Potter und Malfoy

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pt. 2

Auf dem Sender auf dem wir gerade noch Harry Potter geschaut hatten, lief jetzt irgendeine Schrott-Komödie, aber Boris und ich waren noch lange nicht müde und so kamen wir auf die Idee, hier unten im Wohnzimmer ein Matratzenlager zu machen. Decken und Kissen hatten wir schon hier unten, sodass wie nur noch die Matratzen holen mussten.
Wir gingen nach oben, um die Matratzen aus unserem Zimmer zu holen und zogen sie quer durch den Flur und genauso wollte ich sie auch die Treppe runter ziehen, doch Boris hielt mich an.
„Nein, nein, Potter!", schrie er von hinten, „Lass uns mit den Matratzen die Treppe runter rutschen!"
Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen und auch wenn ich im Nachhinein denke, dass viele meiner Probleme daher kommen, dass sich in meiner Zeit in Vegas kein Erwachsener  um mich gekümmert hatte, bin ich doch dankbar für diese Momente, ich und Boris alleine, das Alter egal, wir sind einfach Kinder, unbeobachtet, in unser eigenen Welt, verrückte Ideen, die nicht abgewunken, sondern umgesetzt werden.
Und so schmiss sich Boris, mit dem Blick nach vorne, auf die Matratze, die längs perfekt auf die Treppe passte, und rutschte die Treppe runter, wobei er soviel Schwung hatte, dass er mit der Matratze noch weiter schlitterte, bis er gegen den Küchentisch knallte. Lachend blieb er auf seiner Matratze liegen und schaute sich nach mir um: „Komm, Potter! Macht höllischen Spaß!"
Ich stellte mich ans obere Ende der Treppe, atmete einmal tief durch und rannte dann auf die Matratze zu. Ich sprang im richtigen Moment ab und ließ mich nach vorne Fallen, sodass die Matte richtig Schwung bekam. Ich johlte, wie als würde ich in einer Achterbahn fahren und ich fühlte mich, wie Harry Potter sich auf seinem Besen gefühlt haben musste. Frei und ungebunden und in diesem Moment fragte ich mich, warum man Treppen nicht immer mit Matratzen runter rutschte, ich fragte mich, warum man nicht noch mit vierzig auf Spielplätze ging, um von den Schaukeln aus die Sterne zu beobachten, ich verstand nicht warum man irgendwann aufhörte, laut und grundlos zu lachen, ich begriff nicht warum sich tanzen irgendwann in schlurfen verwandelte und man aufhörte zu träumen.
In diesem Moment wollte ich für immer Kind bleiben, wollte für immer hier bei Boris bleiben, in diesem Haus, wo Vernunft nie gewohnt hatte und wir mit unserer Fantasie Schatten an die Wand malten.
Und als Boris gerade nocheinmal die Matratze die Treppe hochtrug um erneut runter zu rutschen, folgte ich ihm die Treppe hoch, sodass wir uns diesesmal gleichzeitig auf die Matratze warfen. Ich blickte zu ihm und ich sah seine schwarzen Locken im Fahrwind wehen und als er mich anschaute, sah ich in seinen Augen, dass er das selbe fühlte wie ich.
Es war zeitlos hier in der Wüste, nur der Sand um uns herum, die Stimmen aller anderen weit weg, fast verstimmt, nur Boris kindliches Lachen neben mir, laut und present.

Die Sonne war schon lange untergegangen und wir lagen auf dem Rücken auf den Matratzen. Im Raum war es ganz dunkel und durch die großen Fenster im Wohnzimmer schien das weiße Licht der Sterne, dass alles magisch glitzern ließ.
„Ich fand den Film echt gut, Potter.", sagte Boris schließlich in die Dunkelheit hinein.
„Ich wusste gar nicht, dass du so ein Fantasy-Fan bist."
„Wer nicht? Wer sollte gefallen an dieser Welt haben, wenn er all das haben kann?"
„Stimmt."
Ich dacht nochmal an den Film und all die fantastischen Dinge darin und plötzlich kam mir ein Einfall.
„Boris."
„Ja?"
„Vielleicht hätten wir uns niemals kennengelernt, wenn es Harry Potter nicht geben würde. Also, weil du mich doch deshalb angesprochen hast."
„Ach, mach die da mal keine Sorgen, Potter. Mir wäre schon eine andere blöde Bemerkung über dein Aussehen eingefallen."
„Heyy!", rief ich, dreht mich zu ihm um und warf mein Kissen nach ihm. Er warf seines zurück und so ging es weiter, bis die Kissen schließlich durch den ganzen Raum flogen und Boris mich fast umbrachte in dem er eine Decke über mich stülpte.
Japsend befreite ich mich aus meinem Gefängnis und nachdem Boris sich wieder von seinem Lachanfall erholt hatte, lehnten wir unsere Kissen an die Wand, deckten uns zu, und lauschten der Dunkelheit.
Der Fernseher lief zwar noch, aber wir hatten ihn auf Stumm geschaltet und lehnten so, dass wir ihn nicht sehen konnten, bloß die bunten Lichtflecken, die er an die gegenüberliegende Wand malte. Überall war Dunkelheit, nur vom Fernseher sah ich die Lichtstreifen ausgehen, in denen ich die Staubkörner tanzen sah, als wären sie Glitzerpartikel. Ich hörte Boris neben mir „Dear Prudence" summen und in diesem eigentlich so schönen Moment, nur Boris allzu bekannte Stimme, dieser immer willkommene Songtext, the sun is up, the sky is blue, it's beautiful and so are you, um mich herum, hätte alles gut sein können, doch da schlich sie sich an, von hinten, unauffällig und bösartig und angeekelt von sich selbst: diese stille Trauer, die mich immer überkam, mein ewiger Begleiter, der mich auch heute schon überfallen hatte, als ich an meine Mutter gedacht hatte. Diese Trauer war keine einfache Laune mehr, sie war zu etwas existenziellem geworden, etwas das Teil war, eine ätzende Flüssigkeit, die sich tief in meine Grundmauern eingefressen hatte.
Ich ließ meinen Kopf hängen und krallte meine Hand in Poppers Fell fest, der es sich zwischen uns beiden gemütlich gemacht hatte und wohl immer noch ein wenig Angst vor Mrs. Norris hatte, denn er zitterte leicht. Doch ich versuchte mich nur auf sein weiches Fell unter meinen Händen zu konzentrieren, nur auf Boris Stimme, die tief in mich hineindrang, um nicht anfangen zu weinen.
Dear Prudence, show me your smile.", sang er leise und hob mein Kinn an, wie er es immer an dieser Stelle tat, wenn ich ihn nicht anschaute. Normalerweise lächelte ich ihn dann an, und er lächelte dumm zurück, wer wohl breiter lächeln könnte, so vertieft, wie wir immer in die bedeutungslosen Dinge waren. Doch dieses Mal konnte ich mir kein Lächeln abringen, da war nur diese Traurigkeit, die den ganzen Raum in und um mich herum einnahm.
„Potter.", erinnerte er mich, „Dein Einsatz."
Ich schüttelte nur den Kopf und wich seinem Blick aus. „Hey, was ist los? Ist mein Gesang wirklich soo schlecht?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
Ich schluckte, ich wollte es ihm wirklich erzählen, wenn nicht ihm, wem dann, ich wollte es ihm erzählen, er war der einzige von dem ich wusste, dass er es verstehen würde.
„Boris...ich.", der Klos in meinem Hals erschwerte das Reden und meine Stimme klang belegt, „Diese...diese Tarurigkeit", meine Stimme klang weinerlich und ich schämte mich darüber, doch Boris machte keine blöden Bemerkungen sondern hörte nur zur und ich sprach weiter, „Sie ist so...so tief in mir...ich weiß nicht-." Ich musste abrupt nach Luft schnappen, wie man es nur zwischen zwei Schluchzern macht und Boris nahm mich in den Arm und als ich versuchte weiter zureden flüsterte er bloß: „Pshhht, Potter. Ich weiß doch, ich weiß doch. Alles wird gut werden, ich weiß es."
„N-nein, Boris. Es ist a-anders. Es ist zu tief, v-verstehst du?", ich deutete auf mein Herz, „zu tief hier d-drin."
„Der Schmerz sitz tief.", flüsterte er und ich nickte, erleichtert, dass er verstand was ich meinte.
„Aber...", setzte er erneut an, und ich sah, wie er sich überwinden musste, dass folgende auszusprechen, „Aber Liebe kann auch tief sein."
Ich schaute ihn erstaunt an.
„Na, Potter, ich meine, wann hast du zuletzt geliebt? Richtig geliebt?", seine Stimme war schüchtern.
Ich zögerte. „Nach ihr habe ich nie wieder jemanden geliebt.", presste ich hervor. Es war klar, dass ich von meiner Mutter sprach. Die Tränen brannten heiß auf meinen Wangen.
Er nickte. „Eben. Und vielleicht ist das genau der Punkt. Vielleicht ist es mal wieder Zeit, verstehst du? Ich bin es satt zu hassen, gehasst zu werden. Sie ist gegangen, als ich noch ein Kind war, Potter. Und er? Er bedeutet mir nichts. Ich bedeute ihm nichts. Schau mich an.", er schaute an sich hinunter, an seinen dünnen armen, die mit blauen Flecken überseht waren, „Siehst du das, diese lieblose Hülle?" Seine Stimme wurde leiser: „Ich brauche Liebe, Potter. Du brauchst Liebe, Potter."
„Aber was hat das damit zu tun? Mit der Traurigkeit?"
„Sie ist grässlich, ich weiß. Aber, weißt du, ich habe mich gefragt, ob Liebe nicht vielleicht helfen kann? Gott, Potter.", er schlug die Hände über dem Kopf zusammen, „Was hast du aus mir gemacht, dass ich dich mit solcher Scheiße zulabere. Tut mir leid, ich-."
„Nein, Boris, ist schon gut. Du hast recht, vielleicht hast du recht."
Er schaute mich hoffnungsvoll an.
Ich sprach weiter: „Ja, ich meine, als ich hier nach Vegas gekommen bin, da warst du der einzige der sich um mich gekümmert hat, der Erste der sich seit langem für mich interessiert hat, nicht, weil er musste, sondern weil er wollte. Mir war vorher nicht ganz klar, wie wichtig dieser Unterschied wirklich ist." Pause. Ich wusste nicht ob ich noch weiterreden sollte.
„Ja?", Boris sah ungewohnt schüchtern auf, „Bist du froh mich kennen gelernt zu haben?", er schaute ungläubig, „denkst du nicht ich bin ein schlechter Einfluss?"
„Gott, Boris, nein. Du bist das Beste, was mir seit langem passiert ist. Bevor ich zu dir kam, hatte ich dauerhaft Angst." Meine Stimme brach und die Tränen flossen wieder. „Ich möchte keine Angst mehr haben.", flüsterte ich.
Er nahm mich wortlos in den Arm und dann hielt er mich, hielt mich, hielt mich und ich hielt ihn, fest, fest, fest, fest, bis die Welt wieder ein wenig durchsichtiger wirkte.
„Du sollst keine Angst haben, Potter. Vor dir liegt eine glorreiche Zukunft. Ich weiß es.", nuschelte er in mein Haar.
„Aber vor dir doch auch, Boris!"
Er lachte trocken. „Ahh, Potter, so schön naiv. Liebe ich so an dir, weißt du? Aber seien wir mal realistisch: aus mir wird genau das werden, was von Anfang an klar war. Ich werde enden wie mein Vater."
„Niemals, Boris, niemals, hörst du!", plötzlich war ich wie wach gerüttelt. Warum dachte er sowas, obwohl er doch gerade hier saß und mich so liebevoll tröstete?
„Du bist ganz anders als er."
„Denkst du?"
„Ja, ja, ja, verdammt!"
Stille.
„Bleibst du bei mir, um mich zu warnen, bevor ich zu sehr wie er werde?", flüsterte Boris.
„Für immer.", antwortete ich.
Und so lagen wir still neben einander, atmeten im selben Rythmus, beide im nervösen Wissen, dass wie gerade versprochen hatten, für immer beieinander zu bleiben.
Ich hörte noch, wie Boris mit seinem Feuerzeug herumspielte, wie er es immer auf und zu schnappen ließ und die Feuerflamme in der Luft aufleuchten ließ.
Es war das Feuerzeug, dass er mir eines Tages schenken würde, es war das Feuerzeug, dass ich noch Jahre später aus der Tasche holen würde, und an ihn denken würde, Jahre später, wenn ich ihn verlassen und mein Versprechen längst vergessen hatte.
Aber davon wusste ich damals noch nichts, ich war fest überzeugt davon, dass wir für immer zusammenbleiben würden, warum auch nicht?, und so kuschelte ich mich nichts ahnend in seine Armbeuge und flüssterte:
„Gute Nacht, Boris."
„Gute Nacht, Potter. Träume von deiner glorreichen Zukunft."
Unserer, Boris.
Unsere glorreiche Zukunft."



(ganz kurz unnötige info, aber ich fand sie irgendwie lustig: ich war letztens mit meiner klasse bei so einem „sucht-präventions-ding" wegen drogen und alkohol und so und da hat dieser typ erzählt, dass wenn man kifft, die tiere, die im raum sind auch bekifft werden und das die viel länger bekifft bleiben als menschen, weil die das irgendwie nicht so gut abbauen können, oder so. und da habe ich mich gefragt: WAS IST DANN MIT POPPER???!!!)

wind, sand und sterne // boreo Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt