Elfter Dezember

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Ich ziehe all mein Gejammer zurück - es sind doch Leute da, die diese Geschichte lesen. Freut mich.


Lily wusste, dass ihre Freunde das Dauergrinsen sahen, dass seit ihrem Besuch bei James auf ihren Lippen lag. Sie summte fröhlich vor sich hin, während sie ihre schwere Tasche wieder einmal zur Bibliothek schleppte, um ein paar Bücher für Zauberkunst und Arithmantik auszuleihen. 

Nein, verliebt war sie ganz sicher nicht in ihn, aber es tat ihr gut, dass sie mit James so offen sein konnte und dass er auch zu ihr ehrlich war. So war auf jeden Fall eine gute Grundlage geschaffen, falls sie doch zusammenkämen - was nicht passieren würde. Lily war sich ganz sicher, dass aus dieser Freundschaft nicht mehr werden würde.

In der Bibliothek angekommen, wuchtete sie ihre Tasche auf einen der Tische und beschloss, dass sie zumindest die Arithmantik-Hausaufgabe gleich hier machen konnte, um nicht noch mehr Bücher durch die Gegend schleppen zu müssen. Sie suchte sich also die richtigen Bücher aus den Regalen, breitete sie vor sich aus und begann, das Nötige herauszuschreiben, das sie dann später in ihrer Argumentation verarbeiten würde. Dass jemand seine Tasche am selben Tisch abstellte und sich zu ihr setzte, nahm sie nur am Rande wahr. 

"Bitte nicht erschrecken", vernahm sie dann eine leise Stimme und sah auf. 

"Ah, hallo Alex", sagte sie, lächelte ihm kurz zu und schrieb dann weiter. 

Alex - eigentlich Alexander - Waters war aus Ravenclaw und ihr nur wenig bekannt - sie saßen zusammen in Arithmantik und Alte Runen, er hatte eine jüngere Schwester in Hufflepuff und spielte als Sucher in der Mannschaft von Ravenclaw, aber mehr wusste Lily nicht über ihn. Er war groß und schmal gebaut, hatte zimtbraune Locken und Augen, die wie Bernstein aussahen. Vor letzteren saß auf seiner schmalen, geraden Nase eine Brille mit großen, runden Gläsern und dünnem, schwarzem Rand. Seine Haut war hellbraun und seine Hände hatten lange, schlanke Finger, mit denen er ständig in einer scheinbar bestimmten Reihenfolge auf den Tisch klopfte - vielleicht spielte er ja Klavier.

"Du machst Arithmantik, oder?", fragte er. "Darf ich mit in die Bücher schauen?" 

Lily nickte, ohne den Kopf noch einmal zu heben, denn die Worte flossen ihr nur so aus der Feder. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie ihr Pergament vollgeschrieben und eine Stunde später noch zwei weitere. Schwungvoll und zufrieden mit sich setzte sie den letzten Punkt an das Ende ihres Schlusssatzes und rollte die drei Bögen zusammen. Da bemerkte sie, dass Alex sie beobachtete.

"Erfolgreich gewesen?", fragte er lächelnd und rollte sein Blatt, das bisher nur spärlich beschrieben war, ebenfalls zusammen. 

Lily nickte und räumte die Bücher und ihre Sachen zusammen. "Sehr sogar", antwortete sie und stopfte die Bücher für Zauberkunst in ihre eigentlich schon volle Tasche. "Das Thema ist nicht ganz einfach, aber wenn man den Inhalt erst verstanden hat und alle Zusammenhänge sieht, läuft es ganz gut." 

Alex nickte. "Ich bin nicht weit gekommen heute", sagte er und nahm seine Tasche. "Weder im Unterricht, noch eben bei dieser Hausaufgabe." 

Lily sah ihn an. "Kann ich dir vielleicht helfen?", bot sie an. "Wenn man bei Professor Vektor einmal nicht aufpasst, kann es schnell sein, dass man überhaupt nicht mehr hinterher kommt." 

Alex schüttelte den Kopf. "Danke, aber das schaffe ich schon", erwiderte er. "Ich bin nur müde, aber ich habe mitgeschrieben, was mir wichtig erschien, deshalb wird es schon gehen." Lily nickte und hob mit einem Ruck ihre überfüllte Tasche hoch, aber sie bekam sie nicht hoch genug, um sie auf ihre Schulter zu wuchten.

"Was muss das Ding auch so schwer sein", murmelte sie und wollte es noch einmal versuchen, doch da griff Alex schon nach dem Gurt und hob die Tasche mit Leichtigkeit hoch.

"Lass mich mal", sagte er und grinste Lily zu. "Wohin willst du, zum Abendessen?" 

Sie nickte verlegen. "Aber du musst wirklich nicht -", begann sie, "Ich meine, ich hätte auch einfach einen Schwebezauber darauf legen können." Alex grinste immer noch. Er hatte ein Grübchen auf der Wange, bemerkte Lily.

"Das stimmt, aber jetzt trage ich deine Tasche schon", sagte er und bewegte sich in Richtung Tür. "Kommst du?" Lily lief ihm hinterher und er hielt ihr sogar die Tür auf.

"Ein Gentleman durch und durch", sagte sie lächelnd. 

Alex zuckte mit den Schultern. "Meine Mutter ist halb Italienerin, halb Engländerin", sagte er. "Und sie legt sehr viel Wert darauf, dass ich mich Damen gegenüber wie ein Gentleman verhalte, mit allem, was ihrer Meinung nach dazugehört." Lily lachte und strich sich eine störrische rote Strähne aus den Augen. 

"Wie kommst du mit dem Text in Alte Runen zurecht?", fragte sie. "Ich stecke noch irgendwo in der Mitte fest." 

Alex nickte. "Ich auch", antwortete er. "Wollen wir uns nach dem Abendessen noch einmal in die Bibliothek setzen?"

"Ich wäre eher für morgen, da hab ich nach dem Frühstück zwei Stunden frei", sagte Lily. "Und dann muss ich die Tasche heute Abend nur noch bis zum Gemeinschaftsraum schleppen und nicht noch einmal zur Bibliothek. Wie sieht's bei dir aus?" Alex kramte umständlich in seinem Umhang herum holte schließlich einen zerknitterten Zettel hervor, der sich als sein Stundenplan entpuppte.

"Meinen Stundenplan kann ich nie auswendig", erklärte er. "Doch, morgen nach dem Frühstück habe ich auch frei." 

"Gut", erwiderte Lily und lächelte ihm zu.

•••••••••••

Als James sah, dass Alex Waters Lily zum Tisch der Gryffindors begleitete und auch noch ihre Tasche trug, verkrampfte sich etwas in seinem Bauch. Skeptisch beobachtete er, wie Waters die Tasche neben ihr abstellte, kurz ihren Arm berührte und sich mit einem charmanten Lächeln von ihr verabschiedete. Und das Schlimmste war: Lily lächelte zurück und sah ihm sogar nach, als er zum Tisch der Ravenclaws ging. Als sie James' Blick bemerkte, warf sie ihm ein flüchtiges Lächeln zu.

"Bist du gerade ernsthaft eifersüchtig auf Waters, weil er Lilys Tasche getragen hat?", fragte Remus neben ihm belustigt. 

James seufzte. "Warum sollte er ihre Tasche tragen?", fragte er und starrte auf seine Nudeln. "Sie kennen sich doch überhaupt nicht."

Remus zuckte mit den Schultern. "Vielleicht war die Tasche zu schwer für sie", sagte er. "Mach dir keinen Kopf, Krone. Der Kerl ist bloß ein Schleimer; er würde sogar Bellatrix die Tasche abnehmen, wenn sie das dulden würde." Trotzdem starrte James immer wieder böse zu den dunklen Locken des Ravenclaws hinüber, aber Waters nahm an diesem Abend keinen offensichtlichen Kontakt mehr zu Lily auf.

•••••••••••

"Was war das denn?", fragte Marlene grinsend, nachdem Alex gegangen war. Lily zuckte mit den Schultern und spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.  

"Er wollte unbedingt meine Tasche nehmen, weil ich sie kaum hochheben konnte", erklärte sie.

"Scheiß Gentleman", nuschelte Alice, den Mund voller Frikadelle. 

Lily lachte. "Eigentlich war das sehr nett von ihm", fand sie. "Das Ding ist wirklich schwer." 

Mary grinste sie an. "Ich glaube, Alexander Waters steht auf dich", sagte sie. Lily schüttelte den Kopf und tat sich Kartoffelgratin auf.

"Ganz sicher nicht. Er war einfach nur nett zu mir."

"Lily und Alex, Lily und Alex", begann Marlene zu singen und Lily drohte ihr mit ihrer Gabel.

"Nicht übermütig werden, Miss McKinnon", sagte sie grinsend. "Außerdem wolltet ihr doch heute Mittag noch, dass ich mit James zusammenkomme, oder irre ich mich?" 

Marlene lachte nur. "Lass mir doch meinen Spaß", sagte sie. "Es ist zu lustig, zu sehen, wie du rot wirst."


Was sagt ihr zu Alex Waters? Ich mag ihn irgendwie.

Das Experiment | Ein Jily-AdventskalenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt