Potter und Malfoy

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*Spoiler zu Harry Potter und der Stein der Weisen*
(außerdem kann es sein, dass ihr, falls ihr euch nicht so mit hp auskennt, nicht alle Anspielungen versteht und manche sachen in diesem kapitel nicht so viel sinn machen :/ sry)
(btw i loove hp <3)

pt. 1

„Potter! Potter, komm schnell, du bist im Fernsehen!", schrie Boris von unten.
Ich erstarrte. Ich war gerade in meinem Zimmer, nach meinem zerknickten Exemplar von „Der Idiot" suchend, denn Boris und ich hatten gerade über eine Szene diskutiert und ich musste ihm einfach beweisen, dass ich recht hatte. Ich hatte wirklich recht.
Doch in dem Moment in dem Boris' Stimme zu mir nach oben schalte, vergaß ich was ich gerade gesucht hatte. Mein Körper versteifte sich. Scheiße, scheiße, dachte ich. Es konnte nur einen logischen Grund geben, warum ich im Fernsehen war.
Sie hatten es heraus gefunden. Sie wussten es. Schweiß lief meine Stirn herunter. Ich konnte die Meldung geradezu vor meinem inneren Auge sehen:
Verschwinden des Distelfinks - Steckt ein einfacher Schuljunge dahinter?
Wir alle erinnern uns nur zu Gut, an das tragischen Attentat im Metropolitan Museum.
Es waren schlimme Bilder, die uns noch Nächte danach am Schlafen hinderten: ein dutzend Tote, viele Verletzte, viele Verlassene.
Doch neben den Leben der Menschen, ist noch etwas anderes verloren gegangen: einige der kostbarsten und bedeutendsten Bilder weltweit, sind bei der Explosion beschädigt, gänzlich zerstört worden oder einfach verschwunden. Lange gab es keine einzige Spur, doch jetzt hat die Polizei endlich eine Fährte aufgenommen, und zwar im Falle des Bildes „Distelfink" von Carel Fabritius. Es stellte sich heraus, dass wohl ein einfacher New-Yorker Schuljunge diesen schrecklichen Vorfall einfach ausgenutzt hat, um das Bild unbemerkt aus dem Museum zu entwenden. Sein Name lautet Theodore Decker.
Ich schüttelte mich, doch die Stimmen in meinem Kopf hörten nicht auf zu plärren:
Theodore Decker! Dieser Haufen Dreck! Zeigt kein Erbarmen! Ein ganzes Land ist sich einig: Dieser Junge muss hinter Gitter! Respektlos! Theodore Decker, pahh!
Die Stimmen spuckten meinen Namen aus wie ein Schimpfwort, jede einzelne Silbe übertrieben, hart und abfällig betont.
Was sollte ich tun? Was würde Boris über mich denken? Würde mir jemand glauben, würde sich überhaupt jemand meiner antun, und sich diese lächerliche Geschichte anhören?
Der Sterbende Mann wollte aber, dass ich das Bild mitnehme.
Schon klar. Niemand würde mir glauben.
Doch unter all den Gedanken, war einer am lautesten: „Es tut mir leid, Mommy!! Es tut mir so schrecklich leid!"
Und für einem kurzen Moment sah ich mich selbst aus einer fremden Sicht, wie man sich nur sieht, wenn man weiß, dass sich sein Leben gleich, genau eimal umkrempeln würde, wie ein vor Wut oder Trauer umgeworfenes Spielbrett. Und ich sah einen tieftraurigen Jungen, nikotinabhängig, alkoholsüchtig und ein Dieb! Ein Kunstdieb! Ich war angeekelt von mir selbst, aber noch viel mehr schämte ich mich. Ich schämte mich vor meiner eigenen Mutter. Meiner eigenen toten Mutter.
„Es tut mir leid, Mummy.", flüsterte ich aus dem Fenster zum Mond hinauf.
Von unten schallte schon wieder Boris Stimme nach oben und riss mich aus meinen Gedanken: „Potter, jetzt komm doch mal! Du bist hier im Fernsehen!", Ich hörte ihn lachen, kratzig und laut, und ich konnte mir genau vorstellen, wie er gerade seinen Kopf nach hinten warf und seine Locken um sein Gesicht flogen, „Ohh, schau doch! Du als Baby! Süßes Baby!"
Ich zuckte verwundert zusammen. Als Baby? Warum sollte die Polizei Bilder von mir als Kleinkind haben? Und was hatte das mit dem Kunstdiebstahl zu tun?
Langsam hatte ich das Gefühl Boris wollte mich bloß auf den Arm nehmen. Ich ging die Treppen runter und sah Boris wie er, mit vor Begeisterung und Belustigung geweiteten Augen, auf dem Boden vor dem Fernseher saß. Die Farben des Fernsehers strahlten auf sein Gesicht ab und erhellten es in ungewohnten Farben, rot und lila, blau und gelb. Er wirkte so glückselig und die Farben ließen ihn strahlen, wo er doch sonst immer so blasse Haut hatte, nicht vom Sommer gebräunt, nicht vor Liebe gerötet, bloß weiß, als wäre seine ganze Haut von Narben überzogen, faserreiches Ersatzgewebe, unfähig irgendeine andere Farbe anzunehmen.
Ich blieb am Treppenabsatz stehen, an die Wand gelehnt, ihn in seiner kindlichen Aufregung beobachtend.
Plötzlich schaute er zu mir auf. Ich tat schnell so, als wäre ich gerade erst die Treppe herunter gekommen.
„Potter!", rief er. Er klopfte auf den Boden neben sich. „Komm her! Das wird dir gefallen! Du bist nen süßes Baby, nur halt diese Narbe auf der Stirn...", sagt er und zog ein mitleidiges Gesicht. „Aber naja, verwächst sich ja alles gut, wir wir sehen.", fügte er aufmunternd hinzu.
„Hä? Narbe?", fragte ich verwirrt.
„Na, schau doch endlich, Potter!"
Ich ging zu ihm rüber und setzte mich neben ihm auf den Boden. Und da verstand ich endlich wovon er die ganze Zeit redete: Auf dem Fernseher war ein alter Mann mit langem weißem Bart und langen weißen Haaren zu sehen und eine Frau mit Brille und strengem Dutt. Beide trugen farbige Umhänge und beugten sich über einen Weidenkorb der auf dem Boden stand. Und darin lag der Junge...„Harry Potter!", riefen ich und Boris gleichzeitig, Boris begeistert, ich erleichtert, als ich begriff, dass es nicht wirklich um mich ging.
„Toll, oder?", fragte Boris. „Hab den ewig nicht mehr geguckt, weiß gar nicht ob ich den überhaupt schonmal geguckt habe, also, ich habe auf jeden Fall schonmal einen gesehen, aber ich weiß nicht, war es der hier? Schwer zu sagen. Die sind alle irgendwie gleich, nicht? Harry Potter passiert was schreckliches, Harry Potter kümmert sich drum. Bisschen Zauberstabgewedel, bisschen Essen, und nen Schloss, oder?", fragte er, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden, und kratzte sich über der rechten Augenbraue.
Ich konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Ich war zwar auch nicht der größte Harry-Potter-Fan, aber ich hatte doch alle geschaut, und auch die ersten drei oder vier gelesen.
„Ich muss zugeben...das trifft es ziemlich genau.", sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter. „Obwohl...", fügte ich hinzu, „Eigentlich kommt nicht nur ein bisschen Essen vor - sondern ganz viel."
„Sehr gut, sehr gut.", sagte Boris und rieb sich den Bauch, „ich hab nämlich Hunger. Ich glaub ich mach uns schnell Mikrowellen-Popcorn." Er hielt mitten in seiner Bewegung inne und drehte sich wieder zu mir um: „Halt, ich hab eine Idee: wir machen uns richtig schönen Abend, weißt du? So richtigen Filmabend mit Popcorn und Decken und gutem Film!", er schien ganz aus dem Häuschen wegen seiner eigenen Idee zu sein und in seiner Euphorie riss er mich einfach mit.
„Jaaja, gerne! Ich hole Decken von oben und du sorgst für das Popcorn!", rief ich und war schon wieder auf dem Weg nach oben, um all unsere Decken und Kissen zu holen. Ich hatte ganz vergessen, dass ich eben noch den Tränen nahe gewesen war, und mich bei meiner Mutter entschuldigt hatte.
Ich und Boris, wir beide waren ganz gefangen von dieser Idee, diesem Filmabend. An sich war es nichts besonderes, wir schauten uns oft Filme im Fernsehen an, was halt gerade so lief, einfach spontan, aber genau das war ja jetzt das Besondere: dieses mal hatten wir einen Plan, wir wollten diesen Film schauen, dieser Film, der uns komischerweise auch noch verband, hatten uns genau darauf eingestellt und es erinnerte mich wage an Zeiten, in denen meine Mutter und ich immer Freitags einen Filmabend gemacht hatten. Schon die ganze Woche hatte ich mich darauf gefreut und wenn es dann so weit war, waren wir gemeinsam in die Videothek die Straße runter gegangen und hatten uns die Filme ausgeliehen. So hatten wir dutzende Star-Wars Teile geschaut und sicher auch den ein oder anderen Harry Potter, aber ich erinnere mich noch, dass ich einen Film ganz besonders mochte: Stand By Me.
Manchmal war auch mein Vater dabei gewesen und auch wenn er unablässig davon geredet hatte, wie die einzelnen Effekte in den Filmen gemacht wurden, war es doch einfach schön ihn dabei zu haben. Zusammen zu sein.
Und auch wenn dies eigentlich eine durch und durch schöne Erinnerung war, durchströmten mich sofort eine leichte Traurigkeit, mehr eine Melancholie. Etwas wie ein verbleichter Film, der immer mitlief, egal was ich tat, diese leise Traurigkeit, ein stiller Begleiter. Langsam glaubte ich, dass ich wohl für immer damit leben müsste.

wind, sand und sterne // boreo Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt