Mein ganzer Körper kribbelte; ganz anders als bei unserem ersten Kuss in der Küche von Raphaels Studio. Zwar war die Wärme auch jetzt deutlich spürbar, doch die Anziehung zwischen uns erschien stärker. John's Hände umfassten mich stärker und zogen mich immer näher an ihn, sodass kein Blatt mehr zwischen uns passte. Seine Berührungen waren sanft, fast schon zaghaft. Seine Berührungen glichen schon fast der Leichte eines Schmetterlings; ließen Gänsehaut über meinen Körper wandern.
Ich fühlte mich geborgen, sicher und frei. Fast schon beflügelt. Auch nach einigen Sekunden ließ dieses Gefühl nicht nach, sondern schien sich immer mehr in meinem Körper zu verbreiten. Meine Hände wanderten während des Kusses zu seinem Nacken, wo ich sie demonstrativ verschränkte. Ich wollte nicht, dass er von mir abließ und den Kuss unterbrach. Dafür fühlte es sich viel zu gut an. Und dennoch löste er sich kurze Zeit später von mir. Allerdings nahm er seinen Blick nicht von meinen Augen. John starrte mir tief in die Augen, blickte mich an und schien mich in sein Gedächtnis komplett aufzunehmen. Es fühlte sich so an als würde er jede einzelne Falte in meinem Gesicht in sich aufnehmen, fast schon so als wolle er mich immer vor seinem inneren Auge sehen. Keiner von uns sagte ein Wort; zumindest für einige Minuten. Wir standen einfach nur da und genossen die Gesellschaft des anderen; die uns umgebende Stille.Schließlich löste John seine Arme um mich und trat einen Schritt zurück, sein Blick klebte dennoch auf mir. Immer noch sagte er kein Wort. Dagegen schien er ebenfalls viel zu überwältigt von den doch so simplen Kuss gewesen zu sein. Ich hingegen verspürte immer mehr den Drang etwas sagen zu müssen; zu fragen, ob es ihm gefallen hatte.
„Wow", flüsterte John jedoch und nahm mir damit das erste Wort ab. Dabei bildete sich ein Schmunzeln auf seinen Lippen. Auch ich begann zu lächeln. Zwar hatte er nur einen kurzen Laut von sich gegeben, aber negativ hatte er keinesfalls geklungen. Anscheinend ging es ihm genauso wie mir. „Das war", setzte ich an, doch ein passendes Wort fiel mir nicht ein. Viel zu schön war dieser Kuss gewesen, auch wenn ich ihn nicht wirklich erwartet hatte. „Unglaublich", vollendete schließlich John meinen Satz und wandte den Blick von mir ab. Er fuhr sich etwas unsicher mit seiner Hand durch die Locken, bevor er den Blick erneut hob. „Ich will nicht unhöflich sein, Tamara", sprach er vorsichtig aus, „aber ich will nicht, dass du das falsch verstehst."
Na super. Eben hatte ich die Stimmung noch als angenehm und auf irgendeine Weise romantisch gefunden, doch jetzt fiel sie plötzlich eher ins unangenehme. „John", versuchte ich meine Gedanken auszusprechen. Natürlich wusste ich, dass ein einfacher Kuss nicht wirklich ausschlaggebend war. Doch irgendwie fühlte ich mich durch seine Worte wie vor den Kopf gestoßen. „Tamara", John ergriff meine Hände und zwang mich ihn erneut anzusehen, „ich mag dich; wirklich. Aber du weißt wie ich bin. Alles, was du dir erträumst könnte ich dir nicht geben. Und falsche Hoffnungen will ich dir nicht machen."
Es klang plausibel, zumindest für einen kleinen Teil meines Gehirns. Doch der weitaus größere Teil machte sich grade mehr als nur unnütze Gedanken. Wie würden wir uns nach so einem Kuss verstehen können? Schließlich wollten wir ihn beide, und hatten dem Widerstand einfach nachgegeben. Aber ich wusste, dass John nicht der einfache Typ Mann war; der alles für eine Frau tat. John war kompliziert.„Schon gut", wank ich ab und entzog ihm meine Hände. Jetzt darüber zu diskutieren, welche Hoffnungen ich mir machte oder nicht, war vollkommen sinnlos und würde wahrscheinlich zu keinem glimpflichen Ende führen. Also erschien mir die Möglichkeit, es zu verdrängen und nicht mehr darüber zu sprechen, um einiges besser. John allerdings schien damit nicht wirklich klar zu kommen. „Jetzt hör mich doch mal zu", versuchte er sich weiter zu erklären. Doch ich schüttelte nur den Kopf. „Ich will nicht mit dir diskutieren", entgegnete ich ihm, dabei war mein Ton um einiges härter als beabsichtigt, „ich weiß wie du bist und ich weiß auch, dass deine Meinung vollkommen anders ist als meine. Das ist gut so, dafür bin ich dir auch in keiner Weise böse. Aber bitte lass uns darüber nicht weiter sprechen, okay?" Je mehr ich sagte, desto leiser wurde ich auch. Denn einen Streit mit John wollte ich um alle Male vermeiden; dafür war mir die immer stärker werdenden Freundschaft zu wichtig. Stumm nickte mir der blonde Riese zu, ehe er mich in sein Wohnzimmer führte. Zwar hatte ich hier schon einige Stunden verbracht, doch genau umgesehen hatte ich mich nicht. Deshalb versuchte ich alles in mich aufzunehmen. Die Bilder an einer Wand fielen mir dabei besonders auf, denn darauf waren nicht nur John oder Raphael zu sehen. Auch Jonas und Maxwell zierten einige der Fotografien; daneben erkannte ich noch einige Männer aus dem Club, in dem ich John zum ersten Mal getroffen hatte.
Lächelnd betrachtete ich als die Fotowand, die so einiges von dem Lockenkopf preis gab, auch wenn er dies niemals zugeben würde. „Wie findest du's?", fragte er neugierig. John hatte sich derweil auf das Sofa gesetzt und den Fernseher gestartet. Seinen Plänen nach zu urteilen um einen Film zu starten; zumindest nahm ich das an. Ehrfurchtsvoll ließ ich mich neben ihm fallen und betrachtete auch weiterhin noch die Wand. „Sie gefällt mir", sprach ich offen aus, „das Ganze macht dich irgendwie mehr zu einem umgänglichen Menschen." Schnaubend drehte John seinen Kopf in meine Richtung. „Ich und umgänglich", kurz lachte er auf. Der Schalk in seinen Augen entging mir dabei nicht. Er führte mehr im Schilde als man anfänglich annahm, und dennoch empfand ich ihn als nette Gesellschaft. John konnte manchmal echt kindisch und total hirnverbrannt sein, doch er hatte auch Momente, in denen er wie ein kluger und erwachsener Mann handelte; eben seinem Alter entsprechend. „Das glaubst du doch wohl selbst nicht."Die leisen Lacher nahm ich jedoch nur mit einem Ohr war, denn plötzlich schob sich Skittlez an meine Seite. Dabei reckte mir der Bully bereitwillig seinen Bauch entgegen. Berührungsangst schien er keinesfalls zu haben. Im Augenwinkel konnte ich sehen, dass John grinsend den Kopf schüttelte. Er hatte Skittlez ebenfalls kurz beobachtet, sich aber danach direkt wieder dem Fernseher gewidmet. Nun klickte er schnell auf der Fernbedienung herum, weiterhin auf der Suche nach einem geeigneten Film. „Dir ist klar, dass du den Dicken jetzt auch nicht mehr loswirst", merkte der Blonde kurz an. Dabei schenkte er mir und seinem Hund einen kurzen aber eindringlichen Blick. Skittlez antwortete seinem Herrchen mit einem Schnauben und kuschelte sich demonstrativ stärker an meine Seite. John hingegen quittierte das Verhalten seines Bullys mit einem Lachen. Auch ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, dafür war er einfach viel zu niedlich. Also blickte ich ebenfalls auf den Fernseher und kraulte Skittlez weiter. Dem schien es mehr als nur zu gefallen.
Denn nach circa fünf Minuten ertönte neben mir ein deutliches Schnarchen, dass unverkennbar vom braunen Bully ausging. John hatte sich derweil nach hinten gelehnt und schwankte seit knapp einer Minute zwischen zwei Filmen, die mich hingegen vollkommen unbekannt waren. Ich hatte nie wirklich viel im Fernsehen oder Kino gesehen. Natürlich schätzte ich Kinobesuche, wie viele andere auch, doch für mich waren Filme oder Serien nicht wirklich notwendig. Manchmal hatte ich Unermessliche Langweile gehabt und mir an knapp zwei Tagen eine ganze Staffel von irgendeiner Serie angesehen. Das passierte allerdings nicht sehr häufig. Dafür erschienen mir alle Filme viel zu vorhersehbar.
„Welchen willst du sehen?", wandte sich der Lockenkopf an mich, dabei strahlten seine blauen Augen ein bisschen mehr als noch vor kurzer Zeit. Etwas überfordert zuckte ich mit den Schultern, denn für mir erschienen beide als gute Wahl. „Ich kenne keinen von denen", stellte ich fest. Dabei zog ich meine Beine etwas enger an mich und versuchte den Hund an meiner Seite nicht zu wecken. Dieser schlummerte immer noch fröhlich weiter, gekrault wurde er immerhin auch noch. „Dann nehmen wir den", energisch drückte John auf die OK-Taste der Fernbedienung und der Bildschirm wurde schlagartig dunkel. Schließlich begann der Vorspann und der Lockenkopf erhob sich ruckartig. „Ich hole eben die Karten und mein Handy, dann kannst du dir was zum Essen aussuchen", erklärte er und ließ mich alleine im Wohnzimmer zurück. Dass der Film weiterlief oder besser gesagt begann, schien ihn nicht zu stören. Stattdessen hörte ich ihn in der Küche herum kramen und einige gedämpfte Flüche ausstoßen. Mein Blick glitt erneut zu dem gescheckten Bully, der meine Streicheleinheiten zu genießen schien. Auch ich genoss es, einen Hund an meiner Seite zu haben. Denn genau davon hatte ich immer und immer wieder geträumt. Nur mein Ex-Verlobter hatte mich immer davon abhalten wollen. Für Tom waren Hunde viel zu anstrengend, dabei hatte er steht's die Erziehung und das ganze Training erwähnt. Natürlich war ein Hund viel Arbeit; er musste immer gepflegt und umsorgt werden und brauchte viel Liebe. Aber ich war immer bereit genau das zu geben. Etwas ruckartig drehte sich Skittlez im Schlaf und legte nun wie selbstverständlich seinen Kopf auf meinen Schoss. Dabei schmatzte er genüsslich, ließ aber dennoch seine Augen geschlossen und atmete ruhig weiter. Das Lächeln auf meinen Lippen wurde noch breiter und ich kraulte ihn hinterm Ohr.Am liebsten wäre ich ewig so dagesessen; mit Skittlez auf dem Schoss und John in meiner Nähe. Aber ich wusste, dass es nicht für immer sein würde. John war nun mal John; vollkommen selbstsicher und stur. Er würde immer seine Meinung durchsetzen; so wie vorhin nachdem Kuss. Schnell schüttelte ich meine Kopf, denn mich erneut mit der Situation zu befassen erschien mir sinnlos. Es würde sich nichts ändern, egal wie häufig ich seine Worte oder Taten Revue passieren ließ. Deshalb lehnte ich mich zurück und betrachtete das Geschen im Film. John, der mit strahlenden Augen in der Tür stand und mich mit seinem Hund betrachtete, nahm ich dabei gar nicht war. Dafür war ich viel zu sehr in der Welt des Films gefangen. Eine irreale Welt, die der Realität niemals gleichen könnte und doch so nah schien.
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Kingdom. || Bonez MC
FanfictionJeder kann etwas besitzen, darüber bestimmen und verfügen. Doch nicht alles lässt sich besitzen oder gehorcht. Sein Königreich war die Straße. Seine größte Liebe waren die Drogen. Und seine Rettung war die Musik. Aber niemand kann ganz alleine mit...