Tag 116
Noch einmal im Garten sitzen, einen Kaffee trinken und genüsslich ein Stück frischen Erdbeerkuchen essen, dabei das tolle Wetter genießen und die Vögel zwitschern hören...achja, was würde ich dafür alles geben...
„Bald ist es zuende" haben sie gesagt „Bald kannst du nach Hause". Das sagen sie mir jetzt schon seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten und ich bin immer noch hier. Sie werden mich auch nicht allzu schnell gehen lassen, da bin ich mir sicher, bin schließlich die beste auf meinem Gebiet.
Hab mein Medizinstudium mit hervorragender Leistung beendet, alle waren beeindruckt und ich wurde in den höchsten Tönen gelobt, ja sogar „Naturtalent" nannten sie mich. Da ließ es nicht lange auf sich warten, bis wichtige Personen und Organisationen auf mich aufmerksam wurden. Ich habe immer dankend abgelehnt.
Ich wurde Chirurgin im lokalen Krankenhaus, heiratete und bekam zwei Kinder, einen kleinen Jungen und erst vor drei Jahren ein Mädchen.
Irgendwann klingelte dann das Militär an meiner Tür, die Leute machten mir ein gutes Angebot, besser bezahlt als alles andere, danach hätte ich für immer ausgesorgt. Sie meinten, dass es jedoch eine große Herausforderung sei und ich es streng geheim halten müsse. Ich ging ein paar Tage später zum Vorstellungsgespräch und wurde auch angenommen, ohne zu wissen was ich überhaupt machen sollte.
Als mir gesagt wurde, dass ich in einer geheimen Forschungsanstalt arbeiten würde und ich es ausnahmslos niemandem sagen dürfe, war ich zwiegespalten, einerseits wollte ich meiner Familie nichts verschweigen und andererseits wusste ich, dass wir leben würden wie Könige. Ich entschloss mich dazu den Job anzunehmen.
Meiner Familie sagte ich, dass ich in ein neues Krankenhaus verlegt wurde und ich deswegen öfter auch mal länger weg sein müsse.
Eines Tages bekam ich einen Brief von meinem Arbeitgeber, in dem stand, dass ich unbedingt für ein wichtiges Projekt gebraucht werden würde und ich mich dabei verpflichten solle. Ich sollte für jenes über längere Zeit in der Nähe der Anstalt sein, damit man mich rund um die Uhr zur Verfügung hätte. Ich nahm natürlich an, wieso auch nicht, ich war neugierig und es gab viel Geld und Erfolg.
Wieder einmal musste ich meinen Angehörigen eine Lüge auftischen, musste sie täuschen. Ich sagte diesmal, dass ich für unbestimmte Zeit auf Geschäftsreise wäre.
Der Abschied von meinem Mann und meinen Kindern fiel mir unbeschreiblich schwer. Hätte ich damals gewusst, dass ich mehrere Monate weg sein würde ohne wirklich Kontakt zu ihnen haben zu können hätte ich nicht ja gesagt.
Das Weinen meiner Kinder, kurz bevor ich gegangen bin hat sich in meinen Kopf gebrannt, wie die überzeugende und dennoch wahnsinnige Propaganda eines Diktators in die Gedanken der Bevölkerung.
Jede Nacht fließen Unmengen von Tränen aus meinen Augen wenn ich an meine Kinder denke, Alice und Connor, ich vermisse sie so unfassbar doll.
Hab ich schon gesagt, woran ich hier arbeiten soll? Wir kreuzen Raubtiere und erschaffen waffenfähige Hybriden für das Militär. Grausam, nicht wahr? Ich will einfach nicht mehr, kann jedoch auch nicht gehen, ich hab mich ja schließlich verpflichtet.
Jetzt sitze ich hier, schreibe diesen Eintrag in mein Notizbuch, einer von vielen.
Ich habe meine Medikamente neben mir, ich weiß nicht mal mehr genau wofür sie sind. Sind sie gegen Depressionen oder andere psychische Störungen? Ich weiß es wie gesagt nicht, aber sie beruhigen mich so gut es geht. Oder sind es nur Placebos und ich bin das Versuchsobjekt? Bin ich schon Paranoid?
Ich merke wieder wie viel Zeit ich mir nehme um über unnötige Dinge nachzudenken. Eigentlich versuche ich nur zu verdrängen, dass ich Anerkennung und Geld über meine Familie gestellt habe, aber was bringt mir Geld und Anerkennung, wenn ich es nicht mit meinen Liebsten teilen kann?
Ich hoffe nur, dass sie überhaupt noch da sind, wenn ich zurück komme.
Naja, ich glaube das war erstmal alles für heute, mal sehen was morgen passiert.
Ich merke gerade übrigens, dass mir langsam die Seiten ausgehen. Naja bis Tag 120 werden sie noch reichen.
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Entventskalender 2019
Short StoryQuack Wir suchten nach einem passenden Namen und dachten uns: „Was gibt es besseres als Enten" Der Entventskalender ward geboren. Unser Ziel mit diesem Projekt ist es, jeden Tag des Dezembers eine Geschichte hoch zu laden. Eure Geschichten. Wie ihr...