Takashi
Die Tage vergingen in ewiger Eintönigkeit. Bis auf die Fortschritte, die Yuna mit Arashi machte, änderte sich nichts. Wir lernten am Vormittag und waren am Nachmittag im Stall. Diese Zeit im Stall war immer mein Höhepunkt des Tages. Denn da durfte ich in den Genuss von Yunas außergewöhnlicher Fähigkeit, beinahe spielerisch mit Pferden zu kommunizieren, kommen. Bei ihr war Arashi wie ausgewechselt. Natürlich war er immer noch energiegeladen und temperamentvoll, aber bei Yuna wirkte er zufrieden. Yuna hatte mir erklärt, dass Arashi wahrscheinlich irgendein traumatisches Erlebnis hatte, sodass es ihm schwerfiel, einem Menschen zu vertrauen. Doch Yuna hatte er innerhalb kürzester Zeit vertraut. Es machte mich beinahe etwas neidisch, wie mühelos sie mit Pferden umgehen konnte. Ich hatte hart dafür arbeiten müssen, damit ich mit den Pferden mittels Körpersprache kommunizieren konnte. Yuna dagegen wusste instinktiv, welche Körperhaltung sie für welche gewollte Reaktion einnehmen musste. Wenn sie mit Arashi arbeitete, sah es beinahe wie eine Art Tanz aus. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie in der Natur aufgewachsen war. Auch ihren guten Gleichgewichtssinn erklärte sie dadurch, dass sie oft auf Bäume geklettert war. Wenn sie von ihren Ausflügen in den Wald erzählte, klang sie so verträumt, dass ich fast alles dafür geben würde, auch das zu sehen, was sie gesehen hatte. Am liebsten würde ich sie wieder zu dem Ort zurückbringen, wo sie so glücklich war. Denn mittlerweile war mir aufgefallen, dass ihre Fröhlichkeit manchmal getrübt wirkte. Als ob sie von irgendwelchen Erinnerungen geplagt werden würde. Wie gern ich sie dazu auffordern würde, mir ihr Herz auszuschütten. Wie gerne ich ihr selbst etwas über mich erzählen würde. Aber obwohl ich immer schwerer verbergen konnte, wie ich wirklich fühlte, durfte ich mich nicht verletzlich zeigen.
Heute war Yuna wieder auf Arashi geritten. Er war erstaunlich brav gewesen. Mittlerweile duldete er sogar meine Nähe. Allerdings schien er mich immer warnend anzusehen, wenn ich Yuna zu nahe kam. Als ob er sagen wollte, dass sie ihm gehöre. Verübeln konnte ich es ihm nicht. Immerhin würde ich selbst nur zu gerne Yunas Nähe suchen. Aber es blieb eben nur ein Wunsch. Mittlerweile war es schon dunkel geworden. Da ich im Dunkeln wohl kaum weiterlesen konnte, da mir Hisho verboten hatte, auch nur ein kleines Flämmchen in der Bibliothek zu entzünden, machte ich mich auf den Weg in meine Gemächer. Ein kleines Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, als ich mir wieder Hishos Worte in Erinnerung rief, als er mich mit einer Lampe in der Bibliothek erwischt hatte. Ich sah ihn heute noch genau vor mir, wie er ernst die Augenbrauen zusammenkniff und mich durch die Gläser seiner Brille hindurch vorwurfsvoll ansah. Mit seiner rauen, kratzigen Stimme hatte er gemeint: „Wenn ich noch einmal Feuer hier bei den Büchern sehe, mein Junge, dann brennen nicht die Bücher, sondern dein Hintern!" Damals hatte ich ihn erschrocken angesehen. Er hatte nur geschmunzelt und gemeint: „Nimm nicht alles so ernst, was der alte Hisho sagt. Aber du hältst dich trotzdem mit jeglichem Feuer von den Büchern fern, klar?" Ich hatte artig genickt. Das hatte ihn abermals zum Schmunzeln gebracht. „So, und jetzt geh schlafen. Es ist schon spät." Mit einem sanften Stoß hatte er mich aus der Bibliothek gedrängt. Damals war ich vielleicht acht oder neun Jahre alt gewesen.
Auf dem Weg zu meinen Gemächern kam ich auch an Yunas Zimmer vorbei. Ohne es wirklich zu merken blieb ich stehen. Die Tür stand einen Spalt offen. Ein kleiner Lichtschimmer, der offensichtlich vom Bad ausging, erhellte den Gang ein bisschen. Ich sollte weitergehen, aber ich blieb wie angewurzelt stehen. Vielleicht konnte ich ja mal kurz nach ihr sehen. Bevor mir mein Kopf das ausreden konnte, betrat ich auf leisen Sohlen das Zimmer. Ich schlich zum Kasten und versteckte mich dahinter. Vorsichtig lugte ich hinter dem Kasten hervor. Yuna kämmte sich gerade vor dem Spiegel ihre Haare. Ihr Gesicht konnte ich auf den ersten Blick nicht sehen. Als ich ihr Spiegelbild sah, erstarrte ich. Statt ihren dunkelbraunen Augen blickten mir eisblaue Augen entgegen und auf ihrem Kopf thronten zwei Schneeweiße Fuchsohren. Yuna war eine Kitsune! Ich versuchte alles, was ich je über Kitsunes gelernt hatte, mit Yuna in Verbindung zu bringen. Kitsunes liebten es, Streiche zu spielen und Chaos zu stiften. Aber das war noch harmlos im Vergleich zu dem, was dunkle Kitsunes, Nogitsunes, anrichtete. Nogitsunes ernährten sich von Chaos und Schmerz. Oft ergriffen sie nur zum Spaß Besitz von Menschen. Aber nichts, was ich über Kitsunes wusste, traf auf Yuna zu. Sie war lieb und schüchtern und hatte ein großes Herz. Doch vielleicht manipulierte sie uns alle. Denn Kitsunes waren die Meister der Manipulation. Sie waren Trickster.
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Die letzte Kitsune [wird neu geschrieben]
FantasyBand eins Yuna lebt mit ihrer Großmutter abgeschieden in den Bergen. Von der Welt abseits ihres Zuhauses weiß sie nichts. Auch Magie existiert für sie nur in den Geschichten ihrer Großmutter. Eines Tages jedoch stirbt ihre Großmutter unter mysteriös...