Au milieu de nulle part

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Alexander

29. März 1935

Durch einen schmerzhaften Tritt in die Magengrube werde ich aus der Dunkelheit gerissen. Ich keuche auf und versuche mich dann aufzurichten. Meine Hände sind hinter meinem Rücken gefesselt und auch meine sind aneinander gekettet. Mein Kopf und mein Arm ergaben einen Schmerz, wegen dem ich heulen könnte. Aber ich verkneife es mir.

Ich sehe mich um. Ich bin in einem kalten Raum, der von Fackeln erleuchtet wird. In jeder Ecke steht ein Soldat. Ernst sehen sie in den Raum. Neben mir steht ein weiterer. Einige Meter vor mir steht eine Art Thron. Darauf sitzt kein anderer als Valentine Morgenstern. Grinsend sieht er auf mich herunter.

Ich kann diesen Menschen nur wütend anfunkeln. Ich weiß nicht wie man so ein kaltes Herz haben kann. Was geht in seinem Kopf vor das er so etwas den Menschen antun kann. "Ihr seid endlich wach. Wurde auch mal Zeit." Leise schnaube ich. Es hallt durch den ganzen Raum. Hätten mich seine Männer nicht nieder geschlagen hätten.

"Alexander Gideon Lightwood, ihr seid beschuldigt mehrere Straftaten begannen zu haben." Ich dachte immer das spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen wäre, wo ich irgendeine Handlung bereue. Doch das ist nicht der Fall. Ich bin eher stolz, trotz allem, den Mut gefunden zu haben, die liebe zu fühlen. Egal zu welchem Geschlecht.

Eigentlich bereue ich nur eine Sache. Ich habe Magnus nie wirklich gesagt das ich ihn liebe. Nie kamen die drei Wörter über meine Lippen und das was ich zu ihm gesagt habe, erscheint mir viel zu wenig. Werde ich denn jemals wieder die Chance haben es ihm zu sagen? Ich hoffte nur das es ihm gut ging. Ihm durfte nichts passieren. Das war alles was ich wollte.

"Sie sollen eine verbotene Liebe gedeckt haben. Genau so wie ihren Chef, der ein Spion gewesen ist und zu guter letzt, sollen sie einen Mann lieben." Valentine Morgenstern stand auf und kam langsam auf mich zu. "Und was ist daran falsch?" frage ich dann. Auch wenn es jetzt vielleicht schlauer wäre nichts zu sagen. Aber mein Kopf und mein Mund sind da anderer Meinung. Man muss diesem Mann auch mal die Stirn bieten. Klar, habe ich Angst aber sie hat momentan keine Kontrolle über mich.

"Was daran falsch ist? Männer sollten sich nicht gegenseitig lieben." Er konnte wahrscheinlich noch nie logisch denken. "Liebe ist etwas über das wir keine Macht haben. Sie ist so viel stärker als alles andere. Stärker als diese Herrschaft, stärker als das ganze Sonnensystem." Ich bin froh das meine Stimme nicht nachgibt. In mir fließt das Adrenalin und verdrängt so auch die Angst. "Ihr seid krank." Ich schüttle nur den Kopf. "Nein, wenn jemand von uns beiden krank ist, dann seid ihr das. Ihr verbietet das menschlichste."

Der Herrscher wird rot vor Wut bei diesen Worten. "Liebe zwischen zwei Männern ist nicht menschlich." Er schreit mich an. Aber das geht an mir vorbei. "Liebe kennt kein Geschlecht. Man sagt nicht ohne Grund man liebt mit dem Herzen." Ich atme tief durch. "Es ist egal was ich jetzt noch sage. Die Wahrheit ist doch das viele Menschen ihre Blockaden gar nicht lösen möchten. Denn dann hätten sie keine Ausrede mehr, um ihr Leben endlich anzupacken und das zu tun, was sie sich vorgenommen haben. Es ist egal was sie jemals durch machen mussten, aber das was sie machen ist einfach nur abartig."

Ich bekomme einen erneuten Tritt in die Magengrube. Mir entweicht ein keuchen. "Bringt diesen Bastard zurück in die Zelle. Ich werde mir überlegen wie er sterben soll." Ich kann diesen Mann der für soviel leid gesorgt hat, nur anstarren. Seine Anhänger ziehen mich auf meine Beine. "Ach wartet noch. Wer ist dieser andere Mann?"

Ich lächle leicht. "Dieser Mann weiß nichts. Er ist normal und führt ein Leben wie ihr es vorgebt." Valentine Morgenstern lächelt mich an. "Viele würden jetzt sagen wie selbstlos ihr doch seid. Verraten von einem Freund und jetzt schützt ihr auch noch die anderen."

Meine Gedanken wandern zu Kieran. Natürlich bin ich enttäuscht, weil er mich am besten verstehen müsste. Er liebt selbst einen Jungen und ist jetzt durch diesen Verrat wieder auf freien Fuß. Er hätte meinen Namen nicht sagen müssen. Aber ich weiß auch nicht, was ich getan hätte um Magnus zu schützen. Vielleicht mich selbst geopfert. Vielleicht auch aber Kieran' Namen gesagt. Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht wie ich reagieren würde, wenn ich ihm jemals wieder gegenüber stehe. Wir Menschen reagieren meistens aus dem Effekt.

"Das wird euch nicht viel bringen. Ihr werdet morgen sterben, wegen bewiesener Krankheit und danach? Danach beginnt der Krieg und eure Liebsten werden ebenfalls dem Tode geweiht sein." Wütend funkle ich dieses Monster an. Ich habe nicht Angst um mein eigenes Leben. Es zählt nur Magnus und meine Familie. Ihnen darf nichts passieren. Wenn ich sie nur in Sicherheit wissen könnte. Ich hätte dafür sorgen müssen.

"Ihr werdet scheitern, sei es jetzt oder erst in ein paar Jahren. Irgendwann werdet ihr eures eigene Ende herbei wünschen." Der eine Soldat schlägt auf meine Schusswunde. Ich verziehe keine Miene.

Endlich führen sie mich ab. Das Gelände ist weitläufig. Ich erkenne nicht viel. Große Scheinwerfer blenden mich und so versuche ich nur mit Schritt zu halten. Das Adrenalin verlässt meinen Körper, mit dem Blut was aus meinen Wunden heraus tropft. Ich bin müde und die angrenzende Bewusstlosigkeit scheint mich wieder zu holen.

Immer mal höre ich weit entfernte Schreie oder gequälte Geräusche. Es ist schrecklich. Ich möchte nur hier weg, in Magnus Arme. Ich will einfach wieder seine Nähe spüren. Ich vermisse ihn so schrecklich. "Nicht trödeln, du Widerling." Die Männer schubsen mich in eine Hütte. Sie ist klein und trotzdem sehen mich über zwanzig Augenpaare an. Dieser Tag war zu viel und so breche ich einfach wieder zusammen. Ich träume nicht, da ist einfach diese kalte Dunkelheit, die mich fesselt.

Von meiner Umgebung bekomme ich nichts mehr mit. Zu sehr ist mein Körper darauf konzentriert gegen den Schmerz anzukämpfen. Morgen sollte also mein Todestag sein. Mein letzter Wunsch wäre Magnus Sicherheit.

Au milieu de nulle part [französisch] - Mitten im Nirgendwo

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