Kapitel 16

168 11 0
                                    

„Fahrt vorsichtig und haltet mich auf dem Laufenden", forderte Henry und Dipper nickte müde, kniff kurz die Augen zusammen.
„Versprochen. Und danke noch einmal für Ihre Hilfe."
Der Animator nickte nur, schüttelte die ihm dargebotene Hand. Der Dämon saß bereits auf dem Beifahrersitz des alten Chevrolet, die Arme vor der Brust verschränkt und den Blick starr auf die Straße gerichtet.
Es war noch dunkel, aber Dipper hatte nicht mehr weiterschlafen können. Nicht, nachdem seine wirren Träume ausgeufert waren und ihn schweißgebadet hatten aufwachen lassen. Der junge Pines war sich ziemlich sicher, dass Bill seine Finger dabei im Spiel gehabt hatte.
Mit einem Gähnen ließ er sich auf den Fahrersitz fallen, nahm einen Schluck aus seinem Thermobecher.
Kaffee würde schon irgendwie helfen....
„Gut, wo willst du jetzt genau hin?"
„Zu Sechser", war die knappe Antwort und Dipper seufzte.
„Dann müssen wir wohl oder übel zurück nach Gravity Falls."
Nicht, dass er sich nicht freuen würde, aber er hatte kein gutes Gefühl dabei, den Dämon zurück in diese Stadt zu bringen.
„Worauf wartest du dann noch? Brauchst du eine schriftliche Einladung?", zischte Bill, nahm seinen Blick noch immer nicht von der Straße weg.
Seine sonst perfekten Haare wirkten etwas zerzaust, doch noch schlimmer war der dunkle Ring, der sich unter seinem sichtbaren Auge gebildet hatte.
Es passte nicht zu dem Dämon menschlich zu wirken – verletzbar.
Dipper atmete tief durch, startete den Motor.
Kurz warf er einen letzten Blick zurück zu Henry, welcher ihnen nachsah, dann fuhr er an. Bis auf das Knistern im Radio senkte sich Stille zwischen sie, unangenehme, bedrohliche Stille.
Was tat Dipper hier gerade?
Er saß mit seinem größten Feind in einem Wagen und fuhr mit ihm nach Gravity Falls.
Alleine!
Egal was unterwegs geschehen würde, Bill konnte es immer als einen Unfall hinstellen und damit davon kommen.
Für die Polizei wäre nichts Verwertbares zu finden – keine Dokumente, keine Fingerabdrücke, nichts.
Es war das reinste Selbstmordkommando!
Und dennoch fuhr er weiter.
Hinaus aus der Stadt, über Dörfer und verlassene Straßen, hinein in die verschneiten Wälder.
Die Sonne erhob sich langsam am Horizont, sein Kaffee war schon lange leer und zu seinem größten Erstaunen hatte sich der Traumdämon noch immer nicht bemerkbar gemacht. Stumm und emotionslos starrte er aus der Windschutzscheibe.
Wenn er ehrlich war, machte diese Emotionslosigkeit Dipper mehr Angst, als wenn der Dämon um sich geschlagen und seinen Zorn freigelassen hätte.
Er wusste aus eigener Erfahrung, was geschehen konnte, wenn man seine Emotionen einschloss – irgendwann würden sie unkontrolliert explodieren.
Er hoffte nur, dass er nicht in der Nähe war, wenn es soweit war.
Inzwischen hatte sein Radio einen funktionierenden Sender gefunden und eine verrauschte Version von „Battle Scars" von Paradise Fears beendete die Stille.
Die Spannung jedoch blieb.
Gegen Mittag wollte Dipper seinem Hunger nachgeben und einen kurzen Stopp an einem Straßenrestaurant einlegen, doch der einfache Umstand, dass sich Bill aus seiner Starre löste und ihm einen eiskalten Blick zuwarf, brachte ihn auch schon wieder von seinem Vorhaben ab.
So fuhr er mit knurrendem Magen weiter, versuchte seine Konzentration aufrecht zu erhalten.
Immerhin hatte er das Glück, dass sich dieses Salem nicht in Massachusetts befand. So mussten sie nicht einmal quer durch Amerika fahren.
Verständlich war deswegen die Erleichterung, die ihn durchflutete, als sie endlich das Ortsschild von Gravity Falls passierten.
Es war etwas Ähnliches wie nach Hause zu kommen, nach Monaten wieder zurück in die Stadt, in der alles seinen Anfang genommen hatte. Auch wenn er Gravity Falls noch nie im Winter gesehen hatte.
Alles war mit einer flauschigen Schicht Schnee bedeckt, die Menschen stapften mit einem Lächeln in ihren dicken Jacken durch die Straßen, ein paar Kinder lieferten sich eine Schneeballschlacht.
Vor der großen Mall hatte man bereits einen Tannenbaum aufgestellt und Tyler Cutebiker, sowie Pacifica Northwest und noch ein paar andere hatten angefangen ebendiesen mit Lichterketten und Lametta zu schmücken. Ein paar von ihnen winkten ihm zu und er erwiderte es.
Der Weg zur Mystery Shack war tief verschneit, sein armer Chevrolet hatte ziemlich damit zu kämpfen vorwärts zu kommen.
Doch letztendlich hatte sich die Mühe gelohnt.
Warme Lichter empfingen ihn und in dem Moment, als er vor der malerisch verschneiten Shack den Motor abstellte, öffnete sich die Tür und ein roter Haarschopf sah heraus.
Ein breites Lächeln legte sich auf sein Gesicht, als er ausstieg und Wendy ihm um den Hals fiel.
„Hey, Babe. Wo warst du nur so lange?", lächelte sie und er vergrub sein Gesicht in ihrer Schulter.
„Eine lange Geschichte, Schatz", murmelte er, fuhr mit einer Hand durch ihre langen roten Haare.
Erst die zuschlagende Beifahrertür erinnerte ihn wieder daran, weshalb er überhaupt zurück gekommen war.
Langsam löste er sich aus der Umarmung, gab ihr davor jedoch noch einen flüchtigen Kuss.
„Du weißt nicht zufällig, ob Ford zuhause ist?"
„Der alte Griesgram sitz unten in seinem Labor, zusammen mit Stanley", antwortete sie und ihr Blick heftete sich auf Bill.
„Was macht der fiese Dorito hier?"
„Erklär ich dir alles später", seufzte Dipper und wandte sich Bill zu.
„Im Labor unten."
Der Dämon nickte, richtete seine Fliege und stapfte los. Nach einem letzten entschuldigenden Blick zu seiner Freundin folgte Dipper ihm.
„Du hast die Feuerlocke doch noch um den Finger gewickelt, hätte ich nicht erwartet", meinte Bill und kurzzeitig kehrte das hinterlistige Funkeln zurück in sein goldenes Auge.
„War reiner Zufall", winkte Dipper ab, doch Bill lachte nur leise.
„Letztes Jahr oder kurz nachdem ich und Cassandra die Stadt verlassen haben?"
„Argh...Wenn du es unbedingt wissen willst: vor gut dreizehn Monaten sind wir zusammen gekommen", brummte er, schlug den Kragen seiner Lederjacke nach oben, versuchte somit sein Gesicht zu verstecken.
Am Snackautomaten angekommen gab er den Code ein und hielt dem Dämon dann den Zugang auf.
„Egal was die beiden jetzt da unten machen, provoziere bitte keinen Streit", seufzte er und Cipher warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
„Du hast mir gar nichts zu sagen, Gummibaum."
„Dann tu es um unsere Chancen Cassandra zu retten anzuheben", hielt er dagegen, betätigte den Fahrstuhl.
Daraufhin schwieg der Dämon wieder.

Gravity Falls - AlptraumlabyrinthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt