Obwohl ich Hoshoku-sha bis jetzt nur in meinen Erinnerungen gesehen hatte, war mir sein Anblick vertrauter als mir lieb war. Sein schlohweißes Haar, die scharlochrot glühenden Augen und das höhnische Grinsen auf seinem Gesicht. Er trug ein abgewetztes, schwarzes Hemd und eine braune Hose aus Leder. Ein paar Strähnen seiner Haare fielen ihm in die Stirn. Als er mich erblickte und seine Augen auf mich richtete, fing ich an zu zittern. Nun stand der Mann, der sowohl meine Mutter, als auch meine Großmutter getötet, leibhaftig vor mir. Ich wollte schreien, weinen, auf ihn losgehen. Am besten alles gleichzeitig. Und doch stand ich nur stumm da, unfähig mich zu bewegen. Obwohl ich ihn gerne jetzt und hier erledigt hätte, gab es nichts, was ich gegen ihn und Aria, die nun ihre Beute in einer Tasche verstaute, tun könnte. Fuchsfeuer und Illusionen würden bei ihnen sicher nichts ausrichten. Und diese lächerlichen Zauber, die ich bis jetzt gelernt hatte, brachten mich auch nicht weiter. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als wie ein folgsamer Hund auf Kommandos zu warten. Wütend biss ich die Zähne zusammen und spannte meinen gesamten Körper an. Wie von selbst ballten sich meine Fäuste. Ich schaffte es nur schwer, ruhig stehen zu bleiben. Vor allem, als nun Hoshoku-sha gemächlich auf mich zuschritt.
Während er immer näher kam, breitete sich ein hämisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. Er wirkte nicht einmal ansatzweise beunruhigt, dass ich etwas versuchen könnte. Wahrscheinlich wusste er genauso gut wie ich, dass ich ihm nichts entgegenzusetzen hatte. In dem Moment hasste ich meine eigene Unfähigkeit fast so sehr wie das Monster, das gerade auf mich zukam. Als er nur noch zwei Schritte von mir entfernt war, begann er zu sprechen: „Ich nehme an, dass ich mich nicht mehr vorstellen muss." Seine Stimme war ebenso melodisch wie sie gefühllos war. So kalt, dass man glauben könnte, die Temperatur würde allein durch seine Worte um einige Grad herabfallen. Auffordernd sah er mich an. „Nein!", brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Meine Augen mussten nur so vor blankem Hass sprühen. „Gut.", meinte er herablassend. Abrupt wandte er sich zu Aria um und nickte ihr stumm zu.
Sofort riss die diese die Arme in die Luft und murmelte mir unverständliche Worte. Mein Blick fiel in den sternenklaren Nachthimmel. Dort zogen in Sekundenschnelle dicke, schwarze Wolken auf, die die Sterne und den Mond bedeckten. Nur wenige Sekunden später begannen, die ersten, dicken Tropfen vom Himmel zu fallen. Schnell wurden es immer mehr, bis sich der Himmel selbst in einen tosenden Wasserfall verwandelt zu haben schien. Die Regentropfen prasselten in beinahe ohrenbetäubender Lautstärker hernieder. Sie verschluckten jedes andere Geräusch, das zu hören gewesen war. Schon nach kurzer Zeit hingen meine Haare nass an mir herunter und mein Gewand war triefend nass.
Hoshoku-shas Blick heftete sich wieder auf mich. „Ich werde dir jetzt sagen, wie das weitere Vorgehen ablaufen wird: Du holst jetzt Yusei. Solltest du sonst jemanden wecken, wird derjenige sterben. Verstanden?", kommandierte er. „Verstanden.", bestätigte ich tonlos. Ich drehte mich auf der Stelle um und ging wie ferngesteuert zu den Schlafräumen. Leise betrat ich Yuseis Zimmer. Vorsichtig weckte ich ihn. Verwirrt schlug er die Augen auf und sah mich verwundert an. Er runzelte besorgt die Stirn, als ihm meine vom Weinen geschwollenen Augen auffielen. „Er ist da.", meinte ich. Meine hauchdünne Stimme ging beinahe in dem tosenden Regen unter, aber Yusei hatte mich dennoch gehört. Es waren keine weiteren Worte notwendig. Sofort stand er auf und legte sich seine Tempelleiter-Robe um.
Gemeinsam traten wir hinaus in den Regen. Durch die Dunkelheit und die stetig herabfallenden Tropfen sah man kaum die Hand vor Augen. Nur Hoshoku-shas Augen leuchteten wie geisterhafte Laternen in der Dunkelheit. Ohne meine gute Nachtsicht wären die zwei Lichtpunkte das einzige gewesen, was ich gesehen hätte. Aber so konnte ich erkennen, wie sich das Gesicht von Hoshoku-sha von einem höhnischen Lächeln zu einer beinahe ausdruckslosen Miene wandelte. Nur seine Augen loderten förmlich vor unterdrückter Wut. Yusei und ich gingen weiter auf ihn zu, obwohl alles in mir mich dazu aufforderte, zu rennen und nie mehr zurückzukehren.
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Die letzte Kitsune [wird neu geschrieben]
FantasyBand eins Yuna lebt mit ihrer Großmutter abgeschieden in den Bergen. Von der Welt abseits ihres Zuhauses weiß sie nichts. Auch Magie existiert für sie nur in den Geschichten ihrer Großmutter. Eines Tages jedoch stirbt ihre Großmutter unter mysteriös...