Dreizehnter Dezember

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Den Rest des Tages mied Lily Alex. Ein paar Mal bemerkte sie, wie er zu ihr sah, aber sie starrte stur geradeaus. 

Sie mochte ihn wirklich, und er war so sanft und freundlich zu ihr, dass sie nichts dagegen gehabt hätte, sich in ihn zu verlieben - wenn James nicht wäre. Lily war sich sicher, dass sie nicht in ihn verliebt war, aber sie war sich auch sicher, dass ihr Herz ihren Kopf in genau diese Richtung ziehen wollte, und dass es ganz sicher gewinnen würde. Es war nur eine Frage der Zeit.

 Bis dahin war sie verwirrt.

Lily seufzte und hoffte, das Alex ihr nicht böse war, weil sie nicht in der Bibliothek auftauchte, um mit ihm Hausaufgaben zu machen. Stattdessen saß sie mit einer Wolldecke in der dunkelsten Ecke des Gemeinschaftsraums und brütete vor sich hin.

Da war James - der sie so lange genervt hatte und der sich nun als Mensch entpuppt hatte, den Lily wirklich gernhatte und der, entgegen aller Vorsätze der vergangenen zwei Jahre, jetzt doch etwas in ihr auslöste. 

Und da war Alex - der so freundlich und entgegenkommend war, auf hohem Niveau unterwegs und ein absoluter Gentleman. Und ein wenig schleimig. Lily verspürte Zuneigung zu ihm - aber nicht die der romantischen Art. Sie unterhielt sich gern mit ihm und hatte es genossen, dass jemand, der keine Ahnung von ihren seltsamen Problemen hatte, sie so liebevoll im Arm gehalten hatte. Aber sie wollte, dass er sie kannte und sie so mochte, wie sie war, und nicht so, wie sie von außen wirkte. Und sie konnte sich vorstellen, dass er sich von ihr abwandte, wenn sie ihm ihr Herz ausschüttete, oder wenn er wüsste, dass James sich langsam, aber sicher einen Platz in ihrem Herzen schuf.

"Lily Evans?", fragte eine schüchterne Stimme hinter ihr.

"Ja?", sagte Lily gereizt und drehte sich zu einem kleinen Mädchen um, dass sie aus großen, erschrockenen Augen ansah.

"Da ist ein Junge draußen, aus Ravenclaw", sagte die Kleine. "Er sagt, im Notfall bleibt er die ganze Nacht da stehen." 

Lily nickte. "Danke dir", sagte sie und stand auf. Das war ja fast wie mit Severus im letzten Sommer.

Natürlich war es Alex.

"Wenn du nicht gedroht hättest, die ganze Nacht hier zu stehen, hätte ich dich wohl ignoriert", begrüßte sie ihn. Alex lächelte traurig.

"Alex, hör zu", fuhr sie fort, "ich weiß jetzt genauso wenig wie heute Morgen, ob das mit uns funktioniert. Ich bin sicher, dass es funktionieren kann, wenn wir uns beide viel Mühe geben, aber sind wir dann auch wir selbst?" 

"Könne wir es ausprobieren?", fragte er leise. "Ich habe dich schon vor längerer Zeit bemerkt, Lily, aber ich habe mich nie getraut, dich anzusprechen." Alex schien noch mehr sagen zu wollen, aber er schloss den Mund. Trotz seiner Größe wirkte er in diesem Moment wie ein kleiner Junge. 

"Warum hast du jetzt doch getraut?", fragte Lily, denn eine Ahnung schlich sich in ihre Gedanken.

"Wegen ..." Alex fuhr sich verlegen durch die Haare. "Wenn ich dir das sage, wirst du mich hassen." Lily schüttelte den Kopf. Das hier war so unangenehm.

"Quatsch", sagte sie so unbefangen wie möglich und die Ahnung verstärkte sich. "Wie kann ich dich hassen? Alex, wir kennen uns kaum. Du magst vielleicht mehr über mich wissen, aber ich habe gestern zum ersten Mal mit dir geredet." Alex nickte und setzte zu einer Antwort an, als eine bekannte Stimme sie unterbrach.

"Was macht ihr denn hier in der Kälte?" Noch nie war Lily so froh gewesen, Peters Stimme zu hören. 

"Wir reden miteinander", antwortete sie und lächelte ihm zu. 

Das Experiment | Ein Jily-AdventskalenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt