02:35 Uhr
Die digitale Anzeige auf dem Bildschirm strahlte mir entgegen. Draußen war es mittlerweile tiefschwarz und kaum jemand bewegte sich auf den Straßen.
„Wir sind da", Raphael zog meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, während er den Wagen in eine Parklücke lenkte. Er wirkte dabei sicher und gefasst, so als hätte es das Telefonat nicht gegeben.
Wir waren etwa eine halbe Stunde durch die Gegend gefahren. Dabei hatte keiner etwas gesagt, nur die Musik hatte dafür gesorgt, dass es nicht komplett still war. Doch ich empfand es nicht als peinliche Stille, sondern angenehm. Die Ausstrahlung des Mannes neben mir hatte mich beruhigt und ehrlich gesagt auch dafür gesorgt, dass ich vergaß was passiert war. Auch die Sorgen waren in den Hintergrund gerückt. Dennoch fühlte es sich falsch an; mit einem fremden Mann durch die Nacht zu fahren, obwohl zuhause mein Verlobter saß und auf mich wartete.„Sollen wir aussteigen?", er wandte sich an mich, mit einem Lächeln auf den Lippen. Damit riss er mich aus meinen Gedanken. Nickend schnallte ich mich ab und öffnete die Beifahrertür. Dabei empfing mich kühle Luft und ließ meinen brummenden Kopf etwas entspannen. Die ganze Situation verpasste mir Kopfschmerzen, doch ich versuchte alles aus meinen Gedanken zu verbannen und mich anderweitig zu konzentrieren.
„Wo sind wir?", suchend sah ich mich um. Raphael stand auf dem Bürgersteig, die Hände in den Hosentaschen. Ich konnte keine Menschenseele auf der Straße ausmachen, nur ihn und mich. Dabei waren alle Autos auf dem Seitenstreifen in leicht orangenes Licht getaucht. „Ich hab dir doch gesagt, dass du Ablenkung brauchst", Raphael nickte auf ein Schaufenster hinter dem ich gedämmtes Licht ausmachen konnte, „und die wirst du jetzt von mir bekommen." Dabei schloss er sein Auto ab und bedeutete mir abwartend ihm zu folgen. Und so lief ich dem groß gewachsenen Mann hinterher.Als wir das Lokal betraten umgab mich eine düstere und dennoch familiäre Stimmung. Der gesamte Innenraum war mit dunklem Holz ausgestattet; Stühle und Tische und auch teilweise die Wand. Es saßen nicht viele an den Tischen, aber dennoch war das Lokal gut besucht.
Raphael winkte einigen Kellnern hinter der Theke zu und steuerte dann mit mir in den hinteren Teil des Cafés. Er zog einen Stuhl für mich heraus bevor er sich selbst gegenüber fallen ließ.„Raphael", überschwänglich empfing uns ein großer und muskulöser Mann mit schwarzem Vollbart. Ich setzte mich vorsichtig hin und betrachtete ihn etwas genauer. Wenn ich ihm nachts auf der Straße begegnet wäre, hätte ich sicherlich einen riesigen Bogen um ihn gemacht. Denn er sah definitiv nicht wie jemand aus, mit dem man sich anlegen sollte. „Ilija", mein Gegenüber schlug mit dem Mann ein bevor er auf mich deutete, „ich hab heute Tamara mitgebracht."
Ilija schmunzelte und reichte mir die Hand. Sein Händedruck war kräftig, aber nicht zu doll.„Was kann ich für euch tun?", wandte er sich an uns, dabei sah er erst mich und dann Raphael fragend an. „Das Übliche", antwortet Raphael und sah dann erwartend in meine Augen. „Und für die Dame?", Ilija sah nun auch zu mir. Er wirkte interessiert und wirklich sympathisch, obwohl ich ihn vor unter fünf Minuten erst kennengelernt hatte. „Ich lasse mich überraschen und nehme das gleiche wie Raphael", sagte ich gefasst. Innerlich hoffte ich, dass ich Raphaels Bestellung mochte. Und ich konnte mir selbst noch nicht einmal beantworten, warum ich ausgerechnet diese Antwort abgegeben hatte. Ilija nickte nur kurz und verließ dann unseren Tisch.
Derweil lehnte Raphael sich in seinem Stuhl zurück und atmete tief ein. „Danke nochmal", murmelte ich. Ich wusste nicht, wie ich ihm jemals dafür danken konnte, dass er mich vor Tom in Schutz genommen hatte. „Tamara", er seufzte, „du musst dich wirklich nicht bei mir bedanken. Ich finde es gehört sich für einen Mann nicht, sich so zu verhalten, dass seine Frau Angst vor ihm bekommt." Damit sah er kurz zur Theke. Das Thema schien für ihn damit beendet, und ehrlich gesagt wollte ich nicht noch mehr darauf herumreiten, was passiert war. Ich war ihm ewig zu Dank verpflichtet. Und so setzte ich mir selbst als Aufgabe, immer für ihn da zu sein, wenn er mich brauchte. Denn ich hatte jemanden gebraucht, und er war für da; ohne über mich zu urteilen.
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Kingdom. || Bonez MC
FanfictionJeder kann etwas besitzen, darüber bestimmen und verfügen. Doch nicht alles lässt sich besitzen oder gehorcht. Sein Königreich war die Straße. Seine größte Liebe waren die Drogen. Und seine Rettung war die Musik. Aber niemand kann ganz alleine mit...