Aussprache

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Nachdem ich und Leah zu ende geredet haben, habe ich sie wieder nach Hause gebracht. Wir hatten uns für heute Abend an unserem üblichen Treffpunkt verabredet. Damit wir überlegen konnten, was wir mit dem Rudel zusammen unternehmen konnten, denn uns ist beiden aufgefallen, dass wir zwar ein Rudel waren, aber so etwas wie Zusammenhalt oder Freundschaft gab es bei uns nicht. Wir kennen uns nicht untereinander. Meiner Meinung nach sollte ich mein Rudel kennen, und sie sollten mich kennen. Nur so konnte ein Rudel funktionieren. Und vielleicht würden wir einander irgendwann brauchen, auch wenn ich nicht hoffte, dass es irgendwann zu einer Auseinandersetzung kommen würde.

Nun saß ich schon eine Weile in meinem Zimmer in meinem Sessel und dachte über das Gespräch mit Leah nach. Es war besser verlaufen, als ich mir vorgestellt hatte. Leah hatte mich aufgebaut und ich habe ein wenig über sie erfahren können. Nun verstand ich, warum sie unbedingt auf jemanden geprägt werden wollte. Sie wollte nicht mehr alleine sein und auch nicht die ungeliebte Ex von Sam sein. Sie wollte frei von ihrer Vergangenheit sein. Zum teil verstand ich es. Der andere Teil sah, was ich mit Jake durchgemacht hatte. Beziehungen auf die Art, wie sie Wölfe führten waren nicht einfach und würden auch nicht leichter werden mit der Zeit. Doch Leah hatte mich noch einmal daran bestärkt, dass egal, was passieren würde, Jake würde immer an meiner Seite sein. Diese Gewissheit beruhigte mich ein wenig und gab mir die Kraft, die ich brauchte.

"Störe ich dich gerade?" fragte mich die Stimme von Bella hinter mir. Ich sah mich zu ihr um. Sie stand an der Tür und sah mich etwas abwartend an. "Klar, komm rein," sagte ich und schlug das Buch zu, was ich eben angefangen hatte. Um nicht unhöflich zu sein stand ich auf. Sie schloss die Tür hinter sich und kam zu mir. Wir sah beide in den Wald hinein. Keiner von uns sagte etwas wir sahen einfach nur in den Wald. "Ich wollte mich entschuldigen," sagte Bella schließlich. Ich sah sie nicht an. Die Worte mussten erst in meinem Kopf ankommen. "Wofür?" fragte ich, da ich nicht genau wusste, wofür sie sich entschuldigen wollte. Denn ehrlich gesagt, wusste ich nicht für welche der Dinge, die sie getan hatte, sie sich entschuldigen wollte. "Dafür, dass du ich meine Interessen, über die, der Familie gestellt habe. Ich weiß, dass ich dich damit ziemlich wütend gemacht habe," versuchte sie mir zu erklären. Ich schmunzelte. "Und ich entschuldige mich dafür, dass du auch nur einen Moment vor mir Angst hattest," versuchte ich mich für meinen kleinen Ausraster zu entschuldigen. "Und ich wollte mich dafür bedanken, dass du mir bei dem Besuch meines Vaters zur Seite gestanden hast. Mir ist klar, dass du mich in dem Moment nicht sehr mochtest," gestand sie mir. Ich lachte. "Das Problem war, dass sie die ganze verdammte Welt um dich und Nessie gedreht hat. Nur weil du nicht mit deinem Vater reden wolltest musste ich mich zwischen meiner Familie und meinem Rudel entscheiden. Wegen dir habe ich das schlimmste halbe Jahr meines Lebens durchgemacht. Das ich dich nicht mochte, ist die Untertreibung des Jahres," versuchte ich meine Gefühle zu verdeutlichen. "Warum das schlimmste halbe Jahr deines Lebens?" fragte Bella etwas verwirrt. Ich wand meinen Blick zu ihr und verstand, wie sie das nicht wissen konnte. "Was kann man daran nicht verstehen?" fragte ich etwas verärgert. "Wenn du nicht verstehst, warum ich verdammt sauer auf dich war, verstehe ich nicht warum du dich überhaupt entschuldigst."

"Du kannst mir aber nicht die Schuld dafür geben, dass ich mit Jake befreundet bin," sagte sie etwas verärgert. Ich lachte. Es war ein genervtes Lachen. Natürlich war ich nicht sauer auf sie, weil sie mit Jake befreundet war. Wie könnte ich auch, sie war seine beste Freundin. Ich würde immer respektieren, dass Bella ein Teil in seinem Leben sein würde. "Doch du hast seine Liebe zu dir nicht gesehen. Er hat dich geliebt, wie niemanden je zuvor. Und dann war da etwas Neues in seinem Leben, wo er nicht wollte, dass es passiert. Er wollte diese Prägung nicht. Und ganz sicher wollte er mich auch nicht. Du wärst es gewesen, die ihm helfen hätte können, doch du hast dieses Problem nicht gesehen," warf ich ihr gegen den Kopf. "Ich war es, die darunter gelitten hat, dass du seine Liebe nicht erkannt hast. Er hat gegen diese Prägung so sehr angekämpft, dass wir beide beinah daran zerbrochen wären." Ich holte einmal tief Luft. Es waren die schlimmsten Gedanken, darüber nachzudenken, dass es niemals ein "Wir" gegeben hätte, wenn wir nicht Wölfe gewesen wären. Doch ich versuchte diese Gedanken schnell wieder zu verdrängen, denn ich war ein Wolf und ich hatte auch Jake in meinem Leben. Es war quatsch darüber nachzudenken, was wäre, wenn, doch ich ertappte mich immer wieder dabei, dass ich es tat. "Es tut mir leid," sagte Bella und sah mich an. "Ich habe nie darüber nachgedacht, wie es für dich ist. Mir war klar, dass Jake in mich verliebt war, doch ich dachte, dass er noch ein Freund ist. Mir war nicht bewusst, dass er immer noch so empfindet."

"Liebe ist nicht einfach, das habe ich durch diese Sache gelernt. Ich habe Respekt vor dir, dass du einen Mann und eine Unsterbliche gefunden hast," sagte ich etwas abwesend. In meinem Inneren machte sich eine Zufriedenheit breit. Es hatte mich befreit, Bella meine Wut und meine Angst zu offenbaren. Auch wenn ich es nicht bemerkt habe, hat es mich belastet. "Doch vor allem Respektire ich dich, dafür, dass du diese Familie angenommen hast, sei es noch so schwer gewesen. Und sag jetzt nicht, dass es nicht schwer gewesen sei, ich weiß ganz genau, dass es so war." Weiterhin sah ich in den Wald. Meine Aufmerksamkeit hatte etwas, was sich unten am Fluss bewegte. So wie ich das sah, waren es Quil und Seth, die sich ein kleines Rennen boten. "Jeder von uns führt seine Kämpfe, doch du hast mehr Kämpfe für diese Familie gekämpft, als es nötig gewesen wäre," sprach ich weiter. "Und trotzdem hast du ihn nicht aufgegeben." Ich sah sie an. "Ich verzeihe dir," sagte ich und meinte es auch so. Sie hatte so viel für meine Familie und meinen Bruder durchgestanden, dass ich ihr verzeihe, was sie in den letzten Wochen getan hatte. "Welche Kämpfe führst du?" fragte sie mich. "Du meintest jeder von uns führt seine Kämpfe. Welchen führst du?" Mein lachen schien sie ein wenig zu irritieren. "Meine Kämpfe werden erst noch kommen," sagte ich etwas belustigt. Mein Kampf war gerade dabei zu beginnen. Ich würde den Tot meiner Eltern rächen, egal was es mich kosten würde. "Ich glaube dein Rudel wartet auf dich," stellte Bella fest. Mein Blick wandte sich zum Wald und tatsächlich waren dort alle versammelt, außer ich. "Ich sollte sie nicht so lange warten lassen, sonst legen sie den Wald in Schund und Asche," sagte ich und machte das Fenster auf. Einmal sah ich noch Bella an und sprang dann mit einem Satz aus dem Fenster. Meine Landung war sanft und nicht so schlecht, wie die letzte. In weniger als ein paar Sekunden war ich bei den anderen. Als ich bei der Runde angekommen bin, sah ich einmal Jake und dann Leah an. "Habt ihr alle morgen Zeit?" fragte ich mit einem Lachen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 29, 2020 ⏰

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On both Sides - VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt