Kapitel Vier

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Der Freitag kam schneller als mir lieb war. Und meine Mutter ließ sich wirklich nicht mehr umstimmen. 

Selbst mein vorbildhaftes Benehmen die letzten zwei Tage, hatten sie völlig kalt gelassen. Ich war sogar nett zum Affenarsch gewesen, aber niemanden hatte es interessiert. Und dann war es soweit. 

Mit einer Mischung aus Trauer, Wut und Enttäuschung sah ich zu, wie Thomas meine Reisetasche in den Kofferraum hievte und diesen dann endgültig zuwarf. Ich schluckte und Thomas öffnete mir die Tür. 

„Einsteigen Evelyn", sagte er und sah mich an. 

Ich blinzelte die Tränen weg und ließ mich widerwillig auf den Rücksitz fallen. Meine Mum saß auf dem Beifahrersitz und drehte sich zu mir um. 

„Ich habe dir ein paar Sandwiches gemacht, falls du Hunger bekommen solltest", sagte sie und lächelte. Ich schnaubte bloß, wandte mich ab und verschränkte die Arme. 

Thomas stieg ein und fuhr dann die Einfahrt runter und auf die Straße.

Es war erst halb elf, aber dennoch waren die Straßen Londons ziemlich gefüllt. Es dauerte eine Ewigkeit, bis wir aus der Stadt raus waren und während der ganzen Fahrt hatte ich aus dem Fenster gestarrt und versucht die Gespräche von Thomas und meiner Mum auszublenden. 

Noch immer konnte ich nicht fassen, dass sie das wirklich durchzogen. 

Die schicken mich wirklich weg!

Wir kamen an meiner alten Schule vorbei, wo einige Schüler auf dem Schulhof standen. Ich sah sogar Jace und die anderen und wäre am liebsten aus dem fahrenden Auto gesprungen. 

Bye bye... ich konnte mich nicht einmal von meinen Freunden verabschieden... 

Ich unterdrückte die Tränen und lehnte meine Stirn gegen die kühle Scheibe. 

„Wir müssen auf alle Fälle tanken, bevor wir in Silverleaf ankommen", sagte Thomas irgendwann. Meine Mum nickte. 

Es nervte mich ein wenig, dass die Beiden kein Navi benutzten. Scheinbar kannten sie den Weg und das nervte mich umso mehr. So konnte ich nicht einmal herausfinden, wo genau ich sein würde. 

Keine Möglichkeit Jace zu kontaktieren und abzuhauen... Noch nicht!

Ich fand immer einen Weg. 

Und wenn ich jede Regel mehrmals brechen muss!

„Lynn, willst du ein Sandwich haben?" 

Meine Mutter drehte sich zu mir um und hielt mir eine Papiertüte hin. 

„Nein", sagte ich und starrte weiter aus dem Fenster. Wir fuhren mittlerweile auf dem Highway und ich konnte mir vorstellen, dass sich das noch ewig ziehen würde. 

Ich trete in den Hungerstreik! Irgendwann bin ich so krank, dass die mich nachhause schicken müssen!

Ich gähnte. 

Ja, ich war müde. Ich hatte die halbe Nacht wach gelegen und sogar darüber nachgedacht, abzuhauen. Aber ich hatte so das Gefühl, dass Thomas das mitbekommen würde. 

Er war auch die ganze, restliche Woche zuhause gewesen, um ein Auge auf mich zu haben. Ich hatte nicht telefonieren dürfen. Er hatte mir meinen Laptop nicht wiedergegeben oder sonst ein Gerät, mit dem ich in der Lage gewesen wäre, Jace zu kontaktieren. 

Ich hatte Fernseher geschaut und gelesen. Und gestern hatten Mum und ich dann meine Tasche gepackt. Sie hatte mir extra noch ein paar Sachen gekauft, damit ich maximal vorbereitet war. 

Silverleaf Academy - Nichts ist wie es scheint... (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt