[6] • Überredungskünste

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»Cleo scheint wirklich ein sehr liebes Mädchen zu sein«, schwärmte meine Mutter, während sie sich den frisch gebrühten Kaffee in die alte, überdimensionale Ohne-dich-ist-alles-doof-Tasse goss

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»Cleo scheint wirklich ein sehr liebes Mädchen zu sein«, schwärmte meine Mutter, während sie sich den frisch gebrühten Kaffee in die alte, überdimensionale Ohne-dich-ist-alles-doof-Tasse goss. Jetzt hatte das Thema Cleo schon unseren Frühstückstisch erreicht.

»Hm«, brummte ich gleichgültig und kaute weiter auf meinem mit Nutella beschmierten Brötchen herum. Balu vollzog neben mir auf dem Stuhl sein alltägliches Sieben-Uhr-Morgen-Nickerchen, nachdem er sich zuvor unter Protest sein Diät-Futter reingezwungen hatte. Schon öfters hatte ich meiner Mutter geraten, dass sie es einfach lassen sollte, weil er das Zeug sowieso nicht mochte und sich auf anderem Wege etwas Leckeres besorgte, aber: »Er isst es doch«. Aus diesem Grund bekam er immer wieder aufs Neue den Fraß vorgesetzt. Zwei Lebewesen, die aus Prinzip auf ihren Standpunkt beharrten. Unverbesserlich!

»Aber vier Kinder! Ich wüsste gar nicht, wie ich das bewerkstelligen sollte«, faselte die gebürtige Ivonne Kleinmann, seit achtzehn Jahren verheiratete Ivonne Sommerfeld, weiter. Danach nahm sie einen Schluck von der tiefschwarzen Flüssigkeit und ließ sich genüsslich seufzend auf den Sitzplatz mir gegenüber nieder. Natürlich wüsste sie nicht, wie sie mit solch einem Haufen zurechtkommen könnte, zumal sich Umziehen mit vier Kindern auf jeden Fall schwieriger gestalten würde, als nur eins hinter sich her zu schleifen.

»Und alle sind so hübsch!« Wenigstens in einer Sache waren wir uns einig. Ich griff nach der Erdbeermarmelade und strich mir stillschweigend eine dicke Schicht auf die andere Hälfte meines Brötchens. Meiner Mutter hörte ich gar nicht mehr zu, wie sie weiter von Familie Moustaki schwärmte und Cleo zu meiner neuen besten Freundin deklarierte. Warum glaubten eigentlich alle, Letzteres besser beurteilen zu können als ich selbst? Doch ich regte mich nicht darüber auf. Es brachte letztlich nichts und am Ende reichte es, wenn ich wusste, was wirklich stimmte.

Stattdessen überlegte ich, ob ich mir noch etwas zu Essen für die Schule mitnehmen sollte. Ich konnte mich schließlich nicht jedes Mal am Vorrat des Dagoberts bedienen. Andererseits war es meinem kreativen Kopf zu verdanken, dass sie ihre Zeitung mit zwei weiteren Seiten füllen konnten. Mir kamen die ganzen Urkunden und Auszeichnungen wieder in den Sinn. Ob die Schülerzeitung immer noch an solchen Wettbewerben teilnahm? Bei den Schülern konnte das Dagobert schließlich aufgrund seines Äußeren nicht sonderlich überzeugen. Aber was interessierte es mich überhaupt? Es sollte mich beruhigen, dass sich dieses Blättchen schlecht verkaufte, denn somit blieb meine Leserzahl gleich null, so wie es mir auch am liebsten war. Ich wollte keine Aufmerksamkeit erregen, egal, in welcher Hinsicht und wie klein sie auch war.

»Wie geht es eigentlich Anna?«, fragte meine Mutter plötzlich. Für mich kam die Frage wie aus dem Nichts, da ich meine Ohren auf Durchzug gestellt hatte. Doch den Namen Anna registrierte mein Gehirn, als wäre er ein fieser Eindringling, den es zu bekämpfen galt. Ich erstarrte in der Bewegung. Mein Brötchen blieb auf halber Strecke zum Mund stehen und mein Blick löste sich langsam von dem knatschroten Gelee und erreichten die warmen, braunen Augen meiner Mutter. Sie hatte es einfach so daher gesagt, sie wusste nichts von dem unangenehmen Gefühl, das sich daraufhin um meinen Körper legte. Es war etwas zwischen Traurigkeit, Ärger und Sehnsucht. Ein Gefühl, das ich immer wieder abzuschütteln versuchte, wenn es in den einsamen Momenten unter der Zimmertür hindurchkroch und mich wie eine kratzige Decke umwickelte.

Und mit der Flut kamst duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt