03.12.

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truber27

Ich weiß nicht, wie der Mensch wurde, wie er ist. Ich weiß auch nicht, ob nicht vielleicht alle Wege zu einem Rom führen, was das auch immer denn wäre. Ich kenne nur eine Geschichte, und die soll wahr sein.

Ich könnte jetzt erzählen, wie der Mensch wurde, was er ist, und ich könnte sagen, wann. Doch solcherlei Informationen brauchen wir nicht; sie haben keine Bedeutung.
Das Leben, die große Blume mit der weißen Blüte, erschuf zunächst einige Menschen. Viele ihrer Nachkommen beschreiben eine Evolution, aber dies ist eben nicht wichtig. Die Menschen waren gut, und das Leben gab ihnen seine besten Geschenke.
So bekam ein Viertel der Menschen Feuer, ein Viertel bekam Kreativität, ein weiteres Liebe, und das letzte Visionen. Das Leben war gespannt,was passieren würde, und es lehnte sich zurück an ein paar seiner Blütenblätter. Diese starben ab, doch vor allem blühte alles Andere. Nur die Menschen ernüchterten: Die Kreativen waren erfinderisch, entwickelten die genialsten Ideen. Doch setzten sie es nicht um, und vieles schien gespenstisch obskur zu fehlen. Die Visionäre waren nicht besser. Sie träumten vom großen, weiten Land und gingen doch nie. Die, die liebten, waren zumeist glücklich. Sie hielten zusammen und genau dadurch stabil. Kurzum: Das Blütenblatt leuchtete in nie verblassendem Weiß. Doch das Leben war von dessen Unendlichkeit wenig angetan. Es wollte mehr, etwas ganz Besonderes.
Während das Leben nur von Ungeduld gepeinigt wurde, entzündete sich in vielen Menschen das Feuer. Vieles verbrannte, und die lodernden Flammen verursachten Schmerzen, bis des Körpers Feuersperren nur noch Blut und Asche waren. Diese Qualen nannte ein Kreativer spontan "Geburt", als er von ihnen erfuhr. Bis heute lassen sich Geburten nicht vermeiden.
Die brennenden Menschen wüteten, denn sie brauchten Energie für ihr Feuer. Es würde ausgehen, das wussten sie, und sie fürchteten sich. Denn wenn sie es überhaupt wieder entfachen könnten, würden sie wieder eine Geburt erleiden. Sie, rasend, griffen auch andere Menschen an. Zur gleichen Zeit kamen Ungeheuer, wilde Tiere und sonstige Naturgefahren - verursacht durch Fremdkörper in der Blüte -, und so wurden die immer unglücklicher werdenden Liebesmenschen aus ihrem Blütenblatt gerissen, bis dieses schlussendlich gar verschwand. Gleiches geschah in noch wesentlich kürzerer Zeit mit den anderen flammenlosen Menschen, sodass am Ende nur das Feuer blieb. Dieses verbrannte fast die komplette Lebensblüte und regierte sie über Äonen. Dabei zerfleischten sich oft die Flammen selber, dies war schon immer so gewesen. Nur konnte auch das nicht das Feuer auf seinem Siegeszug aufhalten.

Das Leben war zerrupft, geschwächt und geschockt; und es tat eine Weile lang gar nichts gegen den Terror des eigenen Triebes. Doch bald fing es an, tief im Innersten die drei anderen  Gaben neu zu formen. Irgendwann waren diese bereit und das Leben hatte sich so weit erholt, dass es die Gaben erneut verteilte. Dies konnte es tun, da eine neue menschliche Natur die Gaben zu Geistern verarbeitete. Und - siehe da - Geister vermischten sich in ihrer Luftgestalt, bevor das Feuer überhaupt verbrennen konnte; und es entstanden uns wohlbekannte Gruppen, Fanatiker aus Feuer und Visionen und noch vieles anderes. Doch so wie der Mensch nur dreifarbig sehen kann, Weiß, Grau und Schwarz unterscheidet und auch kaum Dimensionen hat, ist er begrenzt. Seine DNA entspringt der Vier, doch ist diese kurz nach der Unendlichkeit ebenfalls fast vollständig verloren gegangen.
Es gab auch noch weitere Probleme. So konnte sich jeder Geist mit jedem Andersartigen vermischen, aber nur die Liebesgeister konnten sich mit Gleichen vereinigen. Schlimmer noch: Feuer und Liebe sowie Kreativität und Vision bildeten überlegene Paare, die rivalisierten. So wurde Vermischung oft gehemmt, bis die Geister der Menschen Dreifarbigkeit ausmachten. Sie gruben sich in sie hinein, verschlossen dann das Dach. So wurden aus Menschen mit Geistern unperfekte Persönlichkeiten, weil jedem ein Geist fehlte.
Dem Leben gelang es später doch, Menschen mit Vierfarbigkeit herzustellen. Inzwischen hatten die Menschen gelernt, sich vom Leben losgelöst zu reproduzieren. Vierfarbige Menschensamen kamen in die Blütenblätter, und ihnen entsprangen immer mehr Menschen, die vier Farben hatten. Dreifarbige verdrängten sie, sodass diese meistens abstarben.
Die Vierfarbigen waren nun perfekt, und bald stark genug, um die Blüte zu verlassen: das Feuer verlangte nach mehr Brennmaterial. Das Leben war nicht mehr das, was es einmal war. Es hielt sich noch geraume Zeit, doch als die verzweifelt hungrigen Menschen den Stängel zu fressen begannen, geriet die Lage von ernst zu traurig. Das Leben stimmte einen langen, endgültigen Abgesang an, ein Requiem für sich selber. Es heilte erst noch seine Wunden, doch die Menschen waren zu hungrig, der Boden wurde immer nährstoffärmer  und das Leben war zu schwach. Es knickte ein, gab dem Boden noch ein bisschen nahrhaften Rest und war, was sonst nur die Flamme wird - tot.

Wenn ich mir die Geschichte noch einmal vor meine Sinne halte, frsge ich mich, ob wir nicht noch immer ihre Worte formen.

Entventskalender 2019Where stories live. Discover now