viii Rachel

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Kurz vor neun breche ich auf, da Claire Leo bettfertig machen muss. Ich schalte das Radio an, um ein wenig Jazz Musik zu hören, während ich nach Hause fahre. An der Ampel vor der Kreuzung, die in die Straße der Kanzlei abknickt, fällt mir ein, dass ich eine Akte, die ich mir übers Wochenende anschauen möchte, im Büro vergessen habe. Ich könnte sie zwar auch morgen holen, aber wenn ich schon praktisch hier bin.

Ich stelle den Wagen ein paar hunderte Meter entfernt. Es leuchten immer noch viele Lichter im Gebäude. Wer heutzutage arbeitet nicht Überstunden? Unsere Kanzlei Bennett & Burton befindet sich in der 11. Etage. Ich fahre mit dem Aufzug hoch. Die Tür ist unverschlossen, also ist noch jemand da. Ich gehe den Gang hinunter. Aus Marks Büro dringt Licht, aus Mr Burtons Büro auch. Ich schätze, Partner zu sein ist zweifellos herausfordernd. Dennoch hätte ich große Lust, mir dieser Herausforderung zu stellen. Ich meine, mit 30 Jahren Partner einer Kanzlei zu werden? Das wäre beeindruckend.

Bevor ich mit meinen Sachen verschwinde, mache ich den beiden einen Tee, wofür sie sich sehr bedanken. Ich arbeite nun seit drei Jahren in Bennett & Burton und Mr Bennett (also Mark) und Mr Burton haben mir so vieles beibringen können. Sie sind fast wie meine Mentoren.

Während ich auf den Aufzug warte, denke ich an die Zeit zurück, als ich frisch bei Bennett & Burton angefangen habe. Ich hatte gerade das erste Staatsexamen geschafft und befand mich sogleich im Referendariat. Bennett & Burton war meine erste Station. Ich war so nervös. Aber sowohl die beiden Gründer der Kanzlei als auch die anderen Kollegen waren wirklich nett. Die Arbeitsatmosphäre war toll. Ich habe auch gleich Claire kennengelernt und mich mit ihr angefreundet. Ich schmunzele bei den Erinnerungen.

Die Aufzugtür geht auf. Ich mache einen Schritt nach vorn, verharre aber in der Bewegung, weil Adam mir auf einmal gegenüber tritt. Seine dunkelblonden Haare stehen ihm ein wenig wirr auf dem Kopf, und er hatte einen schwarzen Anzug an, aber keine Krawatte. Die obersten Knöpfe seines Hemdes sind geöffnet, sodass der Ansatz seiner muskulösen Brust in Augenschein fällt.

Ich vergesse auf einmal zu atmen.

"H...i", sage ich zögerlich. Die Mauer, die ich die Woche über um ihn gerichtet habe, beginnt zu bröckeln.

Er schweigt. Seine Augen lodern. Sein Kiefer ist vor Anspannung zusammengepresst. Er sieht regelrecht zornentbrannt aus.

Und nicht zu vergessen super heiß.

Er hat die Hände in die Hosentaschen gesteckt und steht mit dem Rücken angelehnt an der Wand. Die Haltung sollte entspannt wirken, jedoch strahlt in dem Moment Gefährlichkeit aus.

Die Tür schließt. Ich stolpere automatisch zurück. Adam schnellt nach vorn und ergreift mein Handgelenk. Mit einem Ruck zieht er mich in den winzigen Raum. Ich pralle gegen seine Brust. Eher mein Verstand das verdauen konnte, presst er seinen Mund auf meinen. Er küsste mich hungrig. Seine eine Hand umschließt meinen Nacken, die andere liegt auf meinem unteren Rücken. Die Hitze, die seine Hand dort verursacht, hallt direkt zwischen meinen Beinen wieder. Der Kuss wird härter, fordernder, fast bestrafend. Ich vergrabe meine Finger in seinem Sakko, um ihn noch fester an mich zu ziehen.

Als schließlich seine Erektion gegen meinen Bauch bohrte, war ich bereits so feucht, dass ich keine klaren Gedanken mehr fassen konnte. Das Blut rauscht in meinem Ohr, mein Herz pocht laut und vehement, und mir ist vor Erregung schwindelig. Ich konnte nur an eines denken: nämlich ihn sofort - auf der Stelle - in mich zu spüren.

Schließlich bricht er den Kuss ab, verharrt aber in der Position. "Das war die Konsequenz dafür, dass du mich ganze sieben Tage lang gequält hast."

Ich nehme kaum war, was er sagt, weil mich seine geschwollenen Lippen ablenken. Als er das bemerkt, beißt er auf meine Unterlippe.

"Au!" Ich funkele ihn böse an.

"Das war die Konsequenz dafür, dass du den ganzen Tag meine Anrufe und SMS ignoriert hast und jetzt mir nicht einmal zuhörst."

Die Aufzugtür springt plötzlich auf. Ich löse mich abrupt von ihm. Eine Frau tritt ein, nicht ohne uns komisch anzugucken. Dann fällt mir erst auf, dass weder Adam noch ich auf eine Taste gedrückt haben, so dass wir in der elften Etage stecken geblieben sind. Zum Glück ist es nach Feierabend, sonst würde ich wahrscheinlich zum Gesprächsthema der nächsten Tage werden.

Schließlich kommen wir endlich unten an. Wir laufen schweigend nebeneinander her, bis sich sein Bauch zu Wort meldet. Peinlich gerührt, kratzt er sich am Hinterkopf.

Ich lache. "Warum vergisst du ständig zu essen?"

"Ich habe den ganzen Abend auf dich gewartet", brummt er.

"Tut mir leid, mein Akku war leer."

Ich ziehe ihn hinter mir her. "Komm, ich lade dich zum Essen ein."

Ich bringe ihn zu meinem Lieblings-Italiener, der nur fünf Minuten von meinem Büro entfernt ist. Er bestellt sich einen gegrillten Fisch mit Beilagen. Während ich ihm beim Essen zuschaue, nippe ich an einem kleinen Glas Wein. Er dagegen trinkt nur Mineralwasser, da er einen längere Autofahrt vor sich hat als ich.

Es ist faszinierend, wie er es schafft, elegant und sexy sogar beim Essen auszusehen. Das ist nicht fair.

"Was machst du morgen?", fragt er.

"Ausschlafen und ein paar Akten durcharbeiten, denke ich."

Er nickt. Nachdem er fertig gewesen ist, bezahle ich und wir gehen in Richtung unserer Autos. Ich parke eine Straße vor ihm, weshalb wir zuerst mein Auto passieren. Bevor ich einsteige, holt er zwei Karten aus seiner Brusttasche hervor. "Ich dachte, wir könnten morgen Abend ins Konzert gehen."

Er reicht mir die Karten. Meine Augen leuchten auf. Diese sind für Chopins Klavierkonzert. "Deine Liebe zu Chopin vergeht nie, wahr?", betrachte ich die Karten lächelnd.

Er lächelt zurück. "Also: Was meinst du?".

Natürlich sage ich zu. Ich bin aufrichtig gerührt. Er hat den ganzen Abend auf mich gewartet und nun lädt er mich zum Konzert unseres Lieblingskomponisten ein, was total süß ist.

Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, da er mit seinen 1,87 m mich um mehr als einen Kopf überragt, und hauche einen Kuss auf seine glattrasierte Wange. "Danke", flüstere ich.

Er lässt nicht zu, dass ich zurückweiche, sondern hält mich an der Taille fest. Unsere Gesichter sind wenige Zentimeter voneinander entfernt, so wie es in den letzten Wochen öfters der Fall gewesen ist. Dennoch schlägt mir das Herz jedes Mal bis zum Hals.

"Ich hole dich morgen um fünf ab. Und ... denke bitte nochmal darüber nach, was ich letzten Freitag gesagt habe. Ich meinte es ernst."

Dann lässt er mich los. Ich sehe zu, wie seine kräftige Statur sich entfernt. Als ich endlich ins Auto schlüpfe, merke ich, dass ich in der Hand immer noch die zwei Karten halte. Ich schüttele den Kopf, als mir dämmert, dass er das wohl absichtlich getan haben muss, damit mir keine Möglichkeit bleibt, das Date abzusagen.

Raffiniert, wirklich raffiniert, Adam Harris.

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