xiii Rachel

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Die vertraute Aftershave erweckt meinen Geruchssinn. Ich hebe den Kopf. Dean erscheint verschwommen in meinem Sichtfeld.

Er bringt mich zu den Toiletten, wo ich alles, was ich heute Abend zu mir genommen habe, wieder auskotze. Danach wasche ich mir den Mund ab. Nachdem ich meine verschmierte Schminke und zerzausten Haare halbwegs in Ordnung gebracht habe, verlasse ich den Raum.

Dean steht angelehnt an der gegenüberliegenden Wand.

"Trink." Er hält mir eine Flasche Wasser entgegen.

Ich lächle leicht. "Danke."

"Ich bringe dich nach Hause."

"Sicher? Was ist mit Merle?"

"Ich hab ihr gesagt, dass ich sie in den nächsten Tagen anrufen werde."

Ich werfe ihm einen kuriosen Blick zu. "Seit wann gehst du langsam an?"

Er zuckt mit den Schultern. "Mit zunehmendem Alter wird einem eben die emotionale Verbindung wichtiger. Der Sex wird dadurch um so viel besser."

Ich schlage eine Hand vor den Mund, gespielt total schockiert. " O mein Gott, Dean, du wirst erwachsen."

"Ha. Ha." Er sieht mich entgeistert an.

Dean ist drei Jahre älter als ich. Groß - 186 cm - kurze, dunkle Locken, smaragdgrüne Augen und sinnliche Lippen. Nicht zu vergessen: athletisch gebaut. In seinem hellblauen Hemd und seiner maßgeschneiderten Anzugshose ist er wirklich eine Wohltat für die Augen.

Ich hole meine Tasche von der Lounge und verabschiede mich von den Mädels. Bei Merle entschuldige ich mich. Aber sie wimmelt es gelassen ab. "Vorfreude ist das beste Vorspiel", zwinkert sie mir zu. Ich schüttele lachend den Kopf.

Dean fährt mich in meinem Mercedes SUV nach Hause. Ich würde mich gern mit ihm unterhalten, bin aber zu müde.

"Lass uns in den nächsten Tagen nochmal treffen und reden", schlage ich vor und unterdrücke ein Gähnen.

"Klar, es gibt da sowieso etwas, wofür ich deinen Rat brauche."

Ich stütze mich mit dem Ellenbogen am Fenster ab und lehne meinen Kopf gegen meine Hand. "Hm", antworte ich und döse langsam ein.

Als das nächste Mal meine Augen aufschlagen, stehen wir vor meiner Haustür, vor der jemand sitzt.

"Warum hast du mich nicht geweckt?", frage ich.

"Bin gerade am Abwägen, ob ich dich entführe und an die Mafia verkaufe", scherzt er.

Ich verdrehe die Augen. "Und? Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?"

Er schüttelt den Kopf. "Nah, bist zu alt."

Ich boxe ihm in den Arm. "Klappe, Blödmann. Du bist selbst auch nicht mehr der Frischeste."

Er lacht und steigt aus. Anschließend kommt er herum und öffnet mir die Tür.

"Du bist mir viel zu wertvoll, als dass ich dich jemals an die Mafia verkaufen kann." Er nimmt mich in einer festen Umarmung. Ich atme tief seine Aftershave ein und spüre, wie es in meiner Nase kribbelt.

Dean und ich haben in den Jahren, in denen wir einen On-Off-Beziehung geführt haben, viel Unvergessliches zusammen erlebt. Er ist der einzige Mann außer Adam, den ich jemals geliebt habe und der mir je etwas bedeutet hat. Auch nach unserer Beziehung ist er mein bester Freund geblieben.

"Willst du heute Abend bei mir pennen? Es ist schon ein Uhr und du hast kein Auto. Oder willst du mein Auto nehmen?"

Er begleitet mich zur Tür. Dann erkenne ich erst, dass es Adam ist, der vor meiner Haustür sitzt. Bei seinem finsteren Blick steigt Wut in mir auf.

Ich tu so, als sei er Luft, und gehe an ihm vorbei. Dabei ziehe ich Dean am Arm hinter mir her durch die Tür.

"Rachel. Warte."

Unwillkürlich bleibe ich stehen, obwohl ich innerlich meinen Füße den Befehl gebe, weiter zu gehen.

Lange Sekunken verstreichen, ohne dass einer von uns etwas sagt. Meine Finger krallen sich fester im Stoff des Hemdes von Dean. Er musste es bemerkt haben. Denn er räuspert sich: "Hey Kumpel, es ist spät, Rachel ist offensichtlich erschöpft. Was auch immer du willst - nicht heute, ok?"

Natürlich ignoriert Adam Dean. "Rachel, ich benötige nur fünf Minuten."

So nutzlos wie ich bin, lasse ich Dean los, und deute Adam mit einer leichten Kopfbewegung vorzugehen.

"Sorry, Dean. Ich ruf dich an, ok?", entschuldige ich mich.

Er seufzt. "Pass auf dich auf. Wenn irgendetwas ist - ich bin für dich da, das weißt du?"

Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse ihm auf die Wange. "Danke", flüstere ich gerührt.

Adam und ich fahren schweigend den Aufzug hoch. Ich fummele an dem Schloss herum, bis ich die Tür endlich aufkriege.

Ich kicke meine Stilettos weg und steuere ein wenig wackelig auf das Schlafzimmer zu, wohl bewusst, dass Adam mir folgt.

Ich schalte kein Licht an, so dass wir im Dunkeln stehen, ich mit dem Rücken zu ihm gewandt. Die Wirkung des Alkohols hat sich mittlerweile neutralisiert. Mein Körper ist sich der Gegenwart Adams mehr als bewusst; er kribbelt ein wenig. Ich spüre, wie mein Atemzug unregelmäßig wird.

"Ich schulde dir eine Erklärung, Rachel. Die verdienst du, deswegen bin ich gekommen. Ich wollte dich wortlos zurücklassen, aber das wäre unfair."

Eine ungute Vorahnung überkommt mich. Langsam drehe ich mich zu ihm um. In seinem schönen Gesicht liegt ein Ausdruck von Bedauern und Schmerz.

"Es wäre besser, wenn wir uns zukünftig nicht mehr sehen."

Ich starre ihn an - fassunglos.

"Du mieses, egoistisches, selbstgefälliges Arschloch", bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, "wer gibt dir das Recht, nach deinem Belieben einfach in mein Leben reinzuschneien und wieder abzuwandern? Wieso hast du mich nicht einfach in Ruhe gelassen?" Wütend bohre ich den Zeigefinger in seine Brust.

"Es tut mir so unglaublich leid, Rachel."

"Ist das wegen dieser Freundin von dir?", frage ich erstickt.

Er antwortet nicht.

In meiner Nase macht sich ein Kribbeln bereit. Ich spüre Tränen in meinen Augen aufsteigen. Ich wende mich von ihm ab.

"Verschwinde. Und wage es nicht, jemals zurückzukommen."

Die alte Wunde ist erneut aufgerissen worden, und ich habe keine Ahnung, wie lange ich diesmal brauche, um diese zu betäuben.

Nachdem die Tür leise ins Schloss gefallen ist, sacke ich auf dem Boden zusammen. Alle meinen Glieder schmerzen. Ich ziehe die Knien zur Brust heran und schluchze laut. Es fühlt sich so an, als ob die letzte Funke an Hoffnung, die über die Jahre in der untersten Ecke meines Herzens gelebt hat, nun endgültig erloschen ist. 

warum nicht wir beideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt