Kapitel 15

21 2 0
                                    

Na gut, dann ging mir Aurelian eben aus dem Weg. Ok, dann hing er halt mit anderen Typen ab, die ich noch gar nicht gesehen hatte. Ich hatte den Schultag schon so gut hin bekommen. Warum musste alles in der großen Pause brechen? Die gesamte Zeit saß Aurelian mit irgendwelchen Leuten an einem Tisch, die ich nicht mal kannte. Tat ich ihm sehr weh? Lästerte er schon über mich? War mein Ruf nun komplett kaputt? Konnte ich heute Mittag noch nach Hause gehen?

Zweite Woche des letzten Schuljahres und ich kam schon nicht mehr mit meinem leben klar! Aurelian... Was hast du nur mit mir getan...? Warum ist mein Verhalten jetzt so seltsam...? Weshalb bringst du mir die Sorgen ins Leben, dass ich aus meiner Familie getreten werden könnte...? Und wieso... kann ich nicht aufhören, dich anzuschauen...?

~~~

Das Putzen wirkte länger als sonst. Es zog sich so ewig in die Länge. Ich hörte die Band nicht spielen von den Räumen aus, in denen ich nun zu putzen hatte. Und dem Schachklub zuzuhören... Eh, ich hätte lieber wieder Musik gehört. Das erlaubte ich mir auch. Mit Kopfhörern, die über mein Handy Musik in meine Ohren leiteten, erfüllte ich meine Pflichten. Wen sollte es denn noch stören? Es war kein Unterricht, ich hatte auf nichts aufzupassen. Ich passte auch auf nichts auf. Ob mir jemand zusah oder so... Ich konnte nicht wirklich tanzen und ich achtete nicht darauf, ob mir jemand zusah. Dümmste Kombination überhaupt, wenn schon tausende Gerüchte über einen rum gingen.

Mit dem Putzlappen wedelte ich herum, während ich wie ein hyperaktiver Hase durch den Raum sprang. Das machten dann die schiefen Töne, in denen auch keine richtigen Atemzüge hangen, nicht besser. Über mehrere Songs, von denen ich auch den ganzen Text nicht auswendig kannte. Einfach nur mal sich selbst zu verlieren war im ersten Moment ganz schön. Bis dann irgendwann etwas in einer Drehung mit meiner kaputten Hand zusammen prallte. Erschrocken zog ich mir die Kopfhörer aus den Ohren und sah auf den Boden. Dort lag Delia, wie sie sich vor Schmerzen die Nase hielt. Das war jetzt nicht nur peinlich, sondern auch dämlich. Besorgt kniete ich mich runter: "Habe ich dich gerade wirklich geschlagen? Das tut mir unglaublich leid!". Ich half ihr, sich wieder aufzusetzen. Verlegen lachte sie: "Es ist alles ok. Tut auch nicht mehr weh". "Blutet deine Nase? Müssen wir zum Arzt?", fragte ich dennoch nach. "Nein, warum denn diese große Sorge?", lächelte sie weiter. Ich hob meine verletzte Hand: "War auch ein dummer Unfall". "Ha... Dumm?", sie stand wieder auf, "Du bist doch nicht dumm. Kein Mensch ist dumm. Ich bin naiv, du bist süß, aber keiner ist dumm".

Ich stockte: "S- s- was?". Sie stupste meine Nase kurz an: "Ja, süß. Deine Augen haben eine besondere Ausstrahlung. Ich denke, außer dir hat keiner auf dieser Schule goldene Augen". Rot werdend sah ich zur Seite weg. Goldene Augen, ja...? Sie stieß mich leicht in die Seite: "Nimm das Kompliment nicht so streng. Ich habe nur nach dir gesucht, weil du spät bist zum Dekorieren. Aber ich habe Verständnis dafür". Delia zwinkerte einmal und ging voraus: "Ich warte in der Halle auf dich". Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. 

Aurelian...

Aurum... Latein für Gold... Abkürzung Au im Periodensystem... Natürlich würde dein Name Gold bedeuten und meine Augen würden die goldene Farbe tragen... Konnte doch kein Zufall sein... Seit der Donnerstagnacht... Die Nacht war auch golden...

~~~

Während Delia aufgeregt die Formen für die Pappsterne ausschnitt, saß ich daneben, hielt Schere und Pappe in der Hand, bewegte mich aber nicht. Meine Gedanken hielten mich in den vergangen Ereignissen. Mir wurde immer bewusster, was ich denn eigentlich getan hatte. Das war nicht einfach nur ein experimenteller Kuss. So viel mehr... Wir machten darüber Witze und hatten da eine gute Zeit mit... Aurelian machte sich da wohl wirklich mehr draus, als ich es sah. Ich machte da auch mehr draus, ohne es zu bemerken. Ohne diese Intention dazu zu besitzen. Ich trat mich selbst in einen Teufelskreis. Zusätzlich kreisten die Gedanken um mich rum und Zeit ging nur noch so vorbei.

Plötzlich riss mich Delia aus den Gedanken: "Wow... Deine Augen strahlen richtig...". Ich erschreckte mich: "Was? Ich- Wie lange sitzen wir hier schon...?". "Zwei Stunden und du hast rein gar nichts gemacht!", meckerte sie mich spielerisch an. Ich stand auf: "Entschuldigung, aber... Ist es ok, wenn ich meine Arbeit erst morgen antrete...?". "Mhhhjoa. Denke aber daran, dass Arbeit, die dir hier weg fällt, musst du beim Homecoming nachholen", zögerte sie leicht hin und her wackelnd. "Also soll ich jetzt doch kommen und am Abend Kellner spielen?!", riss ich meine Augen auf. Mit großen Welpenaugen sah sie mich an: "Du hast mich mit der ganzen Bastelarbeit heute alleine gelassen...". "Ich-... Ja, ok... Wir sehen uns morgen...", niedergeschlagen ging ich nach Hause.

Dort öffnete ich die Haustür und Joel drückte mir direkt Twix in die Hände: "Hier! Er will gar nicht mehr mit mir Spazieren gehen! Also ist das jetzt dein Job!". "Ich habe dafür keine Nerven übrig", brummte ich und schubste ihn zur Seite weg. "Heute wurde in der Schule was Lustiges über dich gesagt-", bevor er zu Ende sprach, nahm ich knurrend Twix an die Leine. Bevor ich die Tür hinter mir zu schlug, zeigte ich mit dem Finger auf ihn: "Das ist Erpressung!". "Wie jetzt? Hast du nicht mit dem Putzzeug getanzt?", war er verwirrt. Oh Gott! Lieber das, als die anderen Gerüchte. Ich seufzte: "Doch, habe ich...". Er lachte: "Ok, viel Spaß! Und wehe, du lässt es zu, dass Twix etwas zustößt!". Ich rollte mit den Augen. Twix sah mich mit vorwurfsvollen Augen an. "Was ist?! Ich habe einen Fehler gemacht, ok?! Verurteil mich nicht!", knurrte ich ihn an und wir gingen los.

Etwas weiter die Straße runter kam ein alter Nachbar aus seinem Haus. Er und unsere Eltern waren gut befreundet. Sobald er mich sah, winkte er mir zu: "Shiro, hallo mein Junge. Kannst du mir kurz aushelfen?". "Klar. Wo ist das Problem?", für ihn musste noch Freundlichkeit übrig bleiben. Er tat ja nie etwas Schlechtes. "Ich bekomme diese Kiste einfach nicht ins Auto", erklärte er das Problem. Ich legte die Leine kurz auf den Boden, da Twix sehr ruhig war und half ihm mit der Kiste aus. Als diese im Kofferraum lag, fragte ich: "Kann ich noch irgendwie helfen?". Er machte Witze: "Wenn du mich zu meinem Kollegen fahren könntest". "Ich schätze, dass ich dafür mit dem Führerschein zu weit weg bin", lächelte ich verlegen. Auf einmal bellte Twix wie verrückt und er rannte los. "Oh nein! Twix! Komm zurück!", so rannte ich ihm hinterher.

Ganze drei Blöcke rannte ich ihm nach. So langsam machte meine Ausdauer schlapp. Zum Glück bremste Twix ab. Direkt hinter einem dekorativem Stein des Parks. Ich wollte ebenfalls drüber springen, doch kam ich mit dem Fuß nicht hoch genug und stolperte daher. Erstmal schön hin geflogen. Dort nicht aufgehört. Dahinter ging der Hügel, auf dem wir standen, wieder steil ab und ich rollte zwischen den Gräsern runter. Das tat echt weh! Mein Körper hatte gesundheitlich gar kein Glück mehr. Mehrmals scharf Luft einziehend lag ich auf dem Boden und schnaufte erstmal nach Luft. Ich war völlig außer Atem. Aufgebracht rief ich: "Twix, du Gott verdammter-!". Den Hügel hoch gesehen schauten mich ein Hundegesicht und Aurelian an. War ja klar...!

Angestrengt robbte ich den Hügel hoch. Mein Fuß tat nun auch verdammt weh. Ich murrte: "Wenn du weiter so dummes Zeug anstellst, dann darfst du zukünftig wieder mit Joel Gassi gehen! Ich tu dann gar nichts mehr für dich!". Aurelian fragte: "Meinst du mich?". Kurzzeitig hörte ich auf zu klettern und sah ihn mit leichtem Hass an. Da fiel mir auf, dass seine Arme und sein Gesicht an mehreren Stellen aufgeschrammt waren. "Was ist denn mit dir passiert?", fragte ich nach. "Du hattest Recht, beim Skateboard fahren sollte man Schutzkleidung tragen. Ich habe mich übernommen", gestand er leicht rot werdend. "Idiot", zischte ich leise und versuchte den letzten Meter hoch zu klettern. Twix ließ sich von Aurelian schön betätscheln. Kurz sah ich mir das an, dann knurrte ich: "Hör auf, meinen Hund zu belästigen!". Er knurrte zurück: "Oh ja richtig, ich darf nur einen Hund anfassen". Direkt darauf hielt er sich erschrocken die Hand vor den Mund: "Ich wollte nicht... Das ging nicht an... Tut mir leid...". Traurig senkte er seinen Kopf.

Er ließ mich nicht reden. Sofort stand er auf und ging weg. Ehe Twix ihm nach rannte, packte ich seine Leine feste. Als sei Twix enttäuscht von mir gewesen, senkte er seinen Kopf und gab quengelnde Geräusche von sich. Tse, als ob der Hund wirklich so weit denken konnte!


Oh Lord I'm GayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt