Kapitel 29

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Ich saß auf dem kleinen grauen Stuhl, verschränkte die Arme vor der Brust.
Dumm.
Das war das einzige Wort, mit dem sich meine Situation beschreiben ließ.
Ich war dumm gewesen, mich an diese Größe zu wagen, und es handelte sich um einen dummen Zufall, dass genau in diesem Moment die örtliche Polizeistreife an der Ladentür vorbeischlenderte.
Von allen möglichen Menschen in der Mall mussten es ausgerechnet die Polizisten sein...
Meiner Mutter würde das überhaupt nicht gefallen.
Ich seufzte und strich mir die langen blonden Haare zurück. Dafür musste ich jedoch meine trotzige Haltung aufgeben, was mich letztendlich so alt aussehen ließ, wie ich wirklich war – 19 verdammte Jahre.
Sollte eine Anzeige gegen mich gestellt werden, hätte ich richtige Schwierigkeiten.
In diesem Moment öffnete sich eine kleine graue Stahltür und ein stämmiger, schlecht gekleideter Kaufhausdetektiv betrat die kleine Zelle, eine kleine Wasserflasche in der Hand, die er mir zuwarf.
„Nun, wo beginnen wir?", brummte er und betrachtete mich aus seinen schmutzig-braunen Augen.
Ich hielt dem Blick stand und schwieg.
„Von deinem Ausweis wissen wir deinen Namen, Cassandra Smith. 19 Jahre alt, hat letztes Jahr das Kollege abgebrochen, hält sich mit drei Gelegenheitsjobs über Wasser...Die Mutter liegt im Krankenhaus, stimmt das?"
„So ungefähr", entgegnete ich giftig und er seufzte.
„Was denkst du, wird sie davon halten, wenn sie erfährt, dass du stiehlst?"
„Sie weiß es bereits...und es gefällt ihr nicht – aber wir haben nichts anderes!", hielt ich entschlossen dagegen und er hob eine Augenbraue.
„Erkläre."
„Ich bin nicht freiwillig aus der Schule ausgetreten, aber nach drei Jahren ist der Krebs zurück gekommen...Wir konnten uns es nach einiger Zeit buchstäblich nicht mehr leisten, dass ich in die Schule gehe – die Therapie benötigt zu viel Geld..."
Mir versagte die Stimme und deshalb nahm ich einen Schluck von dem Wasser, das er mir mitgebracht hatte.
„Ich denke, ich verstehe... Die Jobs werfen nicht genug Geld ab..."
Ich zuckte mit den Schultern, seufzte.
„Gerade so viel, dass ich gerade so alle Rechnungen zahlen kann. Lebensmittel schenkt mir die Nachbarin. Aber man braucht nicht nur Lebensmittel."
„Aber wofür braucht man drei Bücher aus einer Wühlkiste?"
„Logisch...ich nehm drei runter reduzierte Bücher mit, das schmerzt den Laden nicht zu sehr und verkaufe sie für den regulären Preis weiter, damit ich langsam das Geld für die kaputte Waschmaschine zusammen bekomme."
Er senkte den Blick und ich schloss die Augen, fuhr mir über das Gesicht.
Es war nicht angenehm, ausgerechnet mit einem Fremden über meine Probleme zu reden, aber gleichzeitig war es auch befreiend.
Obwohl ich ahnte, dass er nicht verstand, was mich so beschäftigte.
Wenn der Krebs nicht wäre...
Dann würde ich jetzt vermutlich in der Schule sitzen, meinen Lehrern zuhören und irgendwelche Notizen aufschreiben, auf dass ich für meine Abschlussprüfungen genügend vorbereitet war.
Aber das Schicksal hatte anders mit mir vor...
„Was hast du sonst noch gestohlen?"
„In ihrem Laden? Nichts. In anderen hingegen so Kleinigkeiten...Glühbirnen, einen Notizblock, Pflaster, eine Schere und einmal Schokolade für meine Mutter", gestand ich und strich mir dabei nervös über den Nacken.
„Ich verstehe...", murmelte der Mann, warf mir einen kurzen Blick zu und verließ dann die kleine Zelle, ließ mich wieder mit der summenden Neonröhre an der Decke allein.
Ich hätte es wissen müssen...

Gravity Falls - AlptraumlabyrinthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt