ix Rachel

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Samstag morgen telefoniere ich mit meinen Eltern, die sich zurzeit auf einer Weltreise befinden. Sie halten sich wohl gerade in Brasilien auf und schwärmen überaus von der dortigen Kultur.

"Die Leute hier sind so leidenschaftlich!", ruft meine Mama begeistert. Papa sei gerade etwas besorgen, weshalb ich ihm nicht sprechen kann. Meine Eltern hatten einige Probleme in den dreißig Jahren, für die sie mittlerweile verheiratet sind. Diese Weltreise soll zum Teil auch dazu dienen, sie wieder zusammenzuraufen. Bisher sieht es aus - zumindest objektiv - als ob es ganz gut liefe.

Später besuche ich das Fitnessstudio, bediene mich der Laufmaschine und mache Krafttraining. Bis ich wieder zu Hause bin, ist es bereits nach 15 Uhr. Ich mache mir schnell einen Sandwich, bevor ich mich für den Abend fertig mache.

Meinen Kleiderschrank durchgehend, entscheide ich mich letztendlich für ein mitternachtblaues Kleid, das am Oberkörper eng anliegt und von der Taille ab locker herunterfällt. Es endet kurz über den Knien und lässt außerdem einen Schulter frei. Die obere Hälfte des Kleides ist mit Spitze überzogen, was der Grund war, weshalb ich das Kleid gekauft habe.

Ich lasse meine karamellfarbenen Haare locker über meine Schultern fallen und trage dezente Schminke auf.

Die Nervosität, die ich den ganzen Tag nicht verspürt habe, tritt in Erscheinung, je näher die Zeit rückt. Als die Klingel läutet, schrecke ich auf. Ich fasse mir ans Herz in der Versuchung, es zu beruhigen. Ich eile zum Sprecher.

"Ich bin sofort unten."

Ich streife mir ein paar Stilettos über und schnappe mir meine Clutch.

Adam steht lässig - ein Bein vor dem anderen gekreuzt - an seinem dunkelblauen Tesla und telefoniert. Ich nutze die Gelegenheit, um ihn genau in Augenschein zu nehmen. Er trägt ein hellblaues Hemd, dessen Ärmel aufgerollt sind und eine dunkelgraue Hose, die seine muskulösen Beine zur Geltung bringen. Seine mittelkurzen Locken sind verwuschelter als sonst. Er hat sich nicht rasiert, so dass dunkler Bartstoppeln hervortreten, was seine Züge nur rauer und gefährlicher wirken lässt und sein Sex-Appeal dadurch ins Unermessliche steigert.

Sobald ich eine Armlänge von ihm entfernt bin, beendet er sein Telefonat. Sein Blick wandert langsam meinen Körper hinunter. Gänsehaut überzieht mich. Ich habe das Gefühl, dass er mich mit seinem Blick Zentimeter für Zentimeter entblößt. Ich erschaudere. Feuchte sammeln sich in meiner Mitte. Als seine Augen wieder zu meinem Gesicht zurückkehren, lodert darin ein Feuer. Mein Atem stockt.

Er geht zur anderen Seite des Autos und hält mir die Tür auf. Mir entgeht die Wölbung in seinem Schritt nicht.

Er führt mich zuerst in ein luxuriöses Restaurant, in dem uns ein Drei-Gänge-Menü serviert wird. Im Verlauf des Abends versuche ich, aus ihm herauszukitzeln, das Geheimnis um Mrs Atkinson zu lüften - ohne Erfolg. "Du wirst das früh genug erfahren, ist nichts Spektakuläres." Dann lenkt er das Gespräch auf mich, meine Familie und Freunde. Es scheint, als ob nicht über sich reden will.

"Wie sieht's aus mit deinem Liebesleben? Bist du mit jemandem zusammen?"

"Nein." Meine letzte Beziehung liegt zwei Jahre zurück. Seit Uni führten Dean und ich eine On-Off-Beziehung, bis wir diese vor zwei Jahren endgültig beendeten. Danach hat er eine Position als CFO in der Niederlassung seines Unternehmens in Australien übernommen und arbeitet seitdem dort. Wir haben nur ab und zu Kontakt.

"Gut, dann würde eine potentielle Beziehung zwischen uns schon mal nicht daran scheitern. Das wäre nämlich verdammt ärgerlich."

Ich verdrehe die Augen. Diese Ego. Meiner Ansicht nach würde es zwischen uns an allen erdenkbaren Gründen scheitern, nur nicht daran, dass ich eventuell in einer Beziehung bin.

Er blickt auf die Uhr und winkt daraufhin den Kellner vorbei, um zu zahlen.

"Ich kann's übernehmen. Du hast schon für die Karten bezahlt", interveniere ich.

Er wirft mir einen Ist-das-dein-Ernst-auf-gar-keinen-Fall-Blick zu.

"Dann lade ich dich nächstes Mal ein", sage ich unwillkürlich.

Er grinst. "Darauf habe ich gewartet."

Meine Mundwinkel zucken. "Arschloch", murmele ich.

Er zahlt. Der Saal, in dem das Konzert stattfindet, liegt nur fünf Minuten entfernt. Adam hält mir seinen Arm entgegen, in der Aufforderung, ich solle mich bei ihm unterhaken. Ich schüttele leicht den Kopf. Er sieht mich eindringlich an. Zögerlich komme ich seiner Aufforderung nach. Er hat starke Bizeps. Ich kann die Hitze seiner Haut durch den Stoff fühlen. In Adams Nähe fühle ich mich nicht nur sinnlich, sondern auch sicher und verborgen.

Zuerst konnte ich mich nicht vollständig auf die Musik und das Orchester konzentrieren, weil mir Adams Anwesenheit und der Umstand, dass seine Hand auf meinem Oberschenkel liegt, allzu bewusst ist. Der Versuch, mich seiner Hand zu entziehen, schlägt natürlich fehl. Doch allmählich werde ich in den Bann des wunderbaren Stücks gezogen - Chopin hat schon immer diese Wirkung auf mich - und alle anderen Dinge rücken in den Hintergrund. Ich merke erst, dass etwas Vertrautes fehlt, als Adam seine Hand entzieht, um Beifall zu klatschen.

Der Weg zurück zum Auto legen wir schweigend zurück, beide noch gefesselt von dem Konzert. Ich gehe vor ihm her. Er macht keine Anstalten, sein Tesla zu entsperren, sondern drängt mich gegen das Auto. Die Arme links und rechts neben mich gestützt, bringt er sich auf meine Augenhöhe. Seine kristallblauen Augen funkeln unter dem Laternenlicht. Er wartet darauf, dass ich etwas sage.

"Danke für das wundervolle Konzert", flüstere ich. Mein Herz pocht laut in meinem Ohr. Die Lust, die sich den ganzen Abend über in meinem Unterleib versammelt hat, erweckt unter seinem glühenden Blick.

Seine Lippen streifen daraufhin sachte über meine. Die Stelle prickelt.

"Hast du über meinen Vorschlag nachgedacht?", fragt er mit rauer Stimme.

"Nein", gebe ich ehrlich zu.

Er lacht. "Warum nicht?"

"Ich wollte nicht."

Seine Miene verdüstert sich schlagartig. Er beginnt, sich zurückziehen. Schnell lege ich die Arme um seinen Nacken, um ihn auf der Stelle zu halten.

"Weil ich weiß, dass der Sex großartig wird und die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich dabei in dich verliebe, sehr sehr hoch liegt", gestehe ich. Und dass mein Verlangen nach dir nie wieder gestillt werden könnte, sollte ich einmal den Schritt gewagt haben. Ich befürchte sogar, dass ich mich eigentlich längst wieder in ihn verliebt habe.

Er grinst verschmitzt. "So unwiderstehlich bin ich, hm?"

Ich trete ihn leicht in den Fuß. "Ich meine es verdammt nochmal ernst!", zische ich.

"Sorry", entschuldigt er sich. Er streichelt mir nachdenklich über den Arm. "Woher willst du wissen, dass ich mich nicht auch in dich verliebe?"

Verdattert sehe ich ihn an. "Diese Möglichkeit habe ich nie in Erwägung gezogen. Wir kennen uns schon so lange."

"Siehst du? Wenn wir uns ineinander verlieben, dann werden wir eben ein Paar. Ich sehe da kein Problem."

"Du kannst dir ernsthaft vorstellen, mit mir zusammen zu sein?", frage ich ungläubig.

Er runzelt die Stirn. "Warum nicht? Du bist eine wunderschöne und intelligente Frau, noch dazu meine beste Freundin, ich kann mich nur glücklich schätzen."

Das verläuft ganz anders, als ich es mir vorstellen konnte. Ich dachte, Adam würde niemals in Erwägung ziehen, mit mir in irgendeinem romantischen Zusammenhang verstrickt zu sein. Anscheinend habe ich mir geirrt?

"Ich muss das gerade verdauen." Ich drücke meinen überhitzten Körper etwas fester gegen die kühle Oberfläche des Autos, damit mein Gehirn die nötige Vernunft herstellen kann, die umher schwirrenden Gedankenschnipsel zu sortieren.

Er stupst liebevoll meine Nase an. "Das hast du sicherlich geschafft, bis wir bei mir sind."

Ich widerspreche nicht, obwohl das bedeutet, dass ich bei ihm die Nacht verbringen werde.

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Vorschläge, Anmerkungen und Votes sind wie immer mehr als willkommen :)

warum nicht wir beideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt