kam; Cassie zum Beispiel. Er musste seinen Verstand verloren haben.
„Spinnst du, hier einfach so aufzutauchen?", fauchte sie angriffslustig.
„Du hast nicht auf meine Anrufe reagiert", sagte er.
„Und du bist nicht auf die Idee gekommen, dass das meine Antwort ist?", gab sie kopfschüttelnd zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was, wenn Cassie etwas gemerkt hat? Ich habe sie wochenlang belogen – und jetzt kriege ich womöglich auch noch Schwierigkeiten wegen dir."
Sie hatte ihre Emotionen kaum im Griff. Raphael hingegen blieb völlig ruhig; eine Ruhe, die sich, als er dichter an sie herantrat, auch auf sie selbst übertrug – zumindest für einen Moment.
„Bitte gib mir nur diesen einen Abend", bat er sie eindringlich.
Malia runzelte die Stirn.
„Und morgen schaue ich mir dann an, wie du vor meinen Augen mit Edita herumturtelst und so tust, als wäre deine kleine heile Scheinwelt in Ordnung?", hakte sie beißend nach.
„Edita ist nicht hier; sie ist in Wien."
Sie stieß ein enttäuschtes Schnauben aus.
„Darum bist du also hier", schlussfolgerte sie.
„Ich bin deinetwegen da", korrigierte er. „Weil das zwischen uns nicht einfach so stehenbleiben sollte."
Sie ertrug es nicht, ihn länger anzuschauen. Sie war hin- und hergerissen dazwischen, ihm hilflos in die Arme zu fallen und ihn zu erwürgen. Doch sie war noch ausreichend Herrin über ihre Sinne, um nichts dergleichen zu tun. Stattdessen ließ sie die Arme sinken.
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Waiting for Christmas | Adventskalender
Short StoryWeihnachten steht vor der Tür. Kekse backen, den Baum schmücken und Geschenke einpacken - Cassie freut sich wie ein kleines Mädchen auf die besinnliche Zeit mit der Familie. Anlässlich Johns Geburtstag hat sie all ihre Freunde für ein Adventsessen z...