22. Unerwartetes Geschehen

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~21.04.20??~

Die Stille auf der Basis wurde von dem lauten Ton des Alarms unterbrochen und die B-Crew sprintete zum Helikopter. Es dauerte nicht lange, bis alle auf ihren Sitzen saßen und Gina die Maschine in die Lüfte bewegte. Da sie diesen Ablauf Tag für Tag mehrere Male machen mussten, war dies schon zu einer Routinesache geworden. Der Einsatzort war eine abgelegene Baustelle. Hier soll sich einer der Arbeiter versehentlich eine Metallscherbe in sein eigenes Bein gerammt haben.

Schnell war die Maschine an der Einsatzstelle angekommen und Gina schaute sich schon nach einem geeigneten Landeplatz um, den sie auch auf Anhieb fand. Sie brachte die Maschine auf einer großen Grasfläche zum Stehen. Kaum hatte der Heli den Boden berührt, öffnete Florian zackig seine Tür und griff nach seiner Tasche. Karin wollte gerade auch nach ihrer greifen, aber Florian kam ihr zuvor und hielt sie bereits in seiner anderen Hand.

"Womit habe ich das denn verdient? Soweit ich weiß, habe ich noch zwei gesunde Arme und bin auch noch körperlich fit genug, um meine Tasche selbst zu tragen!", meinte sie und bekam von Florian nur ein Schulterzucken und ein Lächeln als Antwort.

Da sie durch diese Antwort auch nicht wirklich schlauer wurde, brachte sie das zum Nachdenken. Allerdings musste sie jeden Gedanken daran anfangs in den Hintergrund verschieben, da sie jetzt einen freien Kopf für die Behandlung des Verletzten brauchte. Denn das war jetzt das wichtigste. Sofort musste sie ihm etwas gegen die Schmerzen verabreichen, die für den Patienten unerträglich waren. Aber viel mehr konnte sie an diesem Ort nicht machen, da ihr einfach das nötige Material fehlte, weshalb auch alles andere im Krankenhaus erledigt werden musste. Deswegen war es auch passend, dass Gina gerade in diesem Moment mit der Trage angelaufen kam, die sie sofort ablegte.

Gemeinsam mit Florian hievte Gina den Patienten auf die Vakuummatratze. Und als der Mann dort sicher lag, befestigte Florian noch den Gurt, während Gina schon auf dem Weg zum Heli war, um die Turbinen zu starten.

"Würden Sie mir bitte mit der Trage helfen? Und einer bringt bitte die Taschen mit!", sagte Florian zu zwei Kollegen des Patienten.

Ohne lange zu zögern half einer der beiden Florian mit dem Verladen des Mannes und der andere griff zügig nach den Taschen und folgte ihnen.

Karin verstand die so plötzlich andere Reaktion ihrer Kollegen nicht. Das war auch der Grund , warum sie verwundert auf Florian blickte. Allerdings ignorierte dieser ihren skeptischen Blick, was vermutlich auch daran lag, dass er gerade andere Dinge zu tun hatte, die deutlich den Vorrang hatten. Aber dabei hätte sie ihn ja auch unterstützen können, wenn er ihre Hilfe annehmen würde.

Sie blickte sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass sie auch alles wichtige hatten, was aber der Fall war. Deswegen lief sie ohne weitere Aufgabe zum Heli und setzte sich auf ihren Platz. Als sie dann die Tür geschlossen hatte, checkte sie die Werte des Patienten, die aber vollkommen in Ordnung waren.

Kurze Zeit später war der Patient bereits in der nächsten Klinik untergebracht und Gina setzte gerade zur Landung an der Basis an. Karin wollte unbedingt gleich wissen, was das sollte. Als sie ausgestiegen waren, griff Flo wieder sofort nach seiner Tasche und nahm Karin ihre Tasche ab, die sie bereits selbst in die Hand genommen hatte.

"Okay, stopp! Alle beide! Was soll das? Warum behandelt ihr mich so, als wäre ich nicht mal fähig eine Tasche zu tragen? Ihr klärt mich jetzt sofort auf!"
"... Also Gina, ich denke, dass ist jetzt deine Aufgabe... Ich habe schließlich nur das getan, was du von mir verlangt hast...", meinte Florian und verschwand zügig mit beiden Taschen nach drinnen.
"Das ist ja mal wieder typisch!", fluchte Gina und blickte Florian hinterher, der sie aber mit keinem Blick mehr würdigte.

Also ließ Florian sie echt mit gutem Gewissen alleine. Weswegen Gina sie jetzt alleine aufklären musste...

"So ich höre?", drängelte Karin, da ihre Freundin immer noch nicht zu reden begann.
"Na ja... also... Ich habe den hier, im Aufenthaltsraum, auf dem Boden gefunden...", meinte Gina und zog einen Schwangerschaftstest aus ihrer Jackentasche heraus.
"Oh verdammter Mist! Wie kommt der denn dahin?", fragte Karin schockiert und griff nach dem Test.
"Das weiß ich nicht. Aber die Tatsache, dass wir beide die einzigen Damen hier auf der Basis sind und deiner Reaktion zur Folge, gehört er ja dir..."
"Ja, es ist meiner... Der muss mir bestimmt aus meiner Tasche gefallen sein..."
"Dann gratuliere ich dir zur Schwangerschaft!", meinte Gina und fiel ihrer Freundin schon um den Hals.
"Danke aber... deine Reaktion ist definitiv besser als meine, denn ich weiß noch nicht so recht, ob ich mich freuen soll..."
"Was ist denn das für eine Frage? Natürlich sollst du dich freuen!"
"Aber ich hatte noch keine Gelegenheit, es Michael zu sagen, da ich den Test erst heute morgen gemacht habe. Und da ich logischerweise nicht weiß, wie er darauf reagieren wird, habe ich den Test nur schnell in meiner Tasche verstaut, damit er ihn nicht finden kann..."
"Deswegen machst du dir Sorgen? Die Sorgen sind völlig unbegründet. Weil ich mir ganz sicher bin, dass sich Michael freuen wird!"
"Selbst wenn, das ist noch lange nicht alles. Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt bereit dafür bin. Weil ich noch gar nicht darauf eingestellt war. Es ist einfach so passiert..."
"Ich kann deine Reaktion verstehen. Du wirst vermutlich noch etwas Zeit brauchen. Aber du solltest dir im Klaren sein, dass es vielleicht deine einzige Chance ist, ein Kind zu bekommen. Also überlege dir gut, wie du handelst, bevor du etwas überstürzt..."
"Da brauchst du keine Angst haben, ich werde nichts tun, bevor ich mir nicht hundertprozentig sicher bin mit meiner Entscheidung... Wobei ich sowas wie eine Abtreibung sowieso nicht übers Herz bringen würde... Ich mein, es ist ein Kind von dem Mann, den ich über alles liebe..."
"Also hast du doch deine Entscheidung eigentlich schon getroffen, oder nicht?"
"... Ja, das kann man wohl so sagen..."
"Na also! Und jetzt Kopf hoch! Du wirst das schaffen. Mit Michaels Unterstützung."
"Sicher, aber... dafür müsste er es erst mal wissen..."
"Du wirst es ihm doch wohl erzählen?"
"Natürlich werde ich es ihm erzählen. Es wird schließlich von Zeit zu Zeit komplizierter, ein Geheimnis daraus zu machen, oder wie soll ich irgendwann meinen immer weiter wachsenden Bauch verstecken?", fragte Karin und lachte.
"Ja, das könnte bald zum Problem werden... Deswegen solltest du es ihm auch so schnell wie möglich sagen", riet Gina ihrer Freundin.
"Er erfährt es dann, wenn meiner Meinung nach der passende Zeitpunkt gekommen ist."
"Lass dir nur nicht zu lange Zeit. Denn ein wachsender Bauch sind leider nicht die einzigen Anzeichen..."
"Ja, ich weiß... Ich wünschte ich würde von dem anderen Mist verschont werden..."
"Da musst du jetzt wohl durch... Aber du musst mir vorher etwas versprechen..."
"Und zwar was?", fragte Karin verwirrt.
"Du darfst dich auf keinen Fall mit der Arbeit zu sehr stressen. Und auch jede mögliche Anstrengung vermeiden, weil sowas schlimme Folgen haben kann. Schließlich weiß ich, wovon ich spreche, weil ich mein Kind ja leider verloren habe... Und so ein Gefühl wünsche ich meinen schlimmsten Feind nicht..."
"Dann war also das der Grund für euer heutiges Benehmen..."
"Ja, richtig. Ich will dich einfach davor warnen, dass du nicht den gleichen Fehler wie ich begehst, sondern etwas daraus lernst."
"Verstehe..."
"Also bitte versprich mir das und lass dir von Florian und mir helfen. Und wenn du merkst, dass es irgendwann gar nicht mehr geht, mach definitiv eine Pause von der Arbeit! Kann ich mich auf dich verlassen?"
"Sicher kannst du das. Und danke für deinen Rat."
"Dafür sind Freunde doch da!"

Dann liefen die beiden nebeneinander in den Aufenthaltsraum, um die A-Crew zu begrüßen, die jetzt die Schicht übernehmen würden.

Die 8. Staffel ~ Medicopter 117Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt