Takashi
Nachdem ich Yuna im Stall zurückgelassen hatte, begab ich mich in die Bibliothek. Dort nahm ich mir eines der vielen Bücher aus den Regalen und setzte auf eines der Sofas. In der Hoffnung, dass mich die Geschichte von meinen eigenen Gedanken ablenken würde, begann ich zu lesen. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Immer wieder vergaß ich, was ich gerade gelesen hatte und immer wieder verschwammen die Wörter vor meinen Augen, wenn ich wieder zu lange in stumpfer Passivität die Seiten angestarrt hatte. Egal ich wie verbissen ich versuchte, mich abzulenken, meine Gedanken kehrten immer wieder zu einer Person zurück. Yuna. Immer wieder sah ich ihr lächelndes Gesicht vor meinem inneren Auge. Immer wieder hörte ich ihre Stimme in meinen Gedanken. Sie verfolgte mich sogar bis in meine Träume. Sie rief etwas in mir wach, aber ich wusste nicht was. So wie bei ihr hatte ich mich noch nie gefühlt. Ich wollte jede Sekunde bei ihr sein, sie vor jeder Bedrohung beschützen und immer für sie da sein. Und das machte mir Angst. Noch hatte ich bei jedem Menschen meine kalte, distanzierte Fassade waren können. Ich hatte der Thronfolger sein können, zu dem mein Vater mich herangezogen hatte. Bis auf Hisho hatte ich noch nie jemanden wirklich an mich herangelassen. Manchmal hatte ich sogar gedacht, dass ich keine wirklichen Gefühle hätte. Dass die dumpfen Regungen in meinem Herzen, die sich nur bei Hisho zeigten, die einzigen waren, zu dem ich wirklich fähig war. Und dann war dieses Mädchen gekommen. Dieses fröhliche und doch kluge Mädchen, dass mein Herz schneller schlagen ließ. Ich hatte mir einreden wollen, dass sie nichts mehr als ein wertloses Bauernmädchen war. Doch je mehr Zeit mit ihr verbracht, desto mehr geriet diese Idee in den Hintergrund. Und desto gewaltvoller drängte sich mir eine Tatsache auf, die ich immer weniger ignorieren konnte. Aber noch ignorierte ich sie, als würde sie dadurch verschwinden. Als würde es weniger wahr sein, wenn ich den Gedanken nicht zu Ende dachte.
So gern ich Yuna zeigen würde, wie gern ich sie hatte, so gerne ich mir selbst eingestehen würde, dass sie mir nicht egal war, aber es war nicht möglich. Mein Leben war schon bis ins Detail geplant. Ich würde die Tochter eines anderen Stadthalters heiraten, um so die Macht und den Einfluss meiner Familie zu erhöhen. Mein Leben würde sich hier abspielen, mit einem Mädchen, das ich noch nicht einmal kannte. Deshalb durfte ich mir keine Hoffnungen machen und durfte vor allem keine Gefühle entwickeln, da ich mir sonst nur selbst das Herz brechen würde. Und Hisho hatte vollkommen recht gehabt: Ich war wütend auf meinen Vater. Dennoch war er immer noch mein Vater und ich hatte immer noch eine Verantwortung. Auch wenn ich noch so wütend auf ihn war, ich konnte nichts an meinem Schicksal ändern. Ich war gefangen in einem goldenen Käfig. Und selbst wenn mein dummes Herz meinte, mit Yuna eine Fluchtmöglichkeit gefunden zu haben, so war es reine Illusion. Ein schöner Traum, ein Wunschdenken, mehr nicht.
Es war schwer, in Yunas Nähe zu sein und freundlich, aber distanziert zu sein. Aber es war meine Aufgabe, sie zu unterrichten. Alles, was darüber hinaus ging, war nicht mehr meine Aufgabe, nicht mehr meine Verantwortung. Und trotzdem musste ich mich oft mit aller Kraft zwingen, ihr den Rücken zuzukehren. Musste gegen den Drang ankämpfen, ihr eine der vielen Fragen zu stellen, die mich beschäftigten. Ich wollte wissen, wie sie aufgewachsen war, was ihrer Großmutter zugestoßen war und was sie hierhergeführt hatte. Aber ich durfte nicht eine Hauch von Interesse zeigen. Ihr keinen Funken Hoffnung auf mehr als einen freundschaftlichen Umgang geben. Es war schwer, aber es ging nicht anders. Nur so konnte ich mich und auch sie davon abhalten, etwas anzufangen, was uns im Endeffekt nur beiden wehtun würde.
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Heute mal ein kurzes Kapitel. Aber dafür erfahren wir viel über Takashi. Ob er sich seinen Gefühlen stellen wird?
Übrigens danke für über 100 Votes! Damit hätte ich echt nicht gerechnet! Ihr seid die Besten!
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Die letzte Kitsune [wird neu geschrieben]
FantasyBand eins Yuna lebt mit ihrer Großmutter abgeschieden in den Bergen. Von der Welt abseits ihres Zuhauses weiß sie nichts. Auch Magie existiert für sie nur in den Geschichten ihrer Großmutter. Eines Tages jedoch stirbt ihre Großmutter unter mysteriös...