Knatternd und knisternd kam der Ton aus den Lautsprechern des Kassettenrekorders, doch ich konnte das Radiohead-Lied eh nicht hören, weil Boris' Stimme voll aufgedreht war, als hätte jemand die Regler in meinem Kopf umgestellt und die Welt leise gedreht und Boris laut. Seine kratzige Stimme halte durch die raue Nacht, wie er die Strophen unserer Lieblingslieder schmetterte. Ich hatte mich auf eine der Liegen am Poolrand gelegt, ass Chips, lachte, verschluckte mich, lachte wieder und beobachtete Boris. Der tanzte, seine langen Gliedmaßen dabei grotesk verdrehend, um den Pool herum, in der einen Hand eine Bierflasche, die Zigarette, die ihm eben noch im Mundwinkel gehangen hatte, lag jetzt auf dem Boden, war heraus gefallen, als er einen Refrain mit besonderer Inbrunst gesungen hatte. Sein Körper unterlag lengst nicht mehr seiner Kontrolle, das konnte ich von hier hinten sehen, die Musik hatte längt übernommen, die gesungenen Worte rannen durch seine Adern, die Melodie zog an seinen Armen und Beinen, und hätte man ihm in diesem Moment den Brustkorb aufgeschnitten, man hätte sein Herz im Rhythmus von Karma Police schlagen sehen. Alles an ihm schien zu tanzen, seine Locken in der Luft und die Augen in ihren Höhlen, während er an dem Rand des Pools entlang tanzte, und jedes Mal wenn ich dachte, gleich liegt er drin im schwarzen Wasser, jedes Mal, wenn ich dachte, jetzt haben seine Stiefel das Wasser definitiv gestriffen, steht er, wie von Zauberhand, wieder gerade da, alles an ihm so furchtbar trocken, wie alles hier in der Wüste. Das kann doch gar nicht sein, dachte ich und lachte und dann dachte ich, warum eigentlich nicht? Warum nicht?
Und wie er da so tanzte, dachte ich noch eine ganze Menge mehr und schließlich war ich mir sicher, dass er, selbst wenn er vom Rand des Pools abrutschen würde, nicht im Wasder landen würde, ich war mir sicher, er würde auf dem Wasser weiter tanzen, seine schwarzen Stiefel auf der hauchdünnen Wasseroberfläche, Boris, der Herr des Meeres, dessen Wellen ihren erhaben König von hier wegtragen würden, über den stürmischen Ozean, bis hin zu leuchtend türkisgrünen Stränden und während all der Zeit würde er tanzen, tanzen auf dem Mittelmeer, tanzen auf dem Pazifischen Ozean, tanzen auf dem Indischen Ozean, Boris, der erste Mensch der tanzend all die Weltmeere überquert hat, ach, wer braucht schon Jesus, wenn er Boris haben kann?
Plötzlich spürte ich einen Stich in meinem Herzen und ich griff nach meiner Bierflasche um ihn zu übertönen, aber ich wusste auch so, was es war. Es war die Sehnsucht, fies und hinterhältig, wie sie sich immer anschlich, nicht? Es war die Sehnsucht, die jetzt, genau in diesem Moment, alles stehn und liegen lassen wollte, bloß nach dem Kassettenrekorder und nach Boris' Hand greifen wollte und abhauen wollte. Es war die Sehnsucht, die Boris wunderschönes Gesicht, die Boris' wilde Locken, die Boris' furchteinflößende Augen, vor dem wunderschönen, wilden, furchteinflößendem Ozean sehen wollte.
Aber was ist, wenn der Ozean ihn dir nicht wieder geben würde, hmm? Was wenn er Boris behalten würde, zwei Seelenverwandte für immer vereint, Boris und der Ozean?
Eine Gänsehaut kroch mir über den Rücken und ich nahm schnell noch einen Schluck aus der Bierflasche.
Ich konzentrierte meinen Blick auf Boris, der gerade einen Freudensprung in die Luft machte, und beim landen kurz in eine Rockstarpose verfiel, als ein neuer Song aus den knitternden Lautsprecher dröhnte. Ich sah die Freude darüber in Boris' Augen aufblühen, sah den bittersüßen, wehmütigen Außdruck, der sich einem aufs Gesicht schleicht, wenn man die ersten Töne seines Lieblingslied hört, dem einen Lieblingslied, dass all die anderen Lieblingslieder überdauert, dem einen Lieblingslied, dass sowohl zu Hause ist und gleichzeitig das nagende Fernweh stillt. Das eine Lebenslied eben.
Doch anstatt noch abgedrehter zu tanzen, wie ich es eigentlich erwartete hatte, änderte Boris seinen Kurs und kam, leicht torkelnd auf mich zu. „Potter.", sagte er, mit dieser wehmütigen Stimme und ich schon fast im selben Moment: „Nein!", denn ich hatte schon erraten was er wollte. Er grinste: „Potter. Tanz mit mir!", und hielt mir die Hand ohne Bierflasche hin. „Nein!", sagte ich wieder und lachte sosehr, dass ich mein Bier verschüttete. Er verdrehte die Augen, doch er ließ nicht locker. Er stellte seine Bierflasche ab, oder vielleicht ließ er sie auch einfach fallen, jedenfalls war sie plötzlich nicht mehr da und er streckte beide Hände in meine Richting. „Potter, ich bitte darum, nur dieser eine Tanz." Ich kringelte mich vor Lachen auf meiner Liege und er lachte auch, doch wir beide wussten, dass das Lächerliche nur oberflächlich war. Wir meinten alles bitterernst. „Nein, Boris, ich tanze nicht mit dir.", gigelte ich, woraufhin er die Arme verschenkte. „Aha, Potter, denkt also er wäre zu gut für den Rest der Welt, hm? Der Erwählte, oder wie das gleich nochmal heißt?", stellte Boris mit hochgezogenen Augenbrauen fest. „Der Auseräwhlte, du Idiot.", gab ich zu, und schlug seine Hände von mir weg. Er begann schallend zu lachen. „Der Auswählte also, sagst du? Na gut, also dann...bist du mein Auserwählter!" Ich musste grinsen, doch legte meinen Kopf zur Seite, damit er es nicht so sah. Erst als Boris sich räusperte schaute ich wieder zu ihm. Er hatte sich hingekniet, eine Hand hinter den Rücken gelegt, die andere in meine Richtung gestreckt. „Potter, ich fordere dich auf, zu diesem einzigen Tanz, in dieser einzigen Nacht." Ich schüttelte den Kopf und lachte und er lachte auch, weil alles furchtabr absurt, und tragisch und wunderschön war und dann griff ich nach seiner Hand und er zog mich hoch, noch immer lachend und ich spürte sein Lachens auf meinem Gesicht, wie der erste Windhauch in einem noch nie gesehenen Land. Er legte mir seine eine Hand auf die Hüfte und ich legte meine auf seine Schulter und so tanzten wir Walzer, mehr schlecht als recht natürlich, weil uns nie jemand gezeigt hatte, wie man Walzer tanzte und dann lachten wir noch ein bisschen mehr, weil uns nie jemand irgendwas gezeigt hatte, weil dir nie jemand erklärt, was du tun sollst, wenn deine Mutter stirbt, weil dir nie jemand erzählt, was du tun sollst, wenn dein Vater dich schlägt, weil dir nie jemand erklärt, was du tun sollst, wenn du aus Versehen ein verdammt teures Bild aus einem verdammten Museum geklaut hast. Wir lachten, weil uns niemand auf irgendwas in diesem Leben vorbereitet hatte und weil uns niemand gesagt hatte, was man tun soll, wenn man in seinen Besten Freund verliebt ist. Wir lachten noch ein bisschen mehr und dann sah ich eine silberne Träne an Boris' Wange hinab laufen, aber es war nicht komisch das er weinte, schließlich weinte auch ich gerade, schließlich weinte die ganze Welt, schließlich war weinen in manchen Momenten schlicht und einfach angemessen. „Warum?", fragte ich, „Warum bist du traurig?", habe ich ihn gefragt, aber vielleicht hat er es mir auch einfach so gesagt, in dieser verwischten Nacht. „Weil uns niemand jemals irgendetwas erklärt hat und wie trotzdem noch hier sind, du und ich.", sagte er.
Wir tanzten noch ein wenig, weinend und lachend, und er wirbelte mich in übertriebenen Gesten herum, zu den verklingenden Klängen seines Lebensliedes, als die Kassette im Kassettenspieler ihr Ende fand und die Play-Taste mit einem lauten Klack nach oben sprang. Wie als wäre mit diesem einen Geräusch all der Elan aus ihm gewichen, wie aus einem ausgewrungenen Schwamm, ließ er sich zu Boden fallen, zog mich mit runter, schaute mich an, wie ein trotziges Kind.
„Wir haben fast den ganzen Song verpasst, weil du zu Eitel warst zu tanzen, Potter.", murrte er und spielte mit meinen Händen, die er nicht los gelassen hatte. Ich legte meine Stirn gegen seine, ohne über irgendwas nachzudenken. Ich riss die Augen auf und sah in seine. „Es tut mir unglaublich Leid, ihre Hoheit, ich weiß nicht, wie ich das jemals wieder gut machen kann, ich stehe in Ihrer tiefsten Schuld und muss wohl zugeben, dass es mir...nunja, ein kleines bisschen Spaß gemacht hat..." „Aww, Potter.", sagte er und tätschelt, zugegeben ziemlich brutal, meine Wange. „Also, es hat mir vielleicht Spaß gemacht.", stellte ich mit hochgezogenen Augenbrauen richtig. Er lachte und hob seinen Kopf kurz von meinem, nur um mir dann eine leichte Kopfnuss zu geben. „Ahh, du Idiot.", schrie ich obwohl es nicht wirklich weh getan hatte. Ich wollte ihm spielerisch eine scheuern, doch er war zu schnell und hatte sich auf den Rücken fallen gelassen, lag jetzt auf dem Steinboden neben dem Pool und schaute feixend zu mir auf. Ich musste grinsen und ließ mich neben ihm nieder. Wir starrten kurz in die Sterne und in der plötzlichen Stille fühlte ich wie laut mein Herz klopfte und wie schnell mein Atem ging, ich spürte wie alles in mir rumorte und alles in Bewegung war und wie jede einzelne verdammte Zelle in meinem Körper seine Ausrichtung in Richtung Boris änderte, spürte wie mein Herz im Brustkorb von links nach rechts wanderte um näher bei ihm zu sein.
Gerade als sich mein Körper ein kleines bisschen beruhigt hatte, riss Boris an meiner Hand (was eine neue Welle von Stromschlägen durch meinen Körper sand) und zog mich ruckartig auf die Beine. „Was ist..?", fragte ich und schaute zu ihm auf, etwas verblüfft, doch er erwiederte meinen Blick nicht. Er schauge zu den Sternen auf und sein Blick war glasig, ein glatter Schleier auf den Augen, die die Sterne wieder spiegelten. „Was ist Boris?", fragte ich nun drängender, etwas besorgt. Er seufzte und legte mir einen Arm um die Schulter. „Ach Potter, alter Freund, es ist bloß so", er riss die Arme in Richtung Himmel, „die Sterne scheinen heute so nah, so, ich weiß nicht, erreichbar?! Ich hab das Gefühl ich muss mich bloß ein wenig mehr anstrengen und dann bin ich da.", Er hielt inne und dann ließ er die Hände fallen und schaute mich zweifelnd an. „Weißt du, was ich meine?", frag er hoffnungsvoll. Ich blickte zum Himmel hinauf, mir war schwindelig und ich schwankte ein wenig, aber vielleicht schwankte auch einfach die ganze Welt, nein, sie tanzte, die Welt tanzte, und die Sterne mit ihr, und Entfernung war nicht mehr das, was sie mal war, denn die Musik legte ihr seidenes Tuch um die ganze Welt und verband alles ohne das es sich jemals wirklich berührte. „Ja,", sagte ich, „Ja, ich weiß genau was du meinst. So nah waren sie noch nie.", ich legte meinen Kopf in den Nacken und fühlte seine Hände, wie sie sich von hinten über meine Schulter schoben und sich über meiner Brust kreuzten. „So nah, aber noch immer unerreichbar.", ich hörte unverkennbar Trauer in seiner Stimme und alles was ich wollte, war das er wieder grinste, wie noch vor wenigen Minuten. Fieberhaft überlegte ich, was ich tun könnte. „Weißt du, vielleicht sind wir einfach noch nicht nah genug. Die Sterne sind uns entgegen gekommen und jetzt müssen wir halt ihnen entgegen kommen."
Ich spürte wie sich die Arme um meine Schultern zurück zogen, mich grob an den Schultern packten und herum wirbelten, sodass ich ihm ins Gesicht schauen konnte. Sein Gesicht näherte sich meinem und ich spürte wie mein Herz aussetzte und meine Brust sich verkrampfte. „Du. bist. ein. verdammtes. Genie. Potter.", ich starrte ihn unentwegt an und er starrte zurück, vollkommen eingefroren, bis er mir ins Gesicht pustete und ich zusammen zuckte und er wie wild anfing zu lachen. Er lachte und es war das einzig Wahre Geräusch in dieser Zeit voller Lügen. Er griff nach meiner Hand: „Komm Potter, die Sterne warten nicht ewig."
Und so zog er mich zu unserer Garage und ich fragte nicht was er vor hatte, weil er der Held dieser Geschichte war, zumindest der Held meiner, und, weil die, die zulange überlegen nie zu Helden werden. Wir gingen in die Garage und er holte eine Leiter hervor, silbermetallig, und wir trugen sie nach draußen, lehnten sie ans Hausdach. Ganz reichte sie nicht bis zum Dach, aber zumindest fast und den letzten Teil würden wir auch so schaffen, schließlich taten wir das immer irgendwie, schließlich waren wir Experten, wenn es darum ging, über halb eingestürzte Brücken zu kraxeln.
Boris ließ meine Hand los und schloss sie um die Leiter, die vermutlich ziemlich wackelig ans Haus gelehnt war, doch das war egal, all das war egal, weil uns nichts aufhalten konnte, weil wir nämlich auf dem Weg zu den Sternen waren. Er stieg auf die erste Stiege und schwankte kurz, dann trat er auf die zweite, schwankte erneut und trat nochmal zurück auf den Boden. Er lachte und ich lachte auch, so sehr, dass mein Bauch weh tat und ich mich erschöpft gegen die Hausmauer lehnen musste.
Warum bin ich so erschöpft?, fragte ich mich selbst, bis es mir siedendheiß klar wurde: Weil ich lebte. Weil ich endlich lebte.
Ich wand meinen Kopf um ihn sehen zu können, doch mein Blick verschwamm immer wieder und ich musste mich konzentrieren, nicht wegzudriften. Irgendwann war Boris ganz oben an der Leiter angekommen und ich sah, wie er die Arme zum Dach streckte und sich mit Hilfe seiner Armmuskeln hochdrückte. Und dann stand er oben, stand einfach da und streckte die Arme in den Himmel und jubelte.
Ich jubelte auch. „Jetzt du, Potter, komm!", rief er von oben und seine Stimme klang soweit weg, wie nie zuvor.
Ich beeilte mich ihm zu folgen, klammerte meine Hände um die Leiter, bis meine Fingernkochen weiß hervorstachen, kraxelte mechanisch die Leiter nach oben, bis plötzlich keine Leiter mehr da war, nichts mehr zum festhalten, aber meine Beine, wollten weiter, ich konnte nicht stoppen, ich schwankte...und dann packte mich etwas am Arm und ich dachte in meinem hinwegdämmernden Zustand es wäre vielleicht ein Engel, oder meine Mutter, irgendjemand übernatürliches irgendeine überirdische Macht, die mich wiedermal vor dem Ende bewarte. „Potter, hier, halt dich da fest!", rief die übernatürliche Kraft und dann spürte ich die Dachkante unter meinen Fingern und dann schoss wiede Kraft durch meien Arme, die verschwommenen Bilder vor meinen Augen schoben sich wieder zu einem zusammen und dann stand auch ich dort oben. Und dann stand auch ich dort oben, wir, Boris und ich, dem Himmel so nah, er ein Engel, und ich auch und ich wusste es war egal, wie wenig heilig wir waren, wir waren dem Himmel so nah, konnten ihn mit unseren Fingern streifen, dass wir einfach Engel sein mussten. Boris stieß einen Schrei aus, laut und wortlos, bloß Schrei, vom tiefen Inneren der Seele. Und ich schrie mit ihm, hielt mich noch ein wenig schwankend, ein wenig überwältigt an seiner knochigen Schulter fest und schrie ebenfalls. Wir grinsten uns an und er fuhr sich mit der Zung über die trockenen Lippen. Aber hier oben war es egal wie wir aussahen, wie verwahrlost und verirrt wir waren, schließlich hatten wir es soweit geschafft, schließlich waren wir die Helden und die Luft um uns herum war gepolstert von Magie. Boris schaltete den Kassettenspieler ein, den er von unten mitgebracht hatte und drückte auf Play, die selbe Kassette, die wir unten gehört hatten, wieder von vorne.
Das Dach war zwar nicht komplett flach, aber auch nicht ganz schräg. Ich setzte mich hin, neben den Kassettenrekorder, noch immer ganz verzaubert davon, wie primitiv das Ganze war, wie einfach, bloß ein Perspektivwechsel, wie anders jetzt alles aussah, obwohl es noch immer das Selbe war, wie simpel und klar es war, dass die Dinge einen neuen Glanz bekamen, wenn man sie aus einer anderen Richtung betrachte. Und so war es schließlich auch mit Boris, der schnelle Wechsel zwischen Alles und Nichts, zwischen Verfall und Hoffnungsträger, verlieh auch ihm diesen Glanz. Und so war es genug, zum ersten Mal im Leben einfach genug, hier zu sitzen, die Musik zuhören, uns Boris zuzuschauen wie er tanzte, im Rücken die Sterne. Und genauso wie vorhin am Pool, tanzte er gefährlich nah am Rande des Daches, die Arme abgewinkelt, die Beine schneller als der Oberkörper. Aber dieses Mal, hier oben, schien alles zu passen, schienen sich die Puzzelstücke zusammenzusetzten und er verschmolz mit der Nacht und ich dachte, vielleicht ist das hier einfach unserer Platz, vielleicht gehören wir einfach hier hin, auf die Dächer der Stadt. Und ich fragte mich, der Gedanke beschlich mich heimlich und leise, ob es vielleicht an den abgestumpfetn Augen der Erdbewohner liegt, dass Boris dort unten so fehl am Platz war und hier oben so perfekt eingefügt. Boris ist wohl ein Kind des Nachthimmels, dachte ich und musste schmunzeln, denn eigentlich hatte ich das schon immer gewusst.
Er tanzte gefährlich nah am Rand des Daches, und ein Bein schwebte über dem Abgrund, doch erstaunlicherweise fürchtete ich mich nicht um ihn. Denn Boris unterlag nicht den Regeln der Schwerkraft, der Erdanziehungskraft, denn er ist selbst ein Planet, er war ein verirrter Himmelskörper, um den sich ein ganzes eigenes Sonnensystem dreht, mit seiner eigenen Anziehungskraft.
Tja, und dieser war ich wohl vollkommen erlegen. Langsam erhob ich mich, stand ein bisschen unschlüssig herum und schaute gequält zu Boris herüber, bis ich auf einmal gepackt wurde, vom Zauber der Nacht, denn eine Nacht wie diese, war viel zu schade um schüchtern zu sein.
Also ging ich zu ihm hinüber und tanzte mit. Aber ich wusste nicht wie ich mich bewegen sollte, mein Körper war steif und ich war verklemmt und ich ärgerte mich über mich selbst. Warum konnte ich nicht aufhören, so viel zu denken, warum konnte ich nicht einfach beginnen zu leben, warum musste ich die Dinge immer kaputt machen? Ich schloss kurz die Augen und ließ mich treiben auf den Tönen der Musik und als ich sie wieder öffnete, da stand er ganz nah vor mir, meine Brust an seiner und ich konnte sein Lachen in meinem Körper vibrieren Spüren, als er sagte: „Du bist ein lausiger Tänzer, Potter." Ich lachte empört, doch hatte keine Zeit mich zu beschweren, denn im nächsten Moment, hatten sich sämtliche Härchen an meinen Armen aufgestellt. Er hatte sich vorgebeugt und sein Mund schwebte knapp neben meinem Ohr. „Du musst die Musik spüren. Du musst die Musik die Kontrolle übernehmen lassen. Mach die Augen zu Potter, der Rest kommt von selbst." Und ich tat wie mir geheißen und schloss meine Augen, doch spürte seine Lippen, seinen leichten Atmen noch immer neben meinem Ohr schweben, während auf der Kassette der nächste und letzte Song kam. Der Song. Sein Lebenssong.
Ich hörte die ersten Töne, wie sie sich mutig durch die Luft wandten, ihren Weg bahnten, sich langsam entfalteten, all den Raum nahmen der ihnen zustand und noch viel viel mehr, und wie die Stimme des Sänher langsam anschwoll, konnte ich all die Millionen Menschen spüren konnte, die diesen Song schon gehört hatten, die geweint hatten und gelacht, all die Menschen die Erinnerungen mit diesem Song verbunden, all die Menschen sah ich vor mir, die diesen Song den ihren genannt hatten und so war es ja auch, und gleichzeitig war er auch unserer, ihrer und meiner und das widersprach sich in keiner Hinsicht, und da wurde mir bewusst, dass das wohl die wahre Kraft der Musik war, dass sie uns alle in unseren tiefsten Gegühlen verband, dass wir alle gemeinsam einsam waren, das sie uns in unserem Einsamsein verband, wenn die Töne ganz bestimmter Lieder in unseren Ohrmuscheln entsprangen.
Und dann begann Boris leise mitzusingen, seine Stimme kaum ein Flüstern und trotz der geringen Lautstärke, war es das Schönste, was ich jemals gehört hatte.
„You're just like an angel.
Your skin makes me cry.
You float like a feather.
In a beautiful world.
I wish I was special.
You're so fuckin' special..."
Und wie der Refrain begann, schwoll alles an, was von Bedeutung war und alles was unwichtig war verschwand im Hintergrund und ich begann zu tanzen. Wie ich es nie zuvor getan hatte, wie ich es niemals wieder tun werde, wie man es vielleicht nur einmal im Leben macht, wenn man schlechte Eltern hat, verliebt ist und den Sternen so nah.
Oh, diese eine fabelhafte Nacht.
Und ich spürte, wovon Boris geredet hatte, spürte die Musik die Kontrolle übernehmen. Und es war egal wie unbedeutend wir waren, wir verkorkst und angeknackst, denn in diesem Moment verschwammen wir mit all den anderen, die diesen Song geliebt hatten und liebten. In diesem Moment waren wir keine lausigen Teenager, in diesem Moment waren wir keine Schulschwänzer, und keine dummen Kiffer und diesem Moment waren wir mehr.
In diesem Moment waren wir Liebhaber. Liebhaber dieses Songs und Liebhaber des Lebens und unsere eigenen Liebhaber.
Und während wir tanzten, berührten wir uns immer wieder, mehr oder weniger absichtlich und mein Körper reagierte jedes Mal auf seine Berührung, meine leichteste Übung, fast automatisch, ein Impuls, eine Reaktion, eine Frage, eine Antwort. Haut und Haut, Arme und Arme, Schritte auf dem Dach, der Himmel über uns, nichts unter uns. Er hatte mich angesteckt mit seinen Bewegungen und die Musik war laut und wir hatten nichts zu verlieren. Und ich weiß noch wie ich Boris angeschaut hatte und wie ich in diesem Moment dachte: Wenn wir jetzt sterben, bereue ich nichts. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen, als in einer sternenklaren Nacht neben Boris zu sterben. Und ich dachte: Sterben oder Leben, beides mit Boris. Mit Boris, Sterben oder Leben, das ist es was ich will.
Irgendwann war die Musik dann wohl aus und wir lagen auf dem Dach, die Gesichter zum Himmel, die Handflächen verstohlen aneinander gelegt. Unser Atem ging noch schnell vom tanzen und auf unseren Gesichtern prangte ein breites Lächeln. „Warum?", fragte ich, „Warum bist du so glücklich?", aber vielleicht fragte ich auch gar nicht, vielleicht sagte er es mir auch von selbst: Er stieß ein trauriges aber belustiges Schnauben aus und dann sagte er: „Weil uns nie jemand irgendetwas gesagt hat, und wir den Sternen trotzdem so nah sind, du und ich."
Und dann faste ich doch nach seiner Hand, umfasste sie fest und legte unsere verschränkten Hände auf meine Brust, damit ich, falls wir wirklich noch heute sterben sollten, wirklich nichts zu bereuen hätte.
Wir lachten ein bisschen, aber es war nicht dieses übertrieben, unkontrollierte, betrunkene Lachen, nein, es war ein sanftes, ein erleichtertes, ein verwirrtes, ein wenig verängstigtes, weil alles Schöne auch immer angsteinflößend ist.
„Du hast recht.", sagte ich und er drückte meine Hand, als wolle er sagen, klar, Potter, klar hab ich recht, „Wir haben's zwar nicht bis zum Mond geschafft, aber wir sind den Sternen verdammt nah."
So lagen wir da, in dieser einen unvergessenen Nacht und hätte jemand in diesem Moment undere Brustkörbe aufgeschnitten, dann hätte er unsere Herzen schlagen sehen, zwar nicht im Takt eines Liedes, aber doch unverkennbar im selben Takt, den, den nur unsere Herzen teilen, den nur wir beide kennen, nur du und ich.Wir sind dann wohl irgendwann wieder hinabgeklettert und haben uns schlafen gelegt, aber daran erinnere ich mich nicht mehr. Denn eigentlich bin ich noch immer dort, noch immer in dieser unseren Nacht, in der wir den Sternen so nah waren.
Und auch wenn das mit die beste Erinnerung aus meiner Vergantet ist, komme ich nicht drum herum, diese magische Nacht, mit einem bittersüßen Nachgeschmak in Erinnerung zu rufen, denn ich kann einfach nicht umhin mich zu fragen, was passiert wäre, wenn sich doch jemand um uns gekümmert hätte, wenn irgendjemand uns irgendetwas jemals erklärt hätte, ich kann nicht umhin mich zu fragen, ob wir es dann nicht doch hätten schaffen können, ob wir die Sterne nicht doch ganz hätten erreichen können.
Ich kann nicht umhin mir zu wünschen, Boris noch ein einziges Mal in meinem Leben zu treffen, nur um nachzuschauen, ob wir es jetzt könnten, ob wir es schaffen könnten, mit den restlichen paar Zentimetern die wir noch gewachsen waren, ob wir es jetzt gemeinsam schaffen könnten, und die Sterne doch noch zu unseren machen könnten.
Denn, wer wenn nicht wir, oder Boris?
Wer wenn nicht wir._____
heyy, also da ich jetzt so viel zeit habe, habe ich mal angefangen russisch zu lernen (mithilfe von so einem buch, was ich auf der straße gefunden habe, lol). aber naja, ich kann auch erst die hälfte aller buchstaben, aber hier ist meine große errungenschaft bis jetzt:борис и тэо навек
(hinweis: ich übernehme keine haftung, falls das falsch ist; das buch mit dem ich russisch lerne ist uralt)
viel spaß beim in google übersetzer eingeben (;
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wind, sand und sterne // boreo
Hayran Kurguboreo fan-fic / oneshots weil ich sie lieeebe und theo und boris sich auch ganz ganz dolle lieeeeben <<3