[11] • Familientraditionen

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Der Asphalt glühte noch

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Der Asphalt glühte noch. Den ganzen Tag hatte die Sonne darauf geschienen und der Boden hatte die Hitze aufgesaugt wie ein Schwamm, um jetzt meinen Rücken zu wärmen. Doch auch wenn dieser Umstand fast die Unbequemlichkeit des harten Untergrunds aufwog, zog die Frage, was ich eigentlich hier tat, in meinem Kopf unzählige Bahnen hin und her. Jasper und ich lagen nebeneinander auf dem Zebrastreifen, jeder auf einem eigenen weißen Balken, als wären sie dafür gemacht, sich auf ihnen auszuruhen. Allerdings kam ich nicht wirklich zur Ruhe. Während Jasper anscheinend ganz entspannt vor sich hin atmete und in der Schwärze des Himmels versank, hatte ich stetig die Befürchtung, dass die Dunkelheit ganz plötzlich von grellen Scheinwerfern gesprengt werden könnte. Nur diesmal war ich nicht diejenige, die hinterm Steuer saß, sondern die, die in dem Fall mit Jasper unter die Räder kam. Dass dieser Gedanke ihn wohl gar nicht beschäftigte, vor allem da er solch ein Szenario schon einmal erlebt hatte, empfand ich als äußerst heikel. Warum gammelte man auch ausgerechnet auf der Straße herum? Bis jetzt hatte ich zwar noch kein Auto gesehen oder gehört, vielleicht war ich auch einer der Ersten, die hier in letzter Zeit nachts entlanggefahren war, dennoch sah ich darin einfach keinen Sinn. Ich brauchte eine Antwort. 

»Und was soll das jetzt werden?«, flüsterte ich. In Gegenwart dieser bis gerade eben nahezu ausnahmslosen Stille war es mir einfach nicht möglich, lauter zu sprechen.

»Na ja«, murmelte Jasper genauso leise. »Das kommt ganz auf dich an. Wie fühlst du dich denn?« Fühlen? Was sollte ich denn seiner Meinung nach fühlen? »Also, ich weiß nicht.« Ich hielt kurz inne. »Ich glaube, mir pikst ein Stein in den Hintern.«

Kurz blieb es still und ich hatte die Befürchtung, dass ich ihn mit der Antwort irgendwie beleidigt hatte, da ihm diese Aktivität vielleicht doch mehr bedeutete, als dass ich hier so lose reden konnte. Doch dann lachte er sein ehrliches Lachen und ein kleiner Teil in mir wünschte sich, dass mir noch etwas einfiel, was ich sagen konnte, um es noch einmal zu hören. Nur wusste ich auf Anhieb nichts, weswegen ich, getrieben von meiner Neugier, die Frage stellte, die mich schon seit zwei Wochen beschäftigte.

»Warum machst du das eigentlich? Einfach so, ich weiß schon, aber das ist doch nicht alles, oder?« Hörte ich mich eigentlich schon an wie Cleo? War das für sie ein Moment, in dem man sich Notizen machen sollte?

Jasper ließ sich mit seiner Antwort etwas Bedenkzeit. Währenddessen hob ich meine Hüfte an, tastete nach dem Steinchen und schnipste den kleinen Störenfried in Richtung Gehweg, ein Ort, an dem man grundsätzlich nicht überfahren wurde. Prioritäten setzen. Konnte ich.

»Man könnte es als Familientradition beschreiben.« Ich drehte meinen Kopf zu ihm hin, betrachtete sein Profil, derweil er immer noch starr nach oben blickte. Hatte ich gerade richtig gehört?

»Eine Familientradition?«, wiederholte ich ungläubig. Wenn ich an familiäre Gepflogenheiten dachte, kamen mir eher so traditionelle Dinge in den Sinn wie ein ausgiebiges Sonntagsfrühstück mit Croissants und Brötchen.

Und mit der Flut kamst duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt