Das Experiment | Ein Jily-Adventskalender

Neunzehnter Dezember

Sie ging ihm aus dem Weg. Deprimiert schlurfte James durch die Gänge zu Zaubertränke. Nicht cool. Das fand er schon den ganzen Tag. Erst küsste Lily ihn, obwohl sie sich ihrer Gefühle nicht ganz klar war und dann ignorierte sie ihn? 

Also, in gewisser Weise konnte er sie schon verstehen - sie wollte nicht damit konfrontiert werden, bevor sie eine vernünftige Antwort hatte. Trotzdem. Sie musste doch einen Grund für diesen Kuss gehabt haben, oder nicht? James beschloss, sie gleich zu fragen, seit letzter Woche saßen sie in Zaubertränke ja nebeneinander.

Als hätte es das Schicksal so gewollt, wurde er enttäuscht. Als er in Slughorns Klassenraum trat, saß Lily an ihrem angestammten Platz neben Alice und die Rumtreiber waren wieder an einem Tisch versammelt. 

"Wir sind wiedervereint!" Grinsend schlug Sirius James auf die Schulter. "Sluggy ist gut drauf heute."

"Mhm", machte James und versuchte, begeistert auszusehen. Frustriert blickte er zu Lily hinüber. Er wusste, dass sie das bemerkte, aber sie blickte stur auf den Tisch vor sich. Kopfschüttelnd holte er seine Sachen aus seiner Tasche und wandte sich Slughorn zu, der bereits mit dem Unterricht begonnen hatte. 

"Amortentia", warf der Professor in den Raum und stellte einen Kessel mit dampfender, in allen Farben glänzender Flüssigkeit auf sein Pult. James stöhnte auf. Nicht wirklich, oder?

"Bitte, Miss Evans", sagte Slughorn und setzte sich.
"Amortentia ist der bekannteste Liebestrank", spulte Lily herunter, ohne ihren Blick zu heben. "Er erzeugt keine echte Liebe, sondern nur ein ähnliches Gefühl sowie vernebelte Gedanken, die den, der den Trank einnimmt, denken lassen, er sei verliebt. Für jeden riecht der Trank nach dem, was er oder sie liebt." Sie stockte. James blickte zu ihr hin und sah, dass sie dunkelrot angelaufen war. 

"Sehr gut, Miss Evans, wie immer", lobte Slughorn erfreut. "Zehn Punkte für Gryffindor. Können Sie sagen, Miss Evans, wonach der Trank für Sie riecht?" Lily schüttelte heftig den Kopf, immer noch den Tisch anstarrend. Alice legte ihr eine Hand auf die Schulter und begann auf sie einzureden. James riss seinen Blick von ihr los.

"Na, ich will Sie mal in Ruhe lassen", sagte Slughorn freundlich und erhob sich. "Natürlich werden wir diesen Trank nicht im Unterricht brauen", fuhr er fort und reagierte mit einem belustigen Kichern auf das genervte Aufstöhnen einiger Mädchen, "denn er ist in Hogwarts strengstens verboten. Ich will kein Risiko eingehen!"

Sirius neben James atmete plötzlich laut ein.

"Nein, Tatze, das machen wir nicht!", funkte Remus dazwischen, bevor Sirius überhaupt etwas sagen konnte. "Die Mädels steigen mit absoluter Sicherheit aus, wenn wir das einbringen!"

"Aber es wäre so ein Spaß!", schwärmte Sirius und machte große, bettelnde Augen. "Man könnte Bella auf meinen Bruder ansetzen, es wäre zu herrlich!" James musste nun auch zugeben, dass der Gedanke wirklich äußerst komisch war. 

"Aber wir wollen ja etwas veranstalten, das ein bisschen Weihnachtsstimmung verbreitet", wandte Peter vernünftigerweise ein. "Das mit dem Liebestrank können wir auch nächstes Jahr noch bringen." 

Sirius zog einen Schmollmund. "Ach, Menno", brummte er, aber James schlug ihm grinsend gegen den Arm. 

"Wir wissen alle, dass du ein guter Schauspieler bist, Tatze, also hör auf, so beleidigt zu gucken", sagte er.

"Mister Potter, Sie haben heute exzellente Leistungen erbracht", sagte Slughorn nach der Stunde zu James, der sich an diesem Tag tatsächlich und trotz der anstehenden Ferien verhältnismäßig viel am Unterricht beteiligt hatte. "Machen Sie so weiter, dann fallen Ihre Prüfungen dieses Jahr sicher besser aus als im letzten, ja? Fünf Punkte für Sie und Ihr Haus." James lächelte gequält, verabschiedete sich und floh aus dem Raum. In Gedanken an Lily versunken ging er zur Bibliothek - er musste noch einen letzten Aufsatz schreiben und vielleicht war sie ja auch da.