xv Rachel

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Alex lädt mich ins Labor seines Unternehmens ein, in dem die Produkte von Evergreene hergestellt und erprobt werden. Er führt mich durch die Gänge, und ich staune nicht schlecht.

"Und das sind die Exemplare unserer neuesten Lippenstifte", zeigt er mir stolz einzelne Tablette, "diese sind komplett aus natürlichen Stoffen hergestellt und können sogar gegessen werden."

"Wow."

Er hält mir ein Exemplar entgegen. "Die Farbe wird dir stehen."

Ich schenke ihm ein Lächeln und trage die Mischung auf. Diese hatte die Farbe eines rot-orangenen Hibiskus, unterstrichen mit Glitzer.

"Und?", frage ich ihn.

"Übertrifft sogar meine Erwartung", schmunzelt er.

Ich ergreife den Spiegel auf dem Tisch. Alex hat Recht, die Farbe steht mir. "Du hast ja wirklich Ahnung von deinen Produkten, ich bin beeindruckt", sage ich halbtrocken.

"Bisschen mehr Begeisterung vielleicht?"

Ich lache. "Ehrlich, wie hast du das alles gelernt? Warum wolltest du ein Kosmetikunternehmen gründen?"

Er lehnt sich mit seinem unteren Rücken am Rand des Tisches und verschränkt die Arme vor der Brust.

"Wegen meiner Mama. Wir hatten nicht viel Geld, als ich klein war. Mama ist aber eine Frau, die unglaublich viel auf ihr Aussehen setzt. Um teure Schminke leisten zu können, war sie sogar bereit, in die Prostitution zu gehen. Sie hat das ein paar Jahre lang gemacht. Als ich älter wurde und endlich verstand, was sie da draußen trieb, bat ich sie, damit aufzuhören. Und sie tat es. Du musst wissen, dass, obwohl Mama Prostituierte war, sie immer für mich da war und mir all ihre Liebe gegeben hat. Ich habe mich keinen einzigen Tag vernachlässigt gefühlt. Sie war und ist die beste Mama der Welt. Deswegen habe ich mir vorgenommen, die besten Kosmetikprodukten zu entwickeln, so dass sie ihr ganzes Leben hat genug hat und schön sein kann."

Unwillkürlich strecke ich eine Hand aus und drücke seinen Arm. "Als du herausgefunden hast, dass deine Mama mit Männern Sex gegen Geld hat ... Wie hast du dich gefühlt?"

"In den ersten Tagen hat sie mich geekelt; ich konnte es nicht aushalten, wenn sie mich berührt hat", gibt er verbittert zu.

"Gott", flüstere ich.

"Mit den Jahren hat sich das aber gebessert, auch wenn es sich heute immer noch nicht ganz natürlich anfühlt."

Ich sehe ihn mitfühlend an. "Willst du eine Umarmung?"

Er lacht leise und zieht mich mit einem Ruck an sich. Ich pralle gegen seine Brust. Sofort steigt mir sein Aftershave in die Nase. Es ist der Geruch von Evergreene. Natürlich, erfrischend, und klar.

Ich kichere. "Du liebst dein Unternehmen echt so sehr, dass du deine eigenen Produkte benutzt, oder?"

"Ob du's glaubst oder nicht: Sogar alle Angestellten sind dazu verpflichtet, ausschließlich Produkte von Evergreene zu benutzen, steht in deren Arbeitsvertrag", fügt er lächelnd hinzu.

"Herrischer Freak", erwidere ich ebenfalls unwillkürlich lächelnd.

_

In den folgenden Wochen gingen Alex und ich auf weitere Dates. Er ist super charmant, aufmerksam und bringt mich ständig zum Lachen. In seiner Gegenwart scheine ich tatsächlich Adam vergessen zu können. Wenn meine Gedanken drohen, zu ihm zu schweifen, stürze ich mich in Arbeit. Ich verlasse das Büro jeden Abend gegen neun und treibe nun sechs Mal die Woche Sport. Claire hat neulich neidisch kommentiert, welch eine gute Figur ich in meinen Anzügen mache.

Auf unserem dritten Date habe ich dann endlich zugelassen, dass Alex mich küsst. Er kann perfekt küssen. Man merkt, dass er geübt ist. Ich habe etwas im Bauch gefühlt. Nur sind es keine Schmetterlinge. Ich habe mir eingeredet, dass diese noch kommen werden.

Dean hat mich gefragt, ob wir uns heute zum Abendessen verabreden, da er morgen nach Australien zurückfährt. Überraschung: Mit Merle. Jap, sie sind tatsächlich zusammengekommen. Neulich rief mich Merle an und wollte sich bei mir bedanken. Stattdessen hat sie die ganze Zeit von Dean geschwärmt. Ich habe das Handy für eine Weile lang auf stumm gestellt, weil ich keine Details über das Liebesleben meines Ex-Freundes brauche.

Dean und ich treffen uns im Restaurant des Luxushotels, in dem er sich aufhält.

"Ich habe schon gehört, du und Greene, ihr seid ein Paar." Dean wackelt mit den Augenbrauen.

Ich zucke mit den Schultern. "Könnte man so behaupten."

"Wow, müsste etwas Ernstes sein, wenn du es nicht ansatzweise zu bestreiten versuchst."

"Ich denke, Alex nimmt es ernster als ich."

Dean runzelt die Stirn. "Spielst du etwa mit ihm?"

"Natürlich nicht. Ich fühle nur bisher nicht so viel." Ich seufze und stochere genervt in meinem Essen herum.

"Bist du immer noch nicht über diesen Typen hinweg?"

Ich werfe Dean einen vernichtenden Blick zu. "Wage es nie wieder, in meiner Gegenwart diesen Menschen zu erwähnen."

Dean sieht mich kopfschüttelnd an. "Du tust mir leid. Greene tut mir leid. Ehrlich, Rachel, entscheide dich. Sonst ist es nicht fair Greene gegenüber. Er ist ein guter Kerl."

Ich dachte an Alex' Mutter, wie sie ihm jahrelang verheimlicht hat, womit sie den Lebensunterhalt bestritten hat.

Ich muss ihm die Wahrheit sagen.

_

"Alex, können wir reden?"

Er hat soeben von der Arbeit abgeholt und wir sind zum Spazieren ans Wasser gefahren. Er bleibt stehen und sieht mich fragend an. Ich wende mich dem Wasser zu und blicke weit hinaus.

"Es gab da einen Typen in High School, in den verliebt war. Er hatte aber eine Freundin, weshalb zwischen uns nichts laufen konnte. Vor vier Monaten sind wir uns wieder begegnet. Anfangs schien er Interesse zu zeigen, doch dann hat er plötzlich wieder den Kontakt abgebrochen. Jedenfalls wurden in mir alte Gefühle geweckt und ich versuche wirklich, über diese hinwegzukommen, weil ich dich wirklich mag und ich es mir dringendsten wünsche, dass das zwischen uns funktioniert."

Er macht einen grüblerischen Ausdruck. "Du erzählst mir das, weil ...?"

"Weil ich dir nichts verheimlichen will. Du hast mir doch von deiner Mama erzählt, ich weiß, wie du Geheimnisse verabscheust."

"Wie kannst du dir sicher sein, dass du dich je in mich verlieben wirst?", fragt er kühl.

Ich atme hörbar aus. "Ich bin mir nicht sicher, ich brauche nur Zeit", antworte ich leise.

Er schweigt für ein paar Minuten und dreht sich anschließend zu mir um. Er nimmt beide meine Hände, so dass wir uns gegenüberstehen.

"Was hältst du davon, wenn ich dir alle Zeit des Lebens gebe?", fragt er sanft.

Verwirrt blicke ich in seine dunklen Augen, die vor Aufrichtigkeit und Liebe strotzen. Er lässt meine Hände los und greift in die Innentasche seines Sakkos. Ehe ich mich versehe, geht er auf die Knie und hält mir eine elegante Velvet Box entgegen. Darin befindet sich ein goldener Verlobungsring mit einem kleinen Diamanten.

"Heirate mich, Rachel, werde meine Frau, und ich verspreche dir, dass du mich mit jedem Tag ein bisschen mehr lieben wirst, bis du mich irgendwann genauso sehr liebst wie ich dich. Auch wenn ich weiß, dass ich für immer derjenige sein werde, der dich mehr lieben wird als du mich."

Meine Sicht verschwimmt und Tränen laufen mir übers Gesicht. Das, was Alex gesagt hat, war so wunderschön. Ich zweifle in keiner Sekunde, dass er mich glücklich machen wird. Nur ob ich auch imstande bin, ihn glücklich zu machen?

Ich strecke meine Hand aus, und er bringt den Ring um meinen Finger. Dann küssen wir uns. Er hebt mich vom Boden und wirbelt mich herum. Dabei lachen wir.

warum nicht wir beideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt