Kapitel 21: Letzte Option

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 „Vier Wochen...“, flüsterte Taddl, blass im Gesicht, Müdigkeit, Ruhelosigkeit widerspiegelnd. „Nun ja, um genau zu sein sind es mit dem heutigen Tag fünf...“, korrigierte ein junger, nervöser Arzt ihn. „Fünf...“, gab er noch leiser, noch fassungsloser, noch verzweifelter von sich und senkte den Kopf. „Sie wollen sie abschalten, nicht wahr?“, murmelte er und es fühlte sich so an, als würde in derselben Sekunde, in der er auch nur daran gedacht hatte, ein Eimer voll Eiswasser über ihn gekippt werden. „Damit wollte ich nicht so direkt sein, aber... Na ja... Hören Sie, jeder weitere Eingriff würde ihm nur noch mehr schaden... Und bisher verzeichnen wir keine Erfolge... Die Infusionen werden nur mehr und durch die geschädigte Niere kommt es immer häufiger zu inneren Blutungen. Wenn er wach wäre, würde er sehr leiden...“ Taddl nickte langsam, wobei er zitterte und sich stark auf die Unterlippe beißen musste, um nicht in Tränen auszubrechen. „S- Sie meinen also, es hat keinen Sinn mehr...?“ „Nun ja... Wir haben letzte Woche bereits mit Ihrem Freund darüber gesprochen... Ein Monat unter diesen Umständen im künstlichen Koma ist schon eine Zeit, nach der wir es leider in Erwägung ziehen müssen...“ „Kann man denn gar nichts mehr machen?“, fragte Taddl aufgewühlt und versuchte sich verzweifelt an einem Stück nicht vorhandener Hoffnung festzuklammern. „Es tut uns Leid, Herr Tjarks...“, sagte der Arzt mit betroffenem Ton. „Also...wird...Manu.....“ „Das muss hart sein...“ Taddl nickte nur und biss sich noch stärker auf die Unterlippe, dennoch entkam ihm dieses leise, fiepende Geräusch, das entstand, wenn man mit aller Macht ein Schluchzen unterdrücken wollte. Der Arzt sah ihn besorgt an, wusste aber nicht, was er sagen oder tun sollte. „Sie... sind verletzt...“, bemerkte er nach einiger Zeit. Taddl sah kurz auf. „B- Bitte?“, stammelte er und wurde sich erst jetzt des Blutgeschmacks in seinem Mund bewusst. „Sie bluten. Ihre Lippe ist wohl aufgeplatzt... Scheint nichts schlimmes zu sein...“ „Ah... Äh, ja, machen Sie sich...keine Sorgen...“, brachte er stockend hervor. Den Schmerz spürte er immer noch nicht. Sein ganzer Körper schmerzte, ganz besonders sein Kopf und der Bereich seiner Brust, in dem er sein Herz vermutete. Es war noch nichtmal ganz bis zu ihm durchgedrungen, dass sie Manus Maschinen abstellen wollten. Dass er dann...sterben würde... Sein Kopf gab sich alle Mühe, ihn davor zu bewahren. Ganz ähnlich, wie bei einem Trauma. Er war sich der Tatsache bewusst, aber emotional war das gerade mehr, als er ertragen konnte. Aber lange konnte er es nicht von sich schieben, es dauerte nur Minuten, bis die Botschaft sich schmerzhaft in sein Herz meißelte. „Manu wird sterben. Du wirst ihn nie wieder sehen. Und das letzte, das er von dir gehört hat, war, dass du die Schnauze voll hast, nicht wahr?“, begannen Gedanken in seinem Kopf ihm vorzuwerfen. Erst meldeten sie sich nur vereinzelt zu Wort, aber dann breiteten sie sich aus, fanden schnell viele Anhänger und beherrschten seinen Verstand bald darauf. Als er nach Hause kam, ging er ohne nachzudenken in sein Zimmer, fiel auf seine Matratze und starrte die Decke an. Sein Kopf dröhnte. „Manu stirbt, Manu stirbt, Manu stirbt,...“ Er wollte ihnen nicht zuhören, nicht, wenn das alles war, was sie ihm zu sagen hatten. Der Arzt hatte bereits mit Manuels Familie gesprochen. Wie es schien hatten sie sich schweren Herzens dazu bereiterklärt, die Ärzte das tun zu lassen, was deren Meinung nach am sinnvollsten war. Wie es aussah, würde Manu so oder so sterben. Wenn er aufwachte, würde er nur jeden Tag im Krankenhaus liegen, weil seine inneren Blutungen nicht zu stoppen waren. Es war vorbei. Verdammt. Verdammt! Verdammt!! Taddl schlug mehrmals heftig gegen seine Wand, sein ganzes Gesicht bereits tränenüberlaufen. Kurz presste er sich sein Kissen ins Gesicht und schrie. Er schrie einfach nur. „Scheiße! Scheiße!!! Verdammte Scheiße!!! Wieso muss das passieren?! WIESO?!“ Ardy stürmte in sein Zimmer. „Brudi?! Brudi!! W- Was ist los??“ Er kniete sich vor ihm hin und nahm ihm das Kissen weg. Taddl sah ihn mit geröteten Augen und tiefen Ringen in bläulich-lilanem Ton unter ihnen mit einem Blick absoluter Hilflosigkeit und Verzweiflung an, der Ardy das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Sie haben es dir also gesagt...“ Er nahm ihn in den Arm und meinte unter all den Schluchzern und unterdrückten Schreien ein ersticktes „Ja“ zu hören. „Hör mal... Es... Ist vielleicht das beste... Dann stirbt er ohne Schmerzen...“ „Aber mit dem Gewissen, dass er mir auf die Nerven gehen würde!! Ich Bastard!! Ich verfickter Bastard!! Wieso verdammt...hab' ich sowas...-“ Aus der anfänglichen Wut in seiner Stimme wurde ein verständnisloser, deprimierter Ton, der irgendwann komplett verstummte und Taddl zitternd in den Armen seines Brudis zurückließ.

Taddl x GLPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt