Ilianas Sicht
Wir hatten uns alle um einen großen Tisch versammelt. Mit „alle“ sind Luc, Marenia, Kilian, Kyrie, Eliot, zwei Männer und eine Frau, die ich nicht kannte, und ich gemeint. Eliot hatte einen Lageplan von einer Burg an die Wand projiziert. Sie sah sehr verzweigt aus. Ein Saal war markiert. Dies war der Saal, den ich in meinen Visionen von meinem Vater gesehen habe. „Hier wird sich Claude aufhalten. Das heißt, hier ist eines unserer Ziele“, Luc deutete auf den markierten Saal. „In dieser Burg wird es nur so wimmeln von Vampiren. Zwar sind manche von ihnen nicht freiwillig dort, aber sie werden loyal handeln. Ein anderes Problem sind die Lakaien. Doch sobald Claude tot ist, wird es die nicht mehr geben. Wir müssen so schnell wie möglich zu Claude gelangen, ansonsten haben wir das Problem, dass wir zu vielen Lakaien und Vampiren gegenüberstehen. Unser oberstes Ziel ist es aber, Ada und Sinata zu befreien.“ Ein kollektives Nach-Luft-Schnappen ging durch den Raum. Sinata, die Gefährtin von Wesley, die von Claude gefoltert wird. Einer der Männer, die ich nicht kannte, stützte sich auf dem Tisch ab und lehnte sich vor: „Woher willst du wissen, dass Sinata dort ist?“ Seine braunen Augen fingen an, rot zu funkeln, als er Luc fixierte. Der Mann hatte schwarzes Haar und einen orangen Ring um den Hals, genauso wie Eliot. „Wenn wir unserer Quelle Glauben schenken können, dann ja, Enrique“, beantwortete Luc die Frage. Enrique sah misstrauisch aus: „Wieso sollte eure Quelle glaubwürdig sein, sie ist das Schoßhündchen von Claude!“ „Sie ist vollkommen glaubwürdig!“, schaltete sich Kilian ein und beendete damit die Diskussion. „Sinata ist wahrscheinlich in einem von den Verließen“, fuhr Luc fort und deutete auf eine Gruppe von Räumen auf dem Lageplan. Achso, das war es also, was Ada Kilian ins Ohr geflüstert hat. „Wir werden uns aufteilen und in Gruppen agieren. Kilian, Enrique und Marenia werden sich darum kümmern, dass Ada und Sinata da rauskommen. Serafina und Noah, ihr werdet vorne bleiben und die Vampire und Lakaien ablenken und so viele wie möglich töten.“ Den letzten Satz sagte er an die beiden gerichtet, die ich nicht kannte. Noah war blond und hatte blaue Augen, doch in diesen Augen spiegelte sich nur Kälte. Auf seinem Hals konnte man eine lange Narbe und einen dunkelblauen Ring sehen. Dunkelblau? So wie bei Marenia. Ich sollte Kyrie wirklich mal fragen, was diese ganzen Farben bedeuten. Die Frau, Serafina, hatte schwarzes Haar, das sie zu einem hohen Zopf zusammengefasst hatte. Ihre Augen leuchteten in einem milden Grün. Sie wirkte distanziert, aber nicht kalt wie Noah. Ihr Ring war dunkelgrün, so wie der von Marry, der Frau, die für mich gekocht hat. Also ist sie eine Fee. Die beiden nickten zur Zustimmung, und Luc fuhr fort: „Kyrie und ich gehen direkt zu Claude. Eliot kümmert sich wie immer um die ganzen technischen Sachen.“ Luc beendete die Rollenverteilung. Ich runzelte die Stirn. „Luc, was soll ich tun?“ Er überlegte kurz, sagte dann jedoch: „Ich glaube, es wäre besser, wenn du hierbleiben würdest.“ Jetzt war ich diejenige, die sich auf dem Tisch abstützte. „Hör mal zu, ich werde ganz sicher nicht hierbleiben und Däumchen drehen, während ihr alle dort seid und euer Leben riskiert! Ich komme mit, ob ihr wollt oder nicht. Du kannst dir aussuchen, ob ich dabei bin und auf dich höre oder ob ich dabei bin und einen scheiß drauf gebe, was du sagst! Außerdem wird es mit mir viel leichter sein, in die Burg zu kommen, ohne bemerkt zu werden. Ich kann die Sicht von allen verschleiern“, brauste ich wütend auf. „Vielleicht ist das keine so gute Idee. Als du das letzte Mal das gemacht hast, bist du zusammengebrochen", meinte Kyrie beschwichtigend und legte seine Hand auf meine. „Ja, ich bin zusammengebrochen, weil ich ein paar Sekunden davor eine Vision gehabt hatte, wie du fast gestorben bist! Außerdem vertrage ich die Visionen viel besser, seitdem ich dein Blut trinke. Es macht mich stärker! Wieso sollte meine Verschleierung dann nicht auch besser klappen, ohne dass ich zusammenklappe?“ Um meine Worte zu unterstreichen, zog ich alle in eine Verschleierung und ließ sie überall Feuer sehen. Alle außer Kyrie fuhren zusammen und blickten sich erschrocken um. Ich ließ mich auf den Stuhl zurückfallen und entließ gleichzeitig alle aus der Verschleierung. „Also? Ich bin nicht einmal etwas erschöpft und ich habe die Verschleierung bei euch allen angewendet!“, sagte ich und fixierte Luc. Er sah sich sicherheitshalber noch einmal um, wahrscheinlich um zu überprüfen, ob wirklich nirgendwo noch eine Flamme war, und nickte dann ergeben: „Okay, gut, du kannst mitkommen. Dann gehst du mit Kilian mit und Marenia kommt dafür mit uns. Wir können ruhig mehr Kampfkraft gebrauchen.“ Er lächelte Marenia an, sie zwinkerte ihm zu.
Luc erklärte den einzelnen Gruppen genau, was sie zu tun hatten. Als er fertig war, sagte er noch in die Runde: „So, okay, das wäre es dann an Besprechung. Wir greifen in der Abenddämmerung an. Bis dahin ruht euch aus, damit ihr fit seid. Ich will nicht, dass irgendjemand denkt, er müsse sich vorher auspowern, nur damit er dort sein Leben aufs Spiel setzt. Ich will keine Toten auf unserer Seite. Verstanden?!" Ein kollektives Nicken ging durch den Raum und die Versammlung löste sich auf.
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Nie vergessen
Fantasy1. Teil Nie Vergessen 2. Teil Nie Versprochen Immer wieder nett, wenn man spazieren geht und neue Leute kennenlernt, nicht wahr? Einerseits ja, wenn es „die Liebe deines Lebens" ist, ob du nun willst oder nicht. Andererseits nicht, wenn man dann erf...