Aufbruch

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Es musste bereits weit nach Mitternacht gewesen sein, als die beiden eingeschlafen waren. Den Schlaf hatten sie auch bitter nötig gehabt. Als Silvana schließlich erwachte, war die Sonne bereits aufgegangen. Noch völlig verschlafen öffnete sie die Augen. Sie versuchte sich zu strecken, doch Lokis Arm hatte sie so fest umschlungen, dass ihr dies kaum möglich war. Die ganze Nacht über hatte ihr Kopf auf dessen Oberarm geruht, vermutlich war er nun völlig taub. Der Gott schlief allerdings noch tief und fest und Silvana wollte ihn nicht wecken, weshalb sie still liegen blieb.

Stattdessen sah sie in sein im Schlaf völlig entspanntes Gesicht und betrachtete es eingehend. Sie versuchte sich jedes noch so kleine Detail einzuprägen. Ihr Blick wanderte von seinen geraden Augenbrauen, zu seinen langen dunklen Wimpern, über seine gerade Nase, bis hinab zu seinen schmalen, weichen Lippen. Das Licht der Sonne fiel auf die seidenweiche, bartlose Haut seiner Wange.

Als fühlte er ihren Blick auf sich ruhen, flatterten seine Augenlider, bevor er diese öffnete. Ertappt schloss Silvana schnell ihre Augen und tat so, als würde sie noch schlafen. Loki bewegte sich neben ihr und sie konnte spüren, dass er sie musterte. Dann fühlte sie seinen Atem auf ihrer Haut, kurz bevor er sie zärtlich auf die nackte Schulter küsste und sich so bis zu ihrem Hals vorarbeitete.

„Ich weiß, dass du wach bist", raunte er schließlich, als er bei ihrem Ohr angekommen war.

Silvana lachte und öffnete schließlich die Augen, während Loki weiterhin Küsse auf die zarte Haut an ihrem Hals hauchte. In ihrem Inneren begann es inzwischen wieder zu glühen, doch sie versuchte die aufkommende Begierde etwas zu zügeln.

„Was denkst du, wann sollten wir mit der Suche nach Idun beginnen?", fragte sie ihn dann und Loki hielt inne.

„So bald wie möglich", meinte er dann, als er seinen Kopf wieder auf das Kissen gebettet hatte, „ich würde vorschlagen, dass wir heute Abend aufbrechen."

„Müssen wir vorher jemanden um Erlaubnis bitten oder informieren? Zum Beispiel Odin?", fragte Silvana dann etwas verunsichert, da sie sich schon vorstellen konnte, dass der Allvater nicht erfreut über ihre Pläne wäre, sie sogar als Blasphemie ansehen könnte.

Loki schüttelte lediglich den Kopf, während er Silvana ernst ansah.

„Meinst du Heimdall wird uns eine Reise mit dem Bifröst gewähren? Damit hätten wir wohl die besten Chancen Brunnakr zu finden. Wenigstens er muss doch wissen, wo sich das Apfelland befindet", sprach Silvana weiter, doch wieder schüttelte der Gott neben ihr den Kopf.

„Nein, wir sollten einen anderen Weg nehmen, ich weiß auch schon welchen" meinte er lächelnd.

Silvana überlegte einen Moment. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie niemanden darüber informieren würden, dass sie Asgard auf unbestimmte Zeit zu verlassen gedachten.

„Wir sollten wenigstens Thor sagen, was wir vorhaben. Er wird es verstehen. Wenn unser Plan funktionieren sollte, wird er dasselbe mit Jane machen wollen. Ich vertraue ihm, er würde uns nicht verraten", meinte Silvana beharrlich.

Loki hielt einen Moment inne, bis er reagierte. Er schien zu überlegen, ob das wirklich eine so gute Idee war.

„Na gut, du hast Recht", sagte er dann.

Silvana lächelte und nach einigen Momenten verzog sich auch Lokis Mund wieder zu diesem entwaffnenden lasziven Lächeln, dem die junge Frau einfach nicht widerstehen konnte.

Nachdem sie den halben Tag im Bett verbracht hatten, spazierten sie am Nachmittag durch die Straßen Asgards, in der Hoffnung Thor irgendwo zu begegnen. Nach einiger Zeit taten sie dies auch und erzählten dem Donnergott von ihrem Vorhaben. Dieser sah sie etwas zweifelnd an, nickte jedoch.

„Du darfst es niemandem sagen, mit Sicherheit gibt es einige, die nicht sehr erfreut darüber wären, wenn sie wüssten was wir vorhaben", meinte Silvana dann abschließend und sah Thor fast schon flehend an.

„Natürlich nicht, ihr habt mein Wort", meinte dieser dann mit tiefer Stimme.

Er sah zwischen Loki und Silvana hin und her. Beiden legte er eine Hand auf die Schulter und sah sie dann eindringlich an.

„Ich hoffe es gelingt euch", meinte er dann mit besorgter Stimme, „passt auf euch auf."

Mit diesen Worten drehte sich der Donnergott um und verschwand nach und nach in der Menge. Obwohl sie Thor ihre Pläne mitgeteilt hatten, schlenderten Silvana und Loki weiterhin durch Asgards Straßen. Erst als die Sonne bereits begann unterzugehen, und die Leute sich nach und nach in den großen Saal begaben, brachen auch sie auf. Ihr Ziel war der Palast, jedoch wollten sie nicht zu dem Fest.

Nachdem sie eine Treppe hinabgegangen waren, blieb Loki stehen und sah Silvana mit ernst zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Tu einfach alles, was ich auch mache. Wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen", erklärte er mit leiser Stimme.

Schon war Silvana in grünes Licht gehüllt und begann sich zu verwandeln. Sie blickte auf ihre Hände hinab und erkannte, dass es sich dabei um Männerhände handelte. Ihr Kopf fühlte sich seltsam schwer an, als trüge sie einen Helm. Als sie Loki fragend ansehen wollte, stand eine Wache vor ihr und sie erschrak heftig, doch als diese den Finger an die Lippen hob, wusste Silvana, dass Loki sowohl sie als auch sich selbst verwandelt hatte.

Sie nickte und gab ihm damit zu verstehen, dass sie verstanden hatte. Mit geschmeidigen und nicht allzu eiligen Schritten gingen sie nebeneinander her. Sie stiegen noch zwei weitere Treppen hinab und schlenderten durch die Gänge, bis sie schließlich vor einem großen Tor ankamen. Loki öffnete es ganz selbstverständlich und setzte seinen Weg dann fort – er ging direkt auf zwei Wachen zu.

Silvanas Herz raste, doch sie vertraute Loki. Er wusste, was er tat. Mit aller Kraft versuchte sie, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen, als sie neben Loki und vor den Wachen zu stehen kam.

„Wir lösen euch ab, ihr könnt zum Fest gehen", meinte Loki dann mit einer völlig fremden Stimme.

Die Wachen sahen ihn fragend an, zuckten dann jedoch mit den Schultern und entfernten sich dann, nachdem sie sich bedankt hatten. Loki blieb jedoch stehen und wartete ab, bis sich die Wachen entfernt hatten.

„Wir haben nicht viel Zeit, wir müssen hier unten etwas finden", meinte er dann leise.

„Okay", antwortete Silvana lediglich und verzog das Gesicht angesichts ihrer männlichen Stimme.

Als sie Loki durch die Gänge folgte, erkannte sie, dass sie sich wohl in der Schatzkammer des Palastes befanden, überall waren wunderschöne Relikte aufgestellt. Doch keins von ihnen schien Loki zu interessieren. Er sah sich immer wieder hektisch suchend um und schien immer beunruhigter zu werden. Dann endlich hellte sich sein Gesicht auf und er näherte sich einem der Relikte.

Silvana kam vor einem blau leuchtenden Würfel zu stehen und erkannte ihn sofort wieder – es war der Tesserakt. Unschlüssig, was er damit vorhatte, schaute sie Loki an, der inzwischen wieder seine eigene Gestalt angenommen hatte.

„Was hast du denn damit vor?", fragte sie dann und war froh, wieder den Klang ihrer eigenen Stimme zu hören.

„Vertrau mir", meinte Loki dann lediglich, „halt dich an mir fest."

Silvana tat wie ihr geheißen und schloss ihre Arme um Lokis Körper. Dieser hob unterdessen den Tesserakt hoch, bis er auf seiner Augenhöhe war. Er schloss die Augen und konzentrierte sich.

Plötzlich breitete sich schockartig ein unangenehmes Gefühl in Silvana aus. Es fühlte sich an, als würde ihr ganzes Sein umgekrempelt und nach außen gekehrt. Doch ehe sie irgendwie hätte darauf reagieren können, war es auch schon wieder vorbei. Sie sah zu Loki hoch, der seine Hand mit dem Tesserakt wieder senkte und diesen schließlich in eine Tasche seiner schwarzen Kleidung gleiten ließ. Als er sie ansah lächelte er.

Ein schicksalhaftes Band - LokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt