Angst

107 4 0
                                    

Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte, doch als ich aufwachte, hörte ich Brandon neben mir schnarchen.
Im ersten Moment war ich wütend auf ihn, immerhin hätte uns jederzeit jemand oder etwas angreifen können. Als ich aber dann zu ihm hinübersah wie er dalag, mit seinem Mund leicht geöffnet und die Haare leicht im Gesicht, musste ich lächeln. Sein Kopf war an die kalte Wand der Höhle gelehnt. Anscheinend wusste er nicht, wohin mit ihm. Mit seinem Arm noch immer um mich geschlungen und seine Schulter als mein Kissen, schien er eine ziemlich unbequeme Haltung zu haben.
Langsam lockerte ich seinen Griff, setzte mich aufrecht hin und führte seinen Kopf zu meiner Schulter, damit er ihm ablegen konnte. Brandon murmelte leise etwas, doch schien weiterzuschlafen.

Ich dachte an Helia.
Er war noch nicht wieder da und ich wusste nicht, ob ich mir Sorgen machen sollte oder nicht. Sicherlich war er ein guter Kämpfer und vielleicht hab ich auch nur zwei Stunden geschlafen und er war noch gar nicht so lange unterwegs. Trotzdem schien mir dies ein gefährlicher Ort, zu gefährlich.
Wenn tatsächlich irgendwo hier in diesen Höhlen all unsere größten Feinde auf uns warteten ... und wenn die Mädels bei ihnen waren...

Mir lief es eiskalt den Rücken runter und zum ersten mal spürte ich wirkliche, pure Angst. Und das nicht um mich, sondern um meine Freunde.
Bloom war immer diejenige, die alle wollten. Sie werden ihr nichts tun, wahrscheinlich brauchten sie sie wieder für irgendwas ... Und wenn nicht? Und was mit den anderen? Was wollten sie von uns? Nur Rache oder mehr?

Ich wusste nicht, was sie wollten ... und das störte mich am meisten. Wenn man einen Feind hat, dessen Absichten man kennt, ist es leichter, ihn aufzuhalten. Wenn man aber nicht einmal weiß, was sie wollen.
Würde ich ihnen eine Freunde machen, wenn ich wieder verschwinde und sie in Ruhe lasse oder wollten sie, dass ich zu ihnen komme?
Ich wusste es nicht. Nur einem war ich mir bewusst: Egal ob ich ihnen damit einen Gefallen tat, ich würde alles tun, um meine Freunde zu befreien.

Und woher weißt du, dass sie noch leben?, flüsterte eine Stimme in einem Kopf und mein ganzer Körper spannte sich an.
Nein, sie würden sie nicht töten. Nicht einmal Valtor. Er wusste, dass unsere Lehrer alles für uns tun würden, genauso wie unsere Eltern. Immerhin waren einige von uns Prinzessinnen.
Nein, wir sind nützlich, sie würden keinen von uns töten. Zumindest nicht jetzt.

Und was hält sie davon ab, ihnen Schmerzen zuzufügen?, fragte erneut die Stimme in meinem Kopf und mit einmal sprang ich auf.

Ich musste mich bewegen, ich konnte nicht einfach nur so rumsitzen.
Also ging ich auf und ab, versuchte meine Gedanken loszuwerden.

„Musa?", fragte eine verschlafene Stimme.

Mist. Brandon hatte ich ganz vergessen. Mit meinem plötzlichen Aufsprung hatte er seinen Halt verloren.
Ich sah ihn an. Er stützte sich halb vom Boden auf blickte mit halb zugekniffenen Augen zu mir hinauf.

„Sorry", sagte ich und ging auf ihn zu, um ihm hochzuhelfen. „Ich konnte einfach nicht mehr sitzen. Ich muss irgendwas tun. Ich mein, wie können wir einfach so hier schlafen, während-"

„Musa!", sagte Brandon nun etwas lauter und zog mich an meinen Armen wieder zu sich runter, damit ich mich hinsetzte. Unwillig setzte ich mich neben ihn. Seine Hände hielten weiterhin meine Arme umschlossen.

„Ihnen wird schon nichts ernstes passiert sein", versprach Brandon ihr leise. „Und wir werden sie retten, sobald Helia wieder da ist. Denn so wie's aussieht, geht es deinem Bein wieder besser."

Er hatte recht. Es hatte überhaupt nicht geschmerzt, als ich aufgesprungen war. Langsam bewegte ich es hin und her. Jetzt, wenn ich mich drauf konzentrierte, spürte ich einen leichten Schmerz, aber bei weitem weniger als zuvor. Ich grinste Brandon an.

„Kannst du dich auch verwandeln?", fragte er.

„Das werden wir gleich seh'n", sagte ich. „MUSA ENCHANTIX!"

Ich spürte sofort, dass es funktioniert hatte, als eine gewisse Macht durch meinen Körper strömte. Mir war nicht klar, wann ich mich das letzte Mal so voller Energie gefühlt hatte. Aber es war ein gutes Gefühl, ein sehr gutes sogar. Es gab mir Hoffnung.

„Okay, worauf warten wir jetzt noch. Auf zu den anderen!", rief ich, doch Brandon unterbrach mich: „Hey, hey, hey. Warte mal. Wir müssen auf Helia warten. Und außerdem wissen wir nicht mal, in welche Richtung es geht. Wir müssen es erstmal langsam angehen", sagte er und fügte noch mit einem Lächeln hinzu: „Auch wenn es schön ist, dich voll und ganz wieder zu haben."

„Wieso, war ich weg", antwortete ich ihm ebenfalls grinsend.

Brandon sagte nichts darauf, sondern streckte nur seine Hand aus.

„Komm, helf mir hoch. Ich glaub, mein Bein ist eingeschlafen und ich bräuchte mal etwas Bewegung."

Ich beugte mich zu ihm und griff seine Hand, doch als ich ihn hochziehen wollte, zog er kräftiger und ich landete leicht über ihn gebeugt auf dem Boden.
Ich hatte keine Ahnung, warum er das getan hatte, doch im selben Moment noch schien er es zu bereuen. Er sah beinahe verstört aus.
Mir fiel auf, dass unsere Gesichter so nah beieinander waren, dass ich seinen warmen Atmen auf meiner Haut spüren konnte, und sofort drehte ich mich von ihm weg, damit er nicht sehen konnte, wie die Farbe in mein Gesicht stieg.

Gerade überlegte ich, was ich sagen sollte, als mit einmal ein Geräusch von der Richtung der Höhle kam, in die Helia gegangen ist. Sofort saß ich aufrecht da, doch es war nicht Helia, der da stand, sondern Riven, mit zerrissenem Anzug, einer blutenden Wunde an der rechten Schulter und kaltem Gesicht.

Problem Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt