[2] • Unter Menschen gehen

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»Leonie, Liebes, du kannst dich dort in die dritte Reihe setzen

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»Leonie, Liebes, du kannst dich dort in die dritte Reihe setzen.«

Frau Werth, die Deutschlehrerin, war klein, versuchte es aber mit durchgehenden Plateauabsätzen zu kompensieren. Ihr restliches Outfit war von Kopf bis Fuß makellos. Sie kleidete sich jung und modern, wirkte aber trotz ihres voranschreitenden Alters, ich schätzte sie auf Ende fünfzig, nicht albern - einfach schick. Ich hätte sie mir eher in der Redaktion eines Modemagazins vorstellen können, als in einem Raum mit angehenden Erwachsenen, die gerade versuchten, den letzten Zügen der Pubertät zu entfliehen. Neben ihr sah ich in meinem grauen Hoodie, den verwaschenen Jeans und den dreckigen Sneakers aus, als würde ich nur aus dem Haus gehen, um den Müll zu entsorgen.

Ich nickte und glaubte sogar, ein Lächeln zu Stande gebracht zu haben. Zumindest schenkte sie mir eins, und zwar das breiteste, was ich wohl je an einer Lehrerin gesehen hatte. Sie schien ihren Beruf ehrlich zu mögen. Ich setzte mich auf den zugewiesenen freien Platz und endete zwischen einem schlafenden Kerl und einem Mädchen, das unentwegt auf ihrem Handy herumtippte. Doch alles war besser, als neben Cleo zu sitzen, deren Blick ich immer wieder auf mir spürte, während ich mir alle Mühe gab, sie zu ignorieren. Heute Morgen hatte ich extra einen Bus früher genommen und mir einen großen Kakao in der Bäckerei schräg gegenüber der Schule gegönnt, um ihr aus dem Weg zu gehen. Jetzt musste ich nur noch versuchen, nach dem Ende der Stunde unbemerkt zu verschwinden, bevor sie mich einfangen und mit einem erneuten Redeschwall überrollen konnte.

»So ihr Lieben, dann wollen wir mal«, ergriff Frau Werth das Wort und die lauten Gespräche der Schüler wechselten zu vereinzeltem leisen Geflüster. »Schön euch im neuen Schuljahr und damit auch im Deutsch Leistungskurs begrüßen zu dürfen.« Sie schaute im Raum umher und blieb letztendlich bei meinem Nachbarn hängen, der sich auch nach ihrer Anrede nicht aufgerichtet hatte. Ich glaubte fast, ihn schnarchen zu hören. Frau Werths Gesichtszüge nahmen einen diabolischen Ausdruck an, während sie nach dem Tafelschwamm griff. Im nächsten Moment schmiss sie ihn auch schon gekonnt durch die Luft und traf genau den Kopf des Jungen, über den sich daraufhin ein Staubregen alter Kreidereste ergoss. Seine kurzen schwarzen Haare durchzogen nun graue Strähnen. Erschrocken richtete er sich auf und ich war froh, rechtzeitig einen größeren Abstand zwischen uns gebracht zu haben, da er mit seiner hektischen Bewegung auch den Dreck wieder in die Luft beförderte. »Lars, guten Morgen!«, begrüßte Frau Werth ihn unter leisem Gelächter des Kurses, während dieser noch verschreckt um sich schaute, wahrscheinlich um einzuordnen, wo er sich überhaupt befand. »Es freut mich, dass wir uns dieses Jahr wiedersehen. Nur denke ich, dass wir es diesmal etwas produktiver angehen sollten, meinst du nicht auch?«

»Da stimme ich Ihnen vollkommen zu«, antwortete er, nachdem er sich wieder gefangen hatte. Er rubbelte sich die restliche Kreide aus seinen Haaren und fügte dann mit einem schelmischen Grinsen hinzu: »Sie sehen heute übrigens wieder klasse aus!«

Frau Werth verdrehte die Augen. »Nun gut, bevor wir anfangen, möchte ich gerne wie jedes Jahr auf unsere Schülerzeitung hinweisen, die tatkräftige Unterstützung sucht. Cleo, magst du dazu ein paar Worte sagen?«

Und mit der Flut kamst duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt