Spielzeug?

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Erhobenen Hauptes trat Marinette in das Atelier und begab sich unbeirrt an ihren Platz.
Ihre Kollegen waren bereits in ihre Arbeit vertieft, so dass sie ihr Erscheinen kaum wahrnahmen.
Seufzend zog die Schwarzhaarige ihren Entwurf aus der Tasche, welchen sie bis tief in die Nacht fertiggestellt hatte.
Am liebsten hätte sie ihn in tausend Teile zerrissen um ihrer Wut Luft zu machen, aber wieder bei Null zu stehen, hätte sie noch mehr zurückgeworfen. Das war keine Option.

Mrs. Rossin saß an ihrem Platz und arbeitete an etwas. Sie hatte kurz, mit einem vielsagenden Blick, zu der Studentin aufgesehen, als sie das Atelier betrat.
Die Designerin schien mit ihrem Handeln zufrieden gewesen zu sein, doch ihr war nicht bewusst wie sehr sie das Mädchen damit verärgert hatte.

Missmutig strich Marinette mit den Fingern über das Blatt Papier vor ihr.
Sie konnte Adrien keinen Pullover mit einem fiesen Spruch machen. Das wäre wohl ihr Aus gewesen.
Sie entschied an dem geplanten Design festzuhalten und erhob sich, um nach den Stoffen zu sehen.

Im Lager zog sie den eingeplanten Jeansstoff aus dem Regal und brachte ihn zu ihrem Platz.
Beim zweiten Gang suchte sie einen Schwarzen und eine kleine Menge grünen Baumwolljersey heraus und nahm auch diesen mit.

Sie betrachtete den Haufen Stoffe und rieb sich nervös die Hände ineinander.
Sie brauchte die Maße, fiel ihr ein. Ohne diese konnte sie nichts zuschneiden.
Es war ihnen nicht erlaubt die Maße an die Kollegen weiter zu geben, da mit Vermessungen zu rechnen war. So ein Fehler würde sich auf alle Ergebnisse auswirken.

Unruhig warf Marinette einen Blick über ihre Schulter, hinüber zur Tür. Von Adrien war nichts zu sehen.
Verdammt wie sollte sie das jetzt anstellen?
Sie hatte ihn darum geben, ihr seine Maße zukommen zu lassen, aber sie wusste, er würde ihrer Aufforderung nicht folgen. Verräter, dachte sie verärgert und verschränkte die Arme vor der Brust.

Wieder sah Mrs. Rossin zu Marinette auf. Offensichtlich merkte sie ihr an, dass ein Problem vorlag und setzte ihre Brille ab.

„Miss Cheng?“, sprach sie ruhig in Marinettes Richtung. Ertappt weiteten sich Marinettes Augen. Sie wollte nicht schon wieder auffällig werden. „Gibt es ein Problem?“, wollte sie nun wissen.
Zögernd nickte Marinette. Es war ihr furchtbar unangenehm, dass der Fokus erneut auf ihr lag.

„I-Ich habe noch keine Maße.“, gab sie kleinlaut zu und es fiel ihr schwer dem Blick der bekannten Designerin standzuhalten.
Verstanden nickte die Dame, griff zum Telefon und wählte eine Kurzwahl.
Nach zwei kurzgebundenen Sätzen, legte sie bereits wieder auf.

„Einen Moment!“, gab sie nur von sich und Marinette ließ sich zurück in ihren Stuhl sinken.
Nervös knetete sie den weichen Stoff unter ihren Fingern und konzentrierte sich darauf, ihre Atmung ruhig zu halten.

Ihre ganze Wut fiel stetig weiter ab und so langsam blieb die Angst zurück.
Angst ihn wieder zu sehen. Angst verletzt zu werden… Einfach ein Spielzeug zu werden.
Sie wollte sich nicht herum schubsen lassen, wie ein Ball, den jeder einmal anfassen durfte.
Warum musste dieser Mistkerl nur genau hier auftauchen?

Schnaubend lehnte sie sich zurück, als die Tür hinter ihr aufging und sie versteinern ließ.
Sie musste da durch. Diese fünf Minuten würde sie es überstehen, sprach sie sich gut zu, als Adrien neben ihr zum Stehen kam.

Kein Laut gab er von sich, wobei sie zu ihm hoch sah.
Schon wieder spürte sie dieses Schwächegefühl in sich, wenn sie ihn ansah und richtete ihren Blick zügig nach vorne.

„Miss Cheng.“, erklang die strengere Stimme ihrer Dozentin.
Sie fühlte sich von allen Seiten in die Enge getrieben und wünschte, sie könnte davon eilen. Angespannt presste sie ihre Zähne zusammen, um ihre bebenden Lippen zu verbergen.
Der Stress ließ ihre Hände erzittern, als sie nach dem Maßband und dem Klemmbrett mit den Schreibutensilien griff.

Du-schon immer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt