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Ich kann mich kein bisschen auf die Vorlesung konzentrieren. Mein Körper ist noch immer wie elektrisiert. Statt aufzupassen und mitzuschreiben, male ich einen Fuchs in mein Heft. Um ihn herum Rosen. Seine Rosen. Zwischendurch schaue ich wieder und wieder auf mein Handy. Doch erst am frühen Nachmittag, als die Uni schon beinahe vorbei ist, erhalte ich eine Nachricht. Aufgeregt sehe ich mich erst um, bevor ich den Messenger öffne. Komisch, dass ich mir so verrucht vorkomme. Dabei ist es doch nicht schlimm, ein Online-Spiel zu spielen. Doch ich will einfach nicht, dass einer meiner Kommilitonen etwas davon mitbekommt. Oder überhaupt irgendwer. Ein wenig enttäuscht schaue ich auf das Display. Es ist keine Privatnachricht, sondern nur ein Eintrag in der Gruppe. Immerhin etwas.

>Liebe Spielerinnen und Spieler,

Da ihr diese Nachricht erhalten habt, dürfen wir euch gratulieren! Ihr wurdet nicht aus der Gruppe gebannt und seid weiterhin Teil dieses Spiels.

Weitere Aufgaben werden bald folgen.

Der Fuchs<

Neugierig schaue ich auf die Anzahl der Gruppenmitglieder. Genau tausend Personen. Es haben also einige ihre Steckbriefe nicht abgeschickt. Eine gewisse Freude überkommt mich. Noch bin ich dabei. Noch kann ich gewinnen. Was gewinnen? In diesem Moment bekomme ich eine Nachricht. Wieder dieses Kribbeln, welches meinen Körper durchläuft und sich im Bereich meines Unterleibs zu konzentrieren scheint. Die Nachricht ist vom Fuchs. Privat. Nur für mich. Der Fuchs aus meinem Traum tappt in meinen Kopf, die Rose im Maul. Mein Atem geht schnell. Was ist bloß los mit mir? Ich öffne die Nachricht:

>Lisica,

in der nächsten Aufgabe möchten wir deine Kreativität und dein Einfallsreichtum testen. Schicke uns deine Idee eines Logos für unsere Red Rose Game Gruppe. Der oder die Gewinner/in dieser Runde erhält die Ehre, dass sein oder ihr Bild unser tatsächliches Kennzeichen wird.

Du hast ab jetzt wieder 24 Stunden Zeit, uns deinen Entwurf zu präsentieren. Folgst du dieser Anweisung nicht oder ist dein Logo nicht gut genug, wirst du aus der Gruppe entfernt.

Der Fuchs<

Ich muss unwillkürlich lächeln. Diese Aufgabe sollte ein leichtes für mich werden. Schließlich studiere ich die Künste. Kurzum packe ich meine Sachen zusammen, verschwinde aus dem Hörsaal und mache mich auf den Weg zu den Ateliers. Während ich meinen Arbeitsplatz einrichte, überlege ich fieberhaft, was ich zeichnen könnte. Ich setze mich vor das weiße Blatt und starre es an. 

Die Zeit verstreicht, doch keine meiner Skizzen scheint gut genug. Mittlerweile bin ich umringt von zahllosen weißen Papierkugeln. Alles Symbole meines Scheiterns.

Es ist bereits dunkel draußen, als ich schließlich den Kopf auf meine Arme sinken lasse. Meine Augen brennen. Mein Handgelenk schmerzt und der Tisch ist voller grau-schwarzer Radiergummifusel. Warum zum Teufel verschwende ich so viel Zeit für dieses blöde Spiel? Ich raffe mich auf. Schaue auf meine aktuelle Zeichnung hinab. Seufzend zücke ich mein Handy, fotografiere das Ganze und lade es hoch. Ist doch egal, wenn ich rausfliegen sollte. Wenigstens muss ich dann nicht andauernd an diese Sache denken. Ich kann Wichtigeres tun, wie zum Beispiel lernen oder meine Wohnung putzen.

Müde packe ich meine Sachen zusammen und gehe nach Hause. Die Stille und Zwielichtigkeit meiner Wohnung wirken unwirklich. Ohne zu Abend zu essen, verschwinde ich in mein Schlafzimmer. Ziehe mir mein T-Shirt über den Kopf und befördere es auf den Boden. Anschließend lasse ich meinen BH und meine Hose folgen. Nur mit Höschen und Socken bekleidet, werfe ich mich auf mein Bett. Schaue auf mein Handy. Bestimmt zum tausendsten Mal heute. Eine neue Nachricht. Sie ist von meiner Mum, sie will wissen, ob alles gut ist. Ich antworte wie immer: Es gehe mir blendend und alles sei okay. Dabei verziehe ich den Mund zu einer schmalen Linie. Denn irgendwie ist nichts okay. Sonst würde ich mich nicht so merkwürdig fühlen. Schlaff und energielos. Ich will gerade meinen Wecker für morgen stellen, da fallen mir bereits die Augen zu. 

In einem weißen Kleid knie ich inmitten eines Rosengartens. Ich trage weder Schuhe noch Unterwäsche. Gras kitzelt sanft an meinen Füßen und an meinen Schienbeinen. Die Hände habe ich mit den Handflächen nach oben auf meinen Oberschenkeln abgelegt. Den Blick halte ich gesenkt. Bienen und andere Insekten schwirren summend umher. Der süße Duft der Blumen und die Frische von erst kürzlich gemähten Rasen umwogen mich. Die Sonne scheint mit wohliger Wärme auf mich hinab. Ein wundervoller Tag. Ich fühle mich einfach gut.

Da höre ich plötzlich Schritte näherkommen. Nur aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass ein Mann um eine der dicht geblümten Rosenhecken kommt. Er stellt sich direkt vor mich hin, sodass ich erkennen kann, dass er ebenfalls barfuß ist und eine schwarze Anzughose trägt. „Aufschauen", befielt der Mann plötzlich. Seine Stimme ähnelt dem Knurren des Fuchses aus meinem letzten Traum. Das Kribbeln, welches sonst meinen Körper durchfließt ist diesmal eine kalt heiße Welle. Blut schießt mir ins Gesicht und Feuchtigkeit zwischen die Beine, als ich seiner Anweisung nachkomme.

Mein Blick gleitet an seinen schlanken, aber kräftigen Beinen hinauf, über seinen unbekleideten Oberkörper. Flacher Bauch mit dezentem Sixpack-Ansatz. Braunrote Härchen kringeln sich um seinen Bauchnabel und laufen hinauf bis zu seiner Brust. Ich schlucke. Schaue weiter hinauf zu seinem Gesicht. Drei-Tage-Bart und für einen Mann äußerst volle Lippen. An ihnen bleibe ich einen Moment länger hängen, bevor ich mich zwinge weiter aufzusehen. In seine Augen. Bernstein gelb. Umrandet von einer Fuchsmaske. Es ist keine aus Plastik, wie man sie in jedem Kostümgeschäft findet. Das Fell darauf sieht so täuschend echt aus, dass ich mich frage, ob es von einem Tier stammt.

Seine Haarfarbe unterscheidet sich erstaunlicher Weise kaum von dem Fell der Maske. Wild stehen die Strähnen von seinem Kopf ab. Unsere Blicke treffen sich. Das Atmen fällt mir schwer und meine Lippen fühlen sich trocken an. Es ist, als sehe er in mich hinein. Ein leichtes Grinsen verzieht seine verlockenden Lippen. „Aufmachen!" Er zeigt auf seinen Gürtel. Seine Stimme ein kokettes Raunen. Ich bin so voller Erregung, dass ich in diesem Moment alles für diesen Mann getan hätte. Meine Hände bewegen sich ohne nach zu denken hin zu der silbernen Schnalle. Langsam, bedächtig. Er könnte jeder Zeit auf mich zu springen und-

Mein Handy klingelt. Schweißgebadet und noch immer feucht zwischen den Beinen sitze ich vor Schreck senkrecht im Bett. Atemlos. Es klingelt noch immer. Am Rande nehme ich wahr, wie hell es draußen bereits ist. Durchwühle hastig Kissen und Decken, bis ich das laute Ding in der Hand halte. Ein Anruf von meiner besten Freundin Valerie. Ich gehe ran. Sie fragt, ob es mir gut gehe. Wo ich bleibe. Uhrzeit? Kurz vor Zehn. Meine Augen weiten sich vor Entsetzen. Ich lege schnell auf. Die erste Vorlesung habe ich also bereits verschlafen.

Schnellspringe ich ins Badezimmer, werfe mir die Zahnbürste in den Mund und versuchemich gleichzeitig mit der anderen Hand anzuziehen. Anschließend schnappe ichmir meinen Rucksack. Auf dem Weg zur Uni, fällt mir ein, dass ich gesterneinfach eingeschlafen bin und mein Wecker deshalb nicht geklingelt hat. Ich schaffees gerade noch so zur zweiten Vorlesung an diesem Tag. Erst jetzt, wo ich imHörsaal sitze, erlaube ich es mir durchzuatmen. Der Traum kommt mir wieder inden Sinn. Mein Unterleib reagiert sofort. Was für eine Nacht. Was für ein Kerl.Was würde ich nur dafür geben, wenn das echt gewesen wäre. Ich seufze leise,ziehe meinen Rucksack auf meine Oberschenkel und wühle darin nach meinem Handy.Es ist nicht da. Verdammt. Augen verdrehend lehne ich mich zurück. Das wird einlanger Tag werden.

Red Rose GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt