Unbekannte

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Das unaufhaltsame Vibrieren ihres Handys, gelang so langsam an Marinettes Gehör. Nur wiederwillig öffnete sie die Augen und tastete blind nach dem Störenfried.
Warum hatte sie es nur so nah bei sich liegen? Missmutig nahm sie das Telefonat entgegen.
„Ja?“, gab sie mit rauer Stimme von sich und rieb sich über die Augen. Die Sonne stand schon hell am Himmel und schien aufdringlich durch ihre Fenstervorhänge.
„Mari? Du hörst dich ja schrecklich an“, erklang die laute Stimme ihrer Freundin.
„Nicht so laut Alya“, bat Marinette und setzte sich nun endlich auf.
„Was war denn los bei euch? Adrien hat mich heute Morgen angerufen. Wart ihr feiern? Er macht sich Sorgen!“, erklärte sich Alya.
Noch einmal rieb Marinette sich über ihre verschlafenen Augen und dachte an die letzte Nacht, die gar nicht so lange zurücklag und an den Morgen. Sie hatte Adrien einfach klammheimlich zurück gelassen und ist abgehauen.
„Alya, ich will mich nicht rechtfertigen. Ich möchte Adrien keinen Platz mehr in meinem Herzen geben. Du weißt doch was ich hinter mir habe und ich bin froh endlich damit fertig zu werden“
Sie wollte nichts an ihrer Entscheidung ändern. Auch wenn sie nicht abstreiten konnte, dass die Nacht mit ihm wirklich schön war… Nun war sie letztendlich doch eine von seinen Geschichten geworden und das war Grund genug, ihn nicht mehr gegenüber zu treten.
„Man Mari, ich weiß das doch. Melde dich nur mal bei ihm. Was soll ich ihm denn sagen? Sein Flugzeug landet in der nächsten Stunde“ Das Kopfschütteln war förmlich aus Alyas Stimme zu entnehmen. Erschöpft seufzte Marinette. Es war ihr wirklich zu früh, um sich darüber Gedanken zu machen. Die Müdigkeit hing in ihren Knochen und sie war noch weit weg vom Muntersein.
„Ist gut“, versuchte die Schwarzhaarige nun ihre Freundin abzuwimmeln.
„Nichts ist gut. Ich weiß nicht was passiert ist, aber melde dich bei ihm. Hast du mein Geschenk bekommen?“, hakte Alya nach. Kurz sah Marinette sich um. Der Briefumschlag lag noch auf dem Nachttisch, aber zu öffnen hatte sie es nicht geschafft.
„Ja, ich hab noch nicht rein geguckt“, gab sie leise zu.
Ein genervtes Schnauben war am Ende der Leitung zu hören.
„Tue jetzt mal was Fräulein und melde dich dann nachher bei mir“, schimpfte Alya weiter.
Zügig zog Marinette die Bettdecke weg und stand von ihrem Bett auf.
„Ist gut, ich melde mich“
Sofort war Alya aus der Leitung verschwunden und nur das penetrante Tuten war zu hören.

Genervt warf Marinette das Handy zurück auf ihr Bett.
Es war bereits kurz nach 14 Uhr. Den halben Tag hatte sie schon verschlafen und es wurde Zeit sich fertig zu machen.

Frisch geduscht und gekleidet setzte Marinette sich an ihr Schreibtisch und nahm sich den Vertrag vor, den sie für den Job in Paris erhalten hatte.
„Ich habe mir ganz schön Sorgen gemacht, als du Nachts nicht nach Hause gekommen bist“, erklärte Tikke, die sich zu ihren Schützling gesetzt hatte.
„Tut mir Leid. Es ist ziemlich viel passiert“, gab Marinette zurück und erklärte ihrer kleinen Freundin, was in der Nacht geschehen war. Vor Tikki hatte sie keine Geheimnisse und es war wirklich angenehm, eine aufrichtige Meinung von ihr zu bekommen. Natürlich fand Tikki, dass Marinette doch noch Gefühle für das Model hegen würde, aber da wollte sie sich nicht verunsichern lassen.
Selbst wenn, wusste sie, dass es ihr absolut nicht gut tat. Viel zu viel Herzschmerz musste sie in ihrer Jugend erleiden und hatte damit abgeschlossen. Unzählige Male gingen ihr die Situationen durch den Kopf, wo sie Adrien über ihre Gefühle aufklären wollte und  bei jedem dieser alten Erinnerungen zog sich ihr Magen unangenehm zusammen.
Kopfschüttelnd verwarf sie die alten Gedanken und widmete sich ihrer eigentlichen Aufgabe.

„Ich möchte mir erst mal den Vertrag durchlesen“, erklärte Marinette, während sie Seite für Seite durchsah und sich über die Klauseln aufklärte.
„Und wo ist das? Bei wem?“, wollte Tikki wissen und sah der Schwarzhaarige die ganze Zeit über die Schulter.
„Moment“ Sie blätterte zwei Seiten weiter und ließ den Vertrag beinahe aus der Hand fallen.
Verwundert beobachtete Tikki das Ganze. „Tikki, oh nein! Warum?“, jammerte Marinette und sprang vom Stuhl auf. „Agreste!“, jammerte sie weiter.
„Aber das ist doch super!“, rief Tikki erfreut und schwirrte um ihren Kopf herum.
„Super? Gott, es ist absurd!“ Wie konnte es nur sein, dass das Schicksal es so mit ihr meinte? Wohin sollte dieser Weg sie führen. Sie hatte doch alles gegeben, um den größten Abstand zwischen sich und Adrien zu bringen und jetzt? Plötzlich erhielt sie so ein verlockendes Angebot aus dem Unternehmen seines Vaters.
Das Gefühl, Adrien selbst könnte dahinter stecken, ließ sie Schwarzhaarige einfach nicht los.
Jahrelang hatte sie sich die Nähe zu ihm gewünscht und jetzt, wo sie die Kraft für einen Schlussstrich aufbrachte, kam es ganz anders.

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