Herrenhaus

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Der Saal, der mich hinter der Türe erwartete, war genau so prunkvoll wie ich gedacht hatte. Dieselben Säulen, die auch das Vordach stützten, bildeten einen breiten Gang, der mit einem weinroten Teppich mit verschlungenem goldenen Muster ausgelegt war. Hinter den Säulen war der Boden aus feinstem, schwarz-weißem Marmor. Auf jeder Seite befanden sich ident aussehenden Sitzlogen. Die Sessel und Sofas waren von demselben Weinrot wie der Teppich und waren rund um einen breiten, aber niedrigen Tisch angeordnet, der aus dunklem, glatt poliertem Holz bestand. Meterhohe Fenster fluteten den Saal mit Licht. An der Decke baumelte ein goldener Kronleuchter. Am Ende des Saales befand sich eine Tribüne, zu der großzügige Treppen hinaufführten. Vor der Tribüne ging auf beiden Seiten ein Gang weg.

Die Wachen schoben mich vorwärts die Tribüne hinauf. Dort angekommen sah ich auf einem kleinen Podest zwei prunkvoll aussehende Throne stehen. In einem davon saß ein korpulenter Mann. Er hatte eine Glatze und war vollkommen in purpurne Gewänder gehüllt, auf denen feine goldene Verzierungen prangten. Ich wurde weiter vorwärts geschoben, bis ich nur noch wenige Schritte von dem Mann entfernt war. Obwohl ich von vier Wachen eskortiert wurde, bedachte er mich nur mit einem gelangweilten Blick. „Was gibt es?", fragte er seufzend. Er würdigte weder mich noch die Wachen eines weiteren Blickes, sondern spielte an seinem Gewand herum. „Eure Hoheit, wir haben dieses Mädchen vor dem Eingang der Stadt aufgegriffen. Sie behauptet, nichts von den Provinzen zu wissen und weigert sich, zu verraten, woher sie kommt.", berichtete der Riese stramm. Ich stutzte. Der Kerl war doch nur Stadthalter, wieso redeten sie ihn mit „Eure Hoheit" an? „Und deswegen verschwendet ihr meine kostbare Zeit?", fragte der Mann nun mit einem scharfen Unterton in seiner Stimme. Nun wurde der Riese sichtlich nervös. „Ich dachte, sie könnte eine Spionin von ihm sein.", stammelte er. Der Stadthalter seufzte wieder entnervt. „Viele Muskeln aber kein Hirn! Spione sind unauffällig und spazieren nicht vorne in die Stadt hinein, du Idiot!", rief er verärgert. „Und jetzt geh mir aus den Augen, bevor ich dich noch für das Verschwenden meiner Zeit bestrafe!", setzte er noch nach.

Nun richtete er seinen Blick wieder auf mich. Seine Augen weiteten sich kurz. Der Riese wollte mich schon zum Gehen bringen, da befahl der Stadthalter plötzlich: „Lasst das Mädchen hier und seht zu, dass ihr davonkommt!" Alle vier nickten. Der Riese sah enttäuscht aus. Wahrscheinlich hatte er gehofft, dass der Stadthalter mich ihm überlassen würde. Ich dachte an den gierigen Blick zurück, mit dem er mich bedacht hatte. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was er mit mir angestellt hätte. Allerdings gefiel mir der herablassende Blick des Stadthalters auch nicht. Nur weil ich nicht reich war, gab ihm das nicht das Recht, mich als minderwertig zu betrachten. Trotz regte sich in mir. Ich stellte mich aufrecht hin und sah ihn herausfordernd an. Mir war bewusst, dass ich ihm ausgeliefert war, aber ich würde mich ihm nicht unterwürfig zu Füßen werfen. Meine Großmutter hatte immer gesagt, dass ich mich nie unterkriegen lassen sollte und jeder Gefahr mutig ins Gesicht schauen sollte. Nun schlich sich Interesse in den Blick des Stadthalters. „Suki!", brüllte er. Sofort kam eine junge Frau zu ihm geeilt. Ihre schwarzen Haare waren zu einem strengen Knoten hochgesteckt und sie trug ein schlichtes, weißes Kleid. Sie machte eine schnelle Verbeugung und fragte dann demütig: „Wie kann ich euch dienen, eure Hoheit?" Ich starrte sie sprachlos an. Es war mir unerklärlich, wie man sich selbst so entwürdigen konnte. Ich würde eher sterben als vor irgendjemandem im Staub zu kriechen. „Hol meinen Sohn!", kommandierte er. Suki nickte, verbeugte sich abermals und eilte davon.

Nur wenig später kam ein junger Mann auf die Tribüne. Sofort war ich von seinem Anblick gefangen. Er hatte kurze, dunkelbraune Haare, die sich zu leichten Locken kringelten und seine Augen waren von einem intensiven Sturmgrau. Sein Gesicht war kantig und seine vollen Lippen waren sanft geschwungen. Er trug ein strahlend weißes Hemd und eine Hose aus schwarzem Leder. Ich hatte noch nicht viele Männer gesehen, aber dieser sah eindeutig gut aus. Nur ruinierte sein Gesichtsausdruck alles, denn er sah mich genauso herablassend und arrogant wie sein Vater an. Als wäre ich ein Stück Dreck, dass sich in sein auf Hochglanz poliertes Haus geschlichen hatte. Auch ihn sah ich trotzig an. Er sah zwar verdammt gut aus, aber ich würde auch vor ihm nicht im Staub kriechen. Ich würde mich nicht unterkriegen lassen, genauso wie sich ein wildes Tier nie vollständig zähmen lassen würde.

Nun ging der junge Mann auf seinen Vater zu. „Was ist los, Vater?", fragte er. „Sei doch bitte so nett und führe unseren Gast hier in eines der Gästezimmer." Nun war er genauso sprachlos wie ich. Ich hätte gedacht, dass man mich einsperren würde oder sowas, aber nicht, dass man mich in ein Gästezimmer einquartierte. Auch der Junge hatte scheinbar mit etwas anderem gerechnet. „Sie!?", hakte er ungläubig nach. „Siehst du hier sonst noch jemanden?", fuhr der Vater ihn an. „Tu was ich dir sage und dann komm zu mir, dann werde ich dir alles erklären." Der Junge nickte, wirkte aber immer noch wenig begeistert. „Und du,", wandte er sich an Suki, die hinter mir aufgetaucht war. „Hilf ihr sich zu waschen und besorge ihr was Anständiges zum Anziehen." „Zu Befehl!", antworte sie schon wieder mit einer Verbeugung. Ich hätte schon längst Rückenschmerzen von so vielen Verbeugungen.

Der Junge führte mich durch den Gang, der vom Eingang aus gesehen links lag. Auch dort war der Boden mit einem weinroten Teppich bedeckt. Wir gingen bis zum Ende des Ganges, wobei wir an etlichen Türen vorbeikamen. Am Ende des Gages führte eine breite, gewundene Treppe zum oberen Stockwerk. Dort gingen wir wieder durch einen langen Gang. An den Wänden hingen Gemälde von verschiedenen Personen. Er geleitete mich in ein großes Zimmer. Ein gigantisches Bett stach mir gleich ins Auge. Die Bettwäsche schien aus irgendeinem edlen Stoff zu bestehen und hatte ein Muster aus roten Rosen darauf. Das Bettgestell war weiß, genauso wie der kleine Nachttisch, auf dem in einer Vase eine Rose stand. Ebenfalls auf dem Nachtisch stand eine kleine Laterne. Streichhölzer, um sie zu entzünden, lagen daneben. Genauso wie im Saal befanden sich auch hier große Fenster. Hier gab es allerdings Vorhänge, die dasselbe rot aufwiesen wie die Rose auf dem Nachttisch. Ein großer Kasten, nicht sehr überraschend in weiß gehalten, stand gegenüber vom Bett. Neben dem Kasten führte eine Türe in ein Badezimmer. Auch hier war alles strahlend weiß und wurde nur manchmal von einem Rosenrot unterbrochen. Es gab eine Badewanne, einen Spiegel und ein Waschbecken. Waschbecken und Badewannen waren beides Dinge, die ich nur aus Erzählungen kannte. In reichen Haushalten, wo es fließendes Wasser gab, gab es im Normalfall auch Waschbecken und Badewannen. Neben der Badewanne gab es eine kleine Ablage, auf der sich sowohl Handtücher als auch verschiedenste Seifen befanden. Ich war überwältigt von dem ganzen Luxus. Alles war so strahlend und sauber. Und die Größe erst. Alleine das Zimmer war fast schon größer als die Hütte, in der ich mein gesamtes Leben verbracht hatte. Ich drehte mich zu dem Jungen um. Er wirkte völlig unbeeindruckt. Was auch logisch war, weil er nichts anderes kannte als Luxus und Reichtum. „Das ist dein Zimmer.", verkündete er freudlos. „Ich schicke dir gleich Suki herauf." Danach drehte er sich um, um zu gehen. „Warte!", rief ich. „Ja?", fragte er völlig desinteressiert. „Ich bin Yuna und wie heißt du?" „Takashi", antwortete er knapp. Dann drehte er sich abermals um und ging. Wieso wollte ich nicht, dass er ging, obwohl er mich wie Abschaum behandelte?


Die letzte Kitsune [wird neu geschrieben]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt