Erster Dezember

1K 43 7
                                    

"Fährst du dieses Jahr eigentlich wieder nach Hause?", fragte Alice, während sie ihre roten Handschuhe überstreifte. 

Lily schüttelte traurig den Kopf. "Meine Eltern verbringen Weihnachten bei Petunia und ihrem Walross von einem Verlobten", antwortete sie und zog mit einem Ruck den Reißverschluss ihres Anoraks zu. "Und sie fahren schon ein paar Tage, bevor unsere Ferien anfangen. Ich habe ihnen vorgeschlagen, hinterherzukommen, mit dem fahrenden Ritter oder per Flohnetzwerk, aber Petunia will absolut nichts Magisches in ihrer Nähe haben." Sie biss die Zähne zusammen, um nicht schon wieder zu weinen. 


"Oh nein, nicht weinen!" Alice legte einen Arm um Lilys Schultern. "Sieh es positiv: Wir gehen ein Ballkleid für dich kaufen, ist das nicht der Hammer?" Lily lächelte angesichts der Freude ihrer Freundin und nickte. "Am besten blau. Oder, nein, du brauchst genau das Grün, das auch deine Augen haben", überlegte Alice. "Bodenlang und schulterfrei, die Haare halb offen und silberner Schmuck. Du wirst großartig aussehen!"

"Grün und Silber?" Lily verzog das Gesicht. "Ich bin doch keine Slytherin!" 

Alice machte ein nachdenkliches Gesicht. "Das stimmt", sagte sie. "Und da du definitiv nicht mit Snape gehen wirst -" Sie warf Lily einen strengen Blick zu, die versuchte sich ganz klein zu machen, "Oh nein, bitte sag mir, dass du nicht mit dem zum Weihnachtsball gehst." 

Lily druckste ein wenig herum. "Er hat mich gefragt ...", gestand sie schließlich. 

"Und du hast ihm eine verpasst und ihm die kalte Schulter gezeigt, möchte ich doch hoffen", ergänzte Alice. 

Lily ließ den Kopf hängen. "Das hätte ich wahrscheinlich tun sollen", murmelte sie.

"Bitte, bitte sag mir, dass du ihm nicht zugesagt hast, Lil!" Alice blieb stehen und verschränkte die Arme. Lily wurde rot. "Oh Lily!" Empört starrte Alice sie an. "Der Mistkerl hat dich jetzt schon zwei Mal ein Schlammblut genannt! Du kannst mir nicht erzählen, dass du immer noch ernsthaft mit ihm befreundet sein willst!" 

Lily zuckte mit den Schultern. "Ich kenne ihn schon lange, Al. Er hat es nicht so gemeint und ich finde, er hat eine zweite Chance verdient. Vielleicht versaut er es dieses Mal ja nicht." In diesem Moment kamen zwei kichernde Slytherin-Mädchen an ihnen vorbei. 

"... und Sev sagt, er will Evans beim Weihnachtsball einfach sitzen lassen und mit Bella gehen", sagte die eine und die andere lachte laut und gehässig auf.

"Geschieht ihr recht! Sie ist wirklich unglaublich naiv!", antwortete sie. Dann waren die Mädchen außer Hörweite. 

Lily war stocksteif. Nein, das konnte nicht sein. Severus hatte wirklich geknickt gewirkt, als er sich bei ihr entschuldigt hatte. Andererseits ... er war ein Slytherin. Und er hatte so einige miese Freunde, die ihn schon seit Jahren beeinflussten. Lily ließ den Kopf hängen und setzte sich in den nächsten Schneehaufen. Alles wurde ihr zu viel - ihre Schwester wollte sie nicht bei sich haben, sie würde zum ersten Mal in ihrem Leben an Weihnachten nicht zu Hause sein, ihr bester Freund würde sie versetzen ... und zu allem Überfluss tauchte jetzt auch noch James Potter vor ihr auf. Lily wischte sich ärgerlich die Tränen von den kalten Wangen, die trotz aller Anstrengung zu laufen begonnen hatten. 

"Was gibt's, Potter?", fragte sie mit erstickter Stimme. Alice warf Potter einen warnenden Blick zu, aber dieser sah ehrlich besorgt aus.

"Ich wollte dir nur sagen, was ich gerade von zwei Slytherins gehört habe", sagte er. "Snape plant, dich beim Weihnachtsball zu versetzen. Vielleicht solltest du nicht unbedingt mit ihm gehen." Lily sagte nichts dazu, sondern nickte nur. Potter sah kurz aus, als wollte er sie umarmen, aber dann beließ er es bei einem aufmunternden Lächeln, ganz anders als sein sonstiges Grinsen. "Falls du noch jemanden brauchst, der dich ganz sicher nicht sitzen lässt ..." Er ließ den Satz unbeendet und zog Remus, der Lily noch ein kurzes Lächeln zuwarf, hinter sich her in Richtung Dorf. 

Das Experiment | Ein Jily-AdventskalenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt