Kapitel 18

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[Aurelians Sicht]

Ich stand gerade mit meinem Tischpartner aus Kunst in der Aula. Eigentlich sollte ich nur sein Porzellanprojekt begutachten. Aber dann kamen wir zu anderen Themen und ich durfte den Halter für das Projekt spielen. Er erzählte mir Dinge, die ich nicht glauben wollte: "Es ist aber wahr. Bevor Shiro letzte Woche Donnerstag zu dir ging, war er noch mit Emma und Abigail im Klub feiern und sie haben sich geküsst. Du kannst sie fragen gehen. Vielleicht haben sie auch Bilder". "Entschuldigung, aber davon will ich doch keine Bilder sehen! Außerdem würde Shiro so etwas nicht tun! Er mag mich!", lehnte ich weiterhin stur ab. "Warum geht ihr beide dann nicht zum Homecoming-Ball?", fragte er nach. "Weil ich ihn zuerst gefragt habe und er wollte nicht zum Tanz generell gehen. Dann habe ich Eddie gefragt und er hat zugesagt. Jetzt hat mich Shiro doch gefragt, aber ich kann Eddie nicht mehr absagen. Das wäre gemein", erklärte ich etwas gereizt.

Er neigte seinen Kopf mit leichtem Misstrauen: "Mit wem geht Shiro denn jetzt?". "Wahrscheinlich gar nicht", zuckte ich mit den Schultern. "Das wünschst du dir, oder?", er schnalzte mit der Zunge, "Habe gehört, ein Junge namens Shiro hilft einer süßen Cheerleaderin für Homecoming aus". "So viel habe ich auch schon mitbekommen, danke. Sie heißt Delia und hat selbst gesagt, dass es als Entschädigung dafür ist, dass er ihren Milkshake aus Versehen verschüttet hat. Na und? Das ist nur höflich", blieb ich stur. Er zeigte über meine Schulter hinweg. Da sah ich, wie Shiro gerade um die sechs Blumensträuße aus Rosen an Delia überreichte. Unsicher werdend zischte ich mit den Augen rollend: "Auf solchen Bällen findet man häufig Rosen als Deko. Da ist rein gar nichts dran". "Die Show ist noch nicht vorbei", meinte er, die angebliche Show beobachtend. Auch ich drehte mich wieder um. Ich wurde Augenzeuge davon, wie Shiro ihr eine einzelne Rose so schenkte und sie fiel ihm um den Hals. Schließlich küsste er sie auf die Wange.

Ich verlor meine Fassung und mir fiel das Kunstprojekt von meinem Tischpartner aus der Hand. Es zerbrach auf dem Boden. Das war nicht das Einzige, was so zerbrach... Alle Aufmerksamkeit wurde auf uns gerichtet. Vor allem dann, als der Besitzer dieses Projektes aufschrie: "Aurelian! Mein Projekt!". "O- oh! Tut mir schrecklich leid! Ich repariere das für dich!", ich ging schon auf die Knie und sammelte die Scherben auf. Er meckerte mich weiterhin an: "Ich brauche das Projekt in zehn Minuten!". "E- es könnte knapp werden", nervös kratzte ich mir den Hinterkopf. Wütend stapfte er davon: "Gott verdammt, Aurelian! Das war meine einzige Chance auf wenigstens eine gute Note auf meinem Zeugnis!". Aber das Jahr ging doch noch eine Weile... Traurig sah ich die Scherben in meinen Händen an. Wahrscheinlich stimmte das alles doch, was er mir erzählt hatte über Shiro... Eventuell hatte ich einfach nur sein wahres Ich geweckt und nun zeigte er die Seite von sich, welche Mädchen aufriss... Vielleicht war das ja sein Ding...

Ein letztes Mal sah ich mit Tränen in den Augen zu ihm rüber. Da sah ich ihn mich rachsüchtig angrinsend. Und meine Gefühle drehten sich wieder...

[Shiro]

So... Wieder Chemie...

Während wir ein Experiment mit Ammoniak vorbereiteten, sprach ich ihn das erste Mal an dem Tag an: "Hey Aurelian, ich habe eine Bitte an dich...". Dafür, dass er davor ziemlich ruhig war, fauchte er mich nun ganz schön an und machte mich sehr klein: "Was ist es für eine Bitte? Soll ich mir eine Geschichte ausdenken, mit der du deinen Eltern verschleiern kannst, dass du jetzt mit einer super niedlichen Cheerleaderin zusammen bist? Oder ist das auch nur ein Schein, der in paar Tage hält? Machst du das mit Vielen so, Shiro? Hm, was ist es? Was soll ich für dich tun?". Er drückte mich alleine mit seinen Worten weit zurück, da behielt er auch noch sein Gesicht nah an meinem. Die ganze Klasse starrte schon. Eingeschüchtert und leise drückte ich ihn langsam weg: "Nein... Aber es geht in die Richtung...". Er haute auf den Tisch: "Vergiss es, Shiro! Ich helfe dir bei deinen Spielchen nicht! Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich dir bei anderen Spielereien helfe, nachdem du mich ausgespielt hast! Das macht uns noch lange nicht zu Freunden!".

"Ich habe dich nicht gespielt, ich-!", ich stockte von selbst. Ein falsches Wort hätte mir meine Familie gekostet. Wir standen in einem Raum voller Jugendlicher mit Blödsinn im Kopf. Also seufzte ich murrend: "Ich brauche ein paar Tipps wegen Homecoming von dir...". Er war mir in dieser Situation ganz klar überlegen: "Ohoho! Plötzlich möchtest du doch mit mir gehen! Dass du letzte Woche Donnerstag noch ganz spät bei mir warst und es dir gut gehen lassen hast, das hat dir nicht zur Überzeugung gereicht! Aber was denn auch sonst, du bist ja später sowieso abgehauen!". Ich wurde rot und lachte nervös: "Ich weiß nicht, wovon du sprichst". Mit meinen Blicken machte ich ihn darauf aufmerksam, dass da eine ganze Klasse stand und uns zuhörte. "Hör auf, Collins! Die Gerüchte gehen schon rum wie lästige Fliegen! Aber es ist nicht unbedingt schlecht. Würden die Gerüchte nicht rum gehen, dann wüsste ich jetzt nichts davon, dass du Abigail und Emma geküsst hast. Heißt - diese Gerüchte sind nur für dich schlecht. Und es kann mir egal sein!", er erniedrigte mich immer weiter. "Denkst du, ich bin da stolz drauf?", wurde ich nun auch lauter. Er verschränkte seine Arme: "Du verhältst dich doch so!".

"Das mit Abigail und Emma war, wegen-", in Konflikt geraten sah ich die Klasse an, dann packte ich mir Aurelian und verließ mit ihm ungefragt das Klassenzimmer. Er versuchte sich aus meinem Griff zu lösen: "Ey! Du kannst mich nicht einfach aus dem Unterricht ziehen!". "Gestern war es dir noch egal, wenn deine Eltern hier aufkreuzen müssen!", konterte ich. Da konterte er noch mehr: "Das war, als ich noch dachte, ich würde dir etwas bedeuten! Jetzt muss ich mir doch keinen Ärger einfangen wegen dir!". Ich schubste ihn schließlich raus und knallte die Tür zu. Dann zerrte ich ihn in die Besenkammer und verriegelte die Tür. "Was soll das werden?!", zischte er mich an. Ich wurde unruhiger und leiser: "Hier drinnen hört keiner, was ich sage...". Danach wurde es still, bis Aurelian sich aufregte: "Dann sag doch auch etwas!". "Ok!", schrie ich zurück und senkte meine Stimme wieder, "Abigail und Emma zu küssen hat mir gezeigt, dass... Naja... Egal, wen ich küsse, es sich nur mit dir gut anfühlt... Deswegen habe ich diese Party auch so schnell verlassen und bin direkt zu dir gelaufen... Was das heißt wurde mir erst vorgestern so wirklich bewusst...".

Nun errötete er: "Deswegen wolltest du mich zum Homecoming-Ball fragen...". "Möglich...!", ebenfalls rot sah ich sauer zur Seite weg. "Was soll das Ganze mit Delia dann?", hakte er nach. "Wir dekorieren für diesen Ball die Halle. Und wir freunden uns gut an. Ich hatte noch nie weibliche Freundinnen. Was weiß ich, ob ich richtig mit ihr umgehe? Außerdem hast du doch diesen Eddie. Dann kann ich doch wohl auch mit Delia gehen!", schnaubte ich. "Ja, das stimmt...", wurde er immer leiser, "Dann... tut es mir sehr leid wegen eben...". Er schob mich sachte zur Seite und entriegelte die Tür. Ich hielt das so aber nicht aus. Aus Reflex packte ich ihn am Kragen, drehte ihn um, küsste ihn und schloss die Tür wieder ab. Es hielt nicht lange. Er zog seinen Kopf zur Seite weg. Selbst wenn er das nicht wollte, ich hatte immer noch ein zu klärendes Problem. 

Wenn er seinen Kopf so weit weg zog, dann riss ich mich zusammen und gab ihm auch einen blauen Fleck am Hals. Danach verschränkte ich meine Arme: "Du magst das deinen Eltern vielleicht besser erklären können, als ich meinen. Sie denken, ich hätte eine Freundin. Um diese Geschichte abzudecken habe ich gelogen und gesagt, dass es stimmt. Jetzt wollen sie sie kennen lernen, sogar schon dieses Wochenende. Aber ich habe gesagt, dass ich mit ihr und Homecoming zu sehr beschäftigt bin. Als Vorwand, um diesem Vorstellungsgespräch aus dem Weg zu gehen... Jetzt muss ich herausfinden, wie ich das gläubig verklickern kann, denn ich war noch nie ein richtiger Gast bei einem Ball...". "Und dafür brauchst du ernsthaft meine Hilfe?", knurrte er wieder saurer, "Frag doch Delia selbst, sie weiß es doch bestimmt schon". "Das kommt aber seltsam", diskutierte ich. Er schüttelte zischend mit dem Kopf: "Weshalb? Weil du doch etwas für sie hast und deine Chancen nicht versauen willst? Ehrlichkeit treibt eine Beziehung am besten voran, Collins. Du brauchst mich nicht". Danach öffnete er die Tür und nuschelte über seine Schulter zu mir: "Rein gar nicht".

Oh Lord I'm GayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt