Riven II

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Ziellos ging ich durch die Dunkelheit, tastete mich an den feuchten und kalten Höhlenwänden entlang und konnte nur hoffen, bald einen Weg hier raus zu finden.

Mandragoras Monster war ich losgeworden, so viel stand fest. Obwohl, eigentlich hoffte ich das auch nur. Ich wusste nicht, was diese Hexe wollte und was sie machen würde. Vielleicht lief ich ihr gerade direkt in die Arme und merkte es nicht einmal.
Doch um ehrlich zu sein, war mir das fast egal. Fast. Denn ein Gedanke hinderte mich daran, einfach aufzugeben: Ich musste Musa retten!

Mir war es egal, was sie von mir halten mochte, doch ich konnte sie nicht dort lassen.
Ich hatte sie nicht verlassen wollen. Diesmal war es nicht meine Schuld. Das ließ ich wieder und wieder auf mich einwirken, und wie eine gute Medizin schien es zu wirken. Denn es war wahr. Oft war ich Schuld gewesen oder hatte mir die Schuld geben, aber dieses eine mal hatte ich alles richtig gemacht. Doch Musa schien Brandon - oder eher Valtor in Brandons Gestalt - mehr vertraut zu haben als ihm.

Noch immer schwirrte vor ihm das Bild, wie Musa fast auf ihm gelegen hatte, als er die beiden vor unendlich langer Zeit gefunden hatte. Sicherlich, es war Valtor und nicht der tatsächliche Brandon gewesen. Aber Musa hatte das zu dieser Zeit genauso wenig gewusst wie er. Und die beiden hatten so ... vertraut gewirkt. Was war, wenn schon länger etwas zwischen Brandon und Musa lief?

Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich damit die unerträglichen Gedanken zerstreuen, die ihn so schwer machten. Brandon liebte Stella, das wusste jeder. Er würde sie nie betrügen, für keine Frau der Welt. Ich würde Musa auch nie betrügen, dachte ich bitter, als mir der Kuss wieder einfiel. Etwas war damals falsch gelaufen, doch ich wusste nicht, was. Ich kannte dieses Mädchen nicht, mochte dieses Mädchen nicht, liebte sie nicht. Aber Musa liebte ich, dass wusste ich.

Mit einmal blieb ich stocksteif stehen. Ich hatte ein Geräusch gehört und wenn ich mich nicht irrte - und ich irrte mich niemals - dann kam es direkt auf mich zu.
Hier in diesen Höhlen gab es nichts, wo man sich verstecken konnte. Nur Gänge, die in eine Richtung führten. Und man konnte nur hoffen, dass man in die richtige ging.
Das Geräusch kam näher. Jetzt hörte ich heraus, dass es Schritte waren. Menschenschritte, zu meiner Erleichterung. Ich hätte es nie im Leben mit einem weiteren von Mandragoras Rieseninsekten aufnehmen können, dafür war ich zu schwach. Das würde ich natürlich niemals jemandem sagen. Tatsache war jedoch, dass ich nie die Zeit oder das Licht hatte, meine Schulter zu untersuchen. Ich spürte, dass sie aufgehört hatte, zu bluten, doch die Wunde war noch immer offen und ich hatte eine Menge Blut verloren. Meinen Arm konnte ich kaum noch bewegen und sollte mich jemand angreifen, wäre das mein Ende.

Trotz allem würde ich nicht kampflos aufgeben, niemals. Auch wenn ich mir sicher war, dass so oder so niemand erfahren würde, wie ich gestorben war. Falls mich jemals jemand finden würde.

Die Schritte kamen näher und ich konnte ein Licht um die Ecke kommen sehen. Wer auch immer es war, er konnte etwas sehen, was bedeuten würde, ich musste nicht in völliger Dunkelheit kämpfen.

Ich ging schon in die Knie, das Leuchtschwert in der einen Hand, einen Bumerang in der anderen. Ich war bereit für einen Kampf.
Gerade wollte ich mich zum Angriff bereit machen, als die Gestalt um die Ecke kam und ich vor Überraschung alles fallen ließ. Auch die Person blieb wie angewurzelt stehen. Das Gesicht war voller Schmutz und die Knie aufgeschlagen, doch diese Haare würde ich überall erkennen.

„Helia", sagte ich beinahe ausdruckslos.

„Riven", erwiderte Helia, jedoch mit großer Überraschung in der Stimme. „Dir geht es gut." Helia warf einen Blick auf meine Schulter, sagte aber nichts mehr.

„Ja, ich konnte fliehen." Meine Stimme war noch immer wie Stein. Ich freute mich, endlich jemanden zu sehen, den ich kannte, doch einerseits war ich nie gut mit Gefühlen und andererseits schon einmal ausgetrickst worden. Plötzlich hob ich mein Schwert wieder auf und richtete es auf Helia. Dessen Augen weiteten sich.

„Als wir das letzte mal sprachen, hast du mir einen Rat gegeben", meinte ich. Helia war noch immer überrascht, doch nickte er. „Was hast du gesagt?"

Helia runzelte die Stirn, doch antwortete er: „'Gib sie nicht auf'. Das waren meine Worte, soweit ich mich erinnern kann."

Langsam ließ ich das Schwert wieder sinken und nickte. Es war Helia.

„Wieso...?", fragte er.

„Ich wurde schon einmal getäuscht", meinte ich nur, ohne auf Einzelheiten einzugehen. „Ich wollte nur sicher gehen, ob es auch wirklich du bist."

„Verstehe", sagte Helia. „Jetzt erzähl doch mal, was geschehen ist."

Und ich begann zu erzählen. Davon wie ich entkommen konnte, meinen Kämpfen und letztendlich auch von dem falschen Brandon und Musa.

Nach einer langen Pause meinte Helia: „Du willst sie retten, oder?"

Ich nickte nur.

„Du kannst das aber nicht allein tun", sagte er.

„Dann hilf mir." Ich sah ihn erwartungsvoll an.

„Das tue ich", sagte Helia. „Jedoch nicht, indem ich da reinrenne und versuche, gegen diese Verrückten zu kämpfen. Das wäre Selbstmord."

„Und wie dann?"

„Ich glaube, ich habe den Weg hier raus gefunden. Lass uns das Schiff reparieren und nach Magix fliegen, um Hilfe zu holen. Das ist unsere einzige Möglichkeit."

Ich überlegte kurz. Helia hatte recht, allein hatten sie keine Chance auf einen Sieg. Sie brauchten Hilfe. Ich nickte.

*


Helia hatte recht gehabt mit dem Ausgang.

Als das helle Sonnenlicht auf uns beide schien, musste ich meine Augen mit der Hand abschirmen, so sehr ich auch das Gefühl der Sonnenstrahlen genoss. Es tat unbeschreiblich weh in denAugen.

Wir brauchten eine Weile, bis wir uns an das Licht gewöhnt hatten, dann machten wir uns an die Arbeit.

„Es scheint ganz schön was abbekommen zu haben", meinte Helia, als er das Schiff betrachtete.

„Denkst, wir kriegen es wieder zum Laufen?", fragte ich ihn.

Helia nickte. „Du bist unser bester Flieger und ich bin nicht unerfahren, was das Bauen von Flugzeugen betrifft."

Ich erinnerte mich daran, dass Helia schon vor Jahren einmal auf der Roten Fontäne war und fragte mich, was er tatsächlich alles konnte, behielt diese Frage aber für mich.

„Dann mal ran", meinte ich nur.

Wir arbeiteten mehrere Stunden daran. Als wir aus den Höhlen gekommen waren, stand die Sonne hoch und hell am Himmel, nun jedoch wurden wir schon in das Rot der Abenddämmerung gehüllt.

Ich fragte mich, ob wir jemals fertig werden würden, als Helia erneut einen Start versuchte. Diesmal schien der Motor länger als zuvor zu laufen. Ich wartete einen Moment, doch er schien nicht wieder auszugehen.

Ich lächelte erleichtert und konnte Helia jubeln hören.
Endlich konnten wir von hier verschwinden.

Ich komm dich retten, Musa. Halte durch!

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