(An der Seite ist Ashley zu sehen)
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Wenn man kurz vor einem Kampf steht, wird man plötzlich ganz ruhig. Es ist, als würde die Welt stehenbleiben. Man bemerkt alles um einen herum genau und sieht jede noch so kleine Bewegung.
Genauso war es jetzt auch. Als plötzlich Stephen und Ashley durch das Fenster sprangen. In diesem Moment blieb alles stehen und ich nahm genau war, wie Jenn's Hand zuckte, Adaliz hereinstürmte und Ashley auf mich zu stürmte.
Ich rutschte schlitternd vor Jenny's Körper und verwandelte mich blitzschnell, sodass ich Ashley's Angriffswucht standhalten konnte. Sie prallte mit voller Wucht gegen mich und wir begannen zu kämpfen. Sie wollte mir mit ihrem Ellenbogen ins Gesicht rammen, doch ich wich ihr geschickt aus und erwischte sie stattdessen am Arm.
"Adaliz!", rief ich und deutete mit dem Kopf auf Stephen, der sich von hinten an Jenn's Körper heranschleichen wollte.
Sie stürmte vor und packte seine Arme, die Jennys Körper nehmen wollten. Ich wandte mich wieder zu und genoss das heiße Hochgefühl, dass mich durchströmte, als ich sah, dass Jennys Hand wieder zuckte. Sie lebte.
Endlich.
Ich schlug Ashley hart in den Bauch und nahm keine Rücksicht darauf, dass sie ein Mädchen war. Schließlich hatte ich schon unzählige Male gegen sie gekämpft und ich wusste sehr gut, dass wir uns ebenbürtig waren. Nie gewann jemand.
Ashley krümmte sich zusammen und keuchte, doch gerade, als ich wieder zum Schlag ausholen wollte, richtete sie sich auf und schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Mein Kopf flog ruckartig nach hinten und meine Wange brannte höllisch. Ich spürte warmes Blut meine Nase hinabfließen und wischte es wütend weg. Ich funkelte sie blitzend an und drehte ihren Arm so weit um, dass sie aufschrie.
"Stephen!", kreischte sie hysterisch. Normalerweise hätte ich jetzt Erbarmen gehabt, doch ich war so wutentbrannt, dass sie Jenny fast getötet hatte, dass ich keine Gnade kannte.
Stephen schaute auf und in dem Moment trat Adaliz ihm mit dem Knie feste in den Bauch und er fuhr knurrend herum. Sie grinste nur und holte zum weiteren Schlag aus. Sie konnte genauso gut kämpfen, wie ich.
Ich hörte schwach Kampfgeräusche aus dem Nebenzimmer und bekam Panik, als mir bewusst wurde, dass meine Eltern dort drinnen waren. Ich hatte erwartet, dass Stephen und Ashley alleine gekommen waren, doch anscheinend hatten sie einen ganzen Clan mitgebracht. Ich konnte nicht schätzen, wie viele Vampire hier im Haus waren.
"Du weißt genau, wie viel uns verbindet", zischte Ashley plötzlich. Sie wandt sich immer noch in meinen Armen und ich schaute sie verwirrt an. Dabei erblickte ich ihre magnetischen Augen.
"Wir kennen uns schon so lange", flüsterte sie hypnotisch und ich kam näher. "Die ganzen Kämpfe, das alles war unnötig. Völlig belanglos. Etwas viel besseres." Ihre Stimme war so angenehm. Sie hatte so recht.
Mein Griff lockerte sich und ich beugte mich über sie. Ich vergaß alles um uns herum und sah nur Ashleys schwarze, tiefe Augen.
Verlangen kam in mir hoch und ich keuchte. Ich strich ihren Arm hinauf und sie lächelte leicht.
"Eine gemeinsame Zukunft", flüsterte sie geheimnisvoll. Sie hatte ja so recht.
"DAVE!", brüllte eine andere Stimme. Ich schaute genervt hoch, um zu sehen, wer uns unterbrochen hatte. Adaliz sah mich geschockt an und da erwachte ich auch schon aus meiner Trance.
Ich war so wütend auf mich selbst, dass ich Ashley schon wieder verfallen war. Ich knurrte und wollte sie wieder packen, doch da hatte sie sich schon meinen Armen entwunden und rannte die Treppe hinauf. Außer mir vor Wut stürmte ich ihr hinterher und verstand, was ihr Ziel war.
Sam.
SAM!
Ich verdoppelte mein Tempo, wenn das noch ging. Die bedingungslose Liebe zu meiner Schwester machte es möglich. Der Drang sie zu beschützen war so groß, dass ich alles für sie tun würde.
Ich entdeckte Ashley im Flur nicht mehr, doch ich wusste sofort, wo sie war. Sie hatte es schon immer auf alles abgesehen, die ich liebte. Es kam nicht oft vor, dass ich mich öffnete, doch wenn dann liebte ich jemanden aufrichtig. Ashley wusste das genau und hatte es deswegen genau auf diese Personen abgesehen. Erst Jenn, dann Sam. Auch Adaliz hatte sie schon ein paar mal angegriffen, als wir noch zusammen waren. Doch Adaliz hatte sich wehren können.
Ich stieß die Türe auf und stürmte in Sam's Zimmer.
Ashley hatte sich schon über sie gebeugt. Sam hatte gar keine Gelegenheit gehabt, sich zu verteidigen, so überrascht war sie.
Mein Herz blieb stehen.
Nicht Sam.
Nicht meine große, kleine Schwester!
Ich würde es nicht ertragen können, wenn sie auch sterben würde. Das würde meine Seele nicht aushalten.
Ich brüllte und riss Ashley an ihrer Jacke so heftig zurück, dass sie mit einem lauten Knall gegen die Wand flog und sich ein Riss im Putz bildete.
Sie sackte kurz zusammen, dann stand sie zischend auf. Sie kam auf mich zu und wollte mich rammen, doch ich wich aus und sie fiel wieder hin.
Ich packte sie am Hals und drückte sie zu Boden.
"Wehe, du rührst meine Schwester auch nur einmal an!", knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Meine Wut war kaum zu kontrollieren.
Sie zappelte und trat mir schließlich mit dem Fuß gegen den Rücken, sodass ich mich zusammenkrümmte und Ashley wieder aufsprang.
Sam kauerte entsetzt auf ihrem Bett und hatte die Augen weit aufgerissen.
"Geh, Sam!", keuchte ich. Sie schüttelte heftig den Kopf. "Geh!"
Ashley kam wieder auf mich zu und ich musste mich mit schmerzverzerrtem Gesicht aufrichten. Mein Rücken brannte von ihrem harten Tritt und mir stiegen fast die Tränen in die Augen.
Ashley setzte wieder auf mich zu und ich bereitete mich auf einen weiteren Schlag vor. Doch statt mich anzugreifen änderte sie im letzten Moment die Richtung und sprang auf Sam zu.
"NEIN!", brüllte ich verzweifelt. Ich stürmte mit letzter Kraft auf sie zu und riss Ashley zurück. Im letzten Moment drehte diese jedoch Sam's Unterarm herum.
Sam kreischte schmerzerfüllt auf und es tat so weh, meine Schwester so leiden zu sehen. Normalerweise wusste sich meine Schwester gut zu verteidigen, doch sie war so voller Selbsthass gewesen, dass sie ganz geschwächt war. Sam wimmerte und hielt hilflos ihren Arm hoch, der jetzt in einem eigenartigen Winkel abgespreizt war.
"Oh, Sam", murmelte ich und lief schnell zu ihr. Ashley wollte mich wieder angreifen, doch ich schleuderte sie weg, sodass sie für einen Moment benommen zu Boden sank.
Ich berührte Sam sanft an der Schulter und sie ließ sich auf ihrem Bett nieder. Ihr Gesicht war tränennass und auch meine Augen wurden glasig, als ich ihre Qualen sah.
"Hör zu, Sam. Ich möchte, dass du zu Mom gehst. Sie wird dir helfen. Ich muss mich um Ashley kümmern." Ich schaute sie durchdringend an.
"Dave, ich muss dir helfen. Ich kann dich jetzt nicht alleine lassen", widersprach sie mir schwach. Langsam nahm ihr Gesicht eine gräuliche Farbe an.
"Sam", sagte ich bestimmend. "Du bist nicht in der Verfassung zu kämpfen. Ich weiß schon, wie ich mich verteidige."
Sie nickte schließlich widerwillig und lief schnell aus dem Raum. Ashley war inzwischen wieder zu Sinnen gekommen und nun stellte ich mich vor sie.
"Du bist so grausam, Ashley", flüsterte ich und griff sie an.
Es wurde ein endloser Kampf. Keiner gewann lange die Oberhand und wir kassierten beide einige Schläge ein, die aber nach einiger Zeit wieder verheilten. Ich bekam einmal ihren Ellenbogen gegen die Schläfe und sah kurz schwarz, doch ich trat ihr bis jetzt schon einige Male die Beine weg.
Schließlich drückte sie mich mit der einen Hand gegen die Wand.
"Dave", sagte sie mit schwarzen Augen. "Sie mich an."
Ihre hypnotische Stimme veranlasste mich dazu, ihr in die Augen zu schauen. Sie waren wie immer leer und doch so voller Anziehungskraft. Ich wusste, dass ich ihr widerstehen musste, doch ich hatte keine Kraft mehr.
"Ich wusste, dass wir früher oder später zusammenkommen würden."
Da war etwas, jemand, den ich nicht vergessen konnte.
"Es war schon immer so vorbestimmt."
Ein Mädchen.
"Deine Zeit wird kommen."
Schwarze Haare.
"Aber nicht hier."
Blaue Augen.
"Sondern bei mir."
Wunderschön. Einfach unglaublich.
"An meiner Seite."
Ihr Bild kam und ich hatte sie vor mir.
"Ich werde mit dir an meiner Seite herrschen."
Jennifer.
"NEIN!", brüllte ich und schleuderte sie von mir.
"Wie kannst du es wagen!", schrie ich sie an. "Ich werde dir niemals folgen!"
Sie zuckte zurück, doch in diesem Moment sackte ich zusammen. Erst war Jenny fast gestorben und ihr Tod hatte mich fast zerstört. Dann hatte Adaliz sie gerettet, doch die Spannung war so groß gewesen, dass ich fast verrückt wurde. Dann kam der Angriff der Vampire und der endlose Kampf mit Ashley.
Mehrere Gründe kamen zusammen, warum ich gerade jetzt zusammenbrach.
Und Ashley nutzte dies schamlos aus und trat mir mit dem Fuß ins Gesicht. Ich kippte vorne herüber und spürte, wie mit schon zum zweiten Mal heute das Blut aus der Nase lief.
Ich wischte es mit schnell von der Nase weg und schaute halb bei Sinnen auf. Ashley zog mich an den Haaren hoch und trat mir mit voller Wucht in den Bauch.
Ich brüllte auf, als der unerträgliche Schmerz mich durchzuckte.
Ashley wollte gerade zu einem weiteren Schlag ausholen, als ich eine Stimme vernahm.
"Ashley, ich würde das lassen."
Da stand sie. Wieder lebendig und wunderschön wie eh und je.

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Bloodmoon (pausiert)
VampirJennifer zieht nach Hamburg um. Da sie vorher auf dem Land lebte, ist das neue Leben in der Großstadt für sie sehr anstrengend. Doch sie findet neue Freunde und wird besonders auf Dave aufmerksam, der mysteriöse Junge verhält sich eigenartig. Mit se...