vi Rachel

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Völlig unerwartet nimmt er meine Hand und führt mich in die Küche.

"Adam ... !"

Er setzt mich auf einen Barhocker an der Frühstückstheke und holt anschließend etwas aus dem Kühlschrank.

"Ist Steak ok für dich?", fragt er.

Ich nicke.

Er verteilt die zubereiteten Gerichte auf zwei Tellern und schiebt diese nacheinander in die Mikrowelle.

"Adam."

Er ignoriert mich und fängt an, das Steak zu schneiden.

Ich seufze. "Ich hab's verstanden. Du bist sauer und ich schulde dir eine Entschuldigung oder eine Erklärung oder was auch immer. Also tut mir leid, ok? Ich hab's eingesehen, dass es rücksichtslos war, mich aus dem Staub zu machen, ohne dir Bescheid zu geben. Ich hatte meine Gründe, die ich dir nicht sagen möchte."

Er kaut langsam und konzentriert. "Iss, und dann reden wir."

Ich spare mir weitere Proteste und willige ein. Trotz der unbehaglichen Situation schmeckt das Steak köstlich. Er müsste eine Haushälterin mit ausgezeichneten Kochkünsten haben.

Nach dem Essen schenkt er uns jeweils zwei Gläser Wein ein.

"Ich möchte nur, dass du mir ehrlich auf die zwei Fragen antwortest, die ich dir gestellt habe.

Warst du eifersüchtig?"

"Nein, Adam", wiederhole ich, "du warst mein bester Freund. Natürlich habe ich mich für dich gefreut."

Seine Züge verhärten sich wie beim letzten Mal. Ich befürchte schon einen Ausbruch. Doch er bringt nur ein knappes "ok" hervor.

"Und was sind wir, wenn wir keine Gegner sind?", folgt seine zweite Frage.

"In erster Linie Arbeitskollegen und weiter ... altbekannte Freunde?" Diese Antwort scheint ihm zu gefallen, denn er entspannt sich ein wenig.

"Cool. Wenn wir also alte Freunde sind, die sich nach der Arbeit auf einen Drink treffen, können wir uns auch unterhalten", er lächelt leicht. Mein Blick bleibt an seinen Lippen haften. Er hat perfekt geformte Lippen. Nicht zu schmal und nicht zu grob. Schlicht sinnlich.

"Tun wir doch?", stoße ich hervor, verwundert über seinen schlagartigen Stimmungswechsel.

Er verdreht die Augen. "Über die letzten Jahren, was wir jeweils so gemacht haben. Mensch, Clarke."

Ich funkle ihn böse an. Er weiß ganz genau, dass ich es nicht mag, beim Nachnamen genannt zu werden.

In den nächsten Stunden tauschen wir uns über die vergangenen Jahre aus. Ich berichte, was ich die letzten Jahre getrieben habe. Er erzählt mir, wo er sich aufgehalten hat und warum er letztendlich auch Jura studiert hat, obwohl er es damals in der Schulzeit strikt abgelehnt hat.

"Eine Freundin von Mum hatte bitter um das alleinige Sorgerecht ihrer Kinder kämpfen müssen. Ihr Ex-Mann war ein selbstsüchtiges Arschloch, das zwar Geld im Überfluss hatte, davon aber kein Cent den Kindern geben wollte. Er hat sich auch keinerlei um die Kinder gekümmert. Sie selbst dagegen besaß kaum etwas und konnte dementsprechend den Kindern nur schwer eine ausreichende Lebensgrundlage bieten. Sie konnte sich auch keinen guten Anwalt leisten, so dass ihr das alleinige Sorgerecht nur dann zugeteilt wurde, als ans Licht kam, dass ihr Ex-Mann die Kinder misshandelte. Das Ganze hat fünf Jahre gedauert."

"Großer Gott." Ich schlage eine Hand vor den Mund.

"Kennst du dieses Gefühl der Verzweiflung, dass man so so gern helfen würde, einem aber die Fähigkeit dazu fehlt?" Er sieht mich mit verbittertem Ausdruck an.

"Zu gut", erwidere ich mitfühlend und dachte an meine verstorbene Oma, die ihr halbes Leben gegen einen Gehirntumor kämpfen musste und den Kampf letztendlich verlor. Bei diesem Gedanke spüre ich meine Augen feucht werden und meine Nase kribbeln. Ich blinzele.

"Wie geht es der Freundin und den Kindern jetzt? Hast du noch Kontakt?", frage ich. Ich stelle das leere Weinglas auf den Beistelltisch. Es war mittlerweile mein drittes Glas und ich spüre, wie sich der Alkohol seine Wirkung langsam entfaltet.

"Laut Mum geht es ihnen ganz gut. Sie arbeitet als Sekretärin in einem kleinen Unternehmen. Und die Kinder sind exzellent in der Schule und haben durchgehend Stipendien erhalten."

"Zum Glück. Das freut mich echt." Ich kuschele mich an das unglaublich weiche Kissen des Sofas.

Den Ellenbogen gegen den Rücken des Sofas stützend, ballt er seine Hand zu einer Faust und lehnt er seinen Kopf dagegen, so dass wir uns nun gegenüber sitzen, jeweils mit der Seite zueinander gedreht . Ein kleines, amüsiertes Lächeln umspielt seinen Mund. "Gemütlich?"

"Du glaubst nicht, wie sehr", flüstere ich. Ein Anflug von Müdigkeit überrollt mich. Ich unterdrücke den Drang zu gähnen.

Wir sehen uns für eine gefühlte Ewigkeit in die Augen. Gott, ist er schön. Diese perfekt geformte Nase, diese verführerische Lippen und das markante Kinn. Mich juckt es in den Fingern, durch diese zerzausten Haare zu fahren.

Ich bin wirklich hoffnungslos.

Plötzlich streckt er seine andere Hand aus und schiebt mir eine Haarsträhne, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hat, hinters Ohr. Dabei streift sein Daumen kurz meine Schläfe. Sofort fängt die Stelle an zu kribbeln.

Seine Blick verweilt auf meinen Lippen. Das Blau seiner Augen verdunkelt sich. Die Luft verändert sich schlagartig. Sie fängt förmlich an zu knistern. Mein Atemzug beschleunigt sich und die Alarmglocken in meinem Kopf schrillen durcheinander.

Er wird mich jetzt doch nicht küssen, oder?

Warum sollte er, wenn wir doch Freunde sind? Vor zwölf Jahren und nach zwölf Jahren. Ich meine, er kann doch nicht auf einmal Gefühle für mich entwickelt haben, wenn er das damals nicht tat?

Ich räuspere mich. "Ich sollte gehen."

Er rührt sich nicht vom Fleck. Jedoch neutralisiert sich seine Miene ein wenig. Ich richte mich vorsichtig auf.

"Rachel."

Er packt mich am Handgelenk. Mit einem Ruck zieht er mich an sich. Überrascht stoße ich einen kleinen Schrei aus. Ich lande in seinem Schoß, woraufhin er einen Arm fest um meine Taille schlingt und eine Hand auf meiner Hüfte legt, um mir jegliche Fluchtmöglichkeit zu unterbinden.

Völlig perplex sehe ich ihn an.

"Du ahnst nicht, was du mit mir machst", sagt er gedämpft. Sein schwach nach Alkohol riechender Atem streift meinen Hals und, kombiniert mit der Hitze seines starken Körpers, lässt mich erschaudern.

Er fährt mit seiner Nasenspitze meinem Hals entlang und platziert einen federleichten Kuss auf meinem Schlüsselbein. Meine Herzschläge geraten absolut außer Kontrolle.

"Adam, du bist betrunken. Lass mich los, bevor wir Dinge tun, die wir beide bereuen werden", sage ich mit zittriger Stimme.

"Von einem Glas Wein? Nö", entgegnet er heißer, "und mir ist völlig bewusst, was ich gerade tue. Ich werde nichts bereuen."

Tief im Inneren weiß ich, dass ich auch nichts bereuen werde, weil das, was gerade passiert beziehungsweise passieren wird, genau das ist, was ich mir immer gewünscht habe. Dennoch kann ich es nicht zulassen, nicht, wenn ich mich in einem beschwipsten Zustand befinde und bei Adam zu Hause bin, wo er die Oberhand hat, und mein Hinterteil an seinen kräftigen Beinen gehaftet ist und mein Verstand von seinen Berührungen benebelt ist.

Nein. Einfach nein.

"Warum?", hauche ich kraftlos, "was soll das Ganze, Adam?"

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Morgen ist schon Heiligabend! An dieser Stelle wünsche ich euch allen schon mal frohe Weihnachten, auch wenn ich wahrscheinlich in den nächsten Tagen weitere Kapitel hochladen werde :) 

Vorschläge und Anmerkungen wie immer gerne in die Kommentare, Votes sind natürlich auch mehr als willkommen :) 

Liebe Grüße

Eure ZYLLIL 

warum nicht wir beideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt