Living next door to Janne (Rezo)

Erkenntnis durch Wut

Obwohl Janne endlich wieder für einige Tage durchgehend in Aachen war, schaffte sie es nicht, sich mit Rezo zu verabreden. Kianou verbrachte eine seiner freien Wochen bei ihr und traf sich währenddessen mit alten Freunden aus der Stadt. Wenn er das nicht tat, beschäftigte er seine Schwester. Kianou befragte sie ausgiebig zu ihren neuen Bekanntschaften. Ihm waren die Fotos und Videos auf Social Media bekannt und im Gegensatz zu seiner Schwester hatte er sich weiteres von den Leuten angesehen, bei denen sie aufgetaucht war. So hatte Kianou sich sämtliche Tonia Videos mit Rezo angeschaut und musste einfach die Frage stellen, die ihm die gesamte Unterhaltung schon auf der Zunge lag: ,,Sag mal, dein Nachbar ist Männern doch nicht ganz abgeneigt, oder?"

,,Das ist jetzt nicht dein Ernst?", presste sie hervor. Janne konnte nicht glauben, dass ihr Bruder tatsächlich da weitermachen wollte, wo er vor anderthalb Jahren aufgehört hatte. ,,Warum nicht? Er ist ziemlich schnuckelig und du bist und warst nicht mit ihm zusammen." ,,Das hat dich doch noch nie interessiert." Wenn Kianou so fortfuhr, wusste sie nicht, wie sie reagieren würde. Tränen waren wahrscheinlich, doch ob sie wegen Wut oder Enttäuschung flossen, wusste Janne noch nicht.. ,,Deswegen frag ich ja jetzt, bevor da irgendwas passiert und ich zu spät bin. Man muss ja auch dazu lernen." Er sagte das in einem so lockeren, unverfänglichen Ton, dass die Wut begann, die Oberhand zu gewinnen.

,,Das hast du jetzt nicht gesagt." ,,Natürlich hab' ich das. Wenn du mir freie Bahn lässt, muss ich die Chance ergreifen." Kianou sah, wie sich ihre Mimik veränderte. Kalt und verschlossen wurde. Jedoch wusste er, was dann innerlich geschah. Er wartete nur auf ihre folgenden Worte. ,,Geh, Kianou. Geh einfach." Er hatte Janne da, wo er sie wollte: So vor Wut kochend, dass sie sich endlich Gedanken über ihre Gefühle machen würde; dass sie endlich vulkanartig ausbrechen würde. Also stand er kommentarlos auf und verließ die Wohnung. Kaum aus der Tür konnte Kianou seine Schwester schreien hören: ,,Dieser Dreckskerl! Das kann nicht sein verdammter Ernst sein." Mehr bekam er nicht mit, weil er dann das Haus verlassen hatte.

Rezo hingegen hörte die laute Stimme aus der Wohnung über ihm weiterhin. Dazwischen mischten sich dumpfe Schläge, die nach geworfenen Kissen klangen. Würde er nicht gerade das CDU-Video nach langer Vorbereitung des Textes aufnehmen, würde er sie weitermachen lassen und später hochgehen. Nur störte der Lärm seinen Redefluss, weshalb er sich kurz bei TJ entschuldigte und die Treppe hochlief, um Janne um Ruhe zu bitten. Zum Glück hörte sie das Klopfen direkt und öffnete ihm die Tür. Die junge Frau, die gerade vor ihm stand, war so anders als die fröhliche, träumerische Janne. Sie schnaubte heftig und ihre Augen brannten, jedoch nicht vor Leidenschaft sondern vor Abscheu und Hass. Rezo war beeindruckt, dass sie es schaffte, ihm ruhig zu antworten. Sie würde zum leise sein die Wohnung verlassen. Er ging wieder nach unten zu TJ und hörte wenig später, wie eine Tür lautstark zugeschlagen wurde. Die gesamte weitere Aufnahme lang war Rezo konzentriert bei der Arbeit. Der Drang, die Fakten mit Nachdruck rüber zu bringen, lenkte ihn von Janne ab und ließ ihn die Frage nach dem Warum zeitweise vergessen. Sobald sie die Aufnahme beendet hatten, kehrten die Gedanken jedoch wieder zu der Situation seiner Nachbarin zurück. Rezo nahm sich vor, zu Janne zu gehen, sobald sie wieder zu Hause war.

Nur bekam er in der Zwischenzeit eine Nachricht, die das Nachfragen unnötig machte.

Hi Rezo, hier ist Jojo. Wenn Janne gerade laut war und rumgeschrien hat, dann war das gewollt. Sie brauchte einen kleinen Schubs, um dem Typen, in den sie verliebt ist, ihre Gefühle zu offenbaren. Bei Janne verwandelt sich Wut gerne in Motivation und Wut bekommt keiner besser aus ihr herausgekitzelt als Kianou. Ich hoffe, dass wir in ein paar Stunden die Nachricht über das Gelingen des Plans bekommen. Viel Spaß beim Schneiden!

Rezo schmunzelte leicht bei den letzten Worten, in dem Punkt hatten sie wirklich noch eine Menge Arbeit vor sich. Aber das würde warten müssen, die Nachricht hatte eine Ungeduld in ihm geweckt, die er schon länger nicht mehr so erlebt hatte. Hoffentlich war er der Typ, von dem Jojo geschrieben hatte...