Kapitel 13 - Ein Gefühl der Hilfslosigkeit

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Müde saß ich auf dem Boden. Ich hatte heute die Zeit der Mittagspause genutzt, um zu lernen und mir Bücher aus der Schulbücherei ausleihen zu können, um sie zu verwenden.

Ich hatte mich in einem versteckten Eck zusammengerollt und auf Französisch morgen gepaukt, die Wörter nochmals gelernt, Redewendungen in mich hineingeschaufelt und Argumente für das Thema auswendig gelernt. Nach der Fragestunde heute hatte ich auch nochmal etwas mehr Klarheit darüber, was meine Lehrerin erwartete.

Es war gerade halb zwei und mitten in der Pause, die meisten waren außerdem bei dem mittlerweile schönen und wärmeren Wetter draußen oder noch in der Stadt unterwegs.

Nachdenklich machte ich eine kurze Pause und sah aus dem Fenster. Kjell hatte seit der Sache mit den Drogen weiterhin versucht, mit mir auszugehen und sich mit mir zu unterhalten. Er wollte immer noch die ganze Zeit, dass ich Berührungsübungen mit ihm machte und war überzeugt davon, dass ich traumatisiert war und fragte ständig deswegen nach. Es war so schlimm geworden, dass ich ihm irgendwann einfach von der Sache mit meinem Pflegebruder erzählt hatte. Danach hatte er mich leider trotzdem nicht in Ruhe gelassen, aber wenigstens hatte die ständige Fragerei aufgehört.

Mit Herr Gernmat hatte ich seit Wochen regelmäßig Nachhilfe. Neben dem Schulstoff sprach er auch manchmal andere Themen an und wir unterhielten uns ein bisschen. Mittlerweile hatte er sogar gemeint, dass ich ihn während der Nachhilfe Aaron nennen durfte. Ich persönlich fand das etwas komisch, meinen Lehrer beim Vornamen zu nennen. Aus seiner Sicht waren wir fast schon Freunde und im Unterricht war er bei mir mittlerweile deutlich sanfter, wie bei anderen.

Manchmal hatte ich das Gefühl, das alles nicht mehr auszuhalten, aber ich gab mein Bestes.

Ich hatte in all der Zeit folgendes gelernt. Manchmal war es besser, anderen etwas vorzumachen, um sich selbst Stress zu ersparen. Jedenfalls blieb mir nichts anderes übrig, als eine Maske aufzusetzen und keine Probleme mehr zu verursachen, vor allem wegen Alex.

Seufzend ließ ich von meinen Sachen ab und überlegte spontan, ob ich den Nachmittagsunterricht schwänzen sollte. Ich konnte mich für den Unterricht nicht weiter aufraffen, aber ich wusste, dass ich in der Schule bleiben sollte.

Während ich weiter darüber nachdachte, ging ich wieder zurück ins Foyer. Ich hatte meinen Rucksack vor der Bibliothek stehen gelassen. Durch die Glaswand konnte ich zu meinem Übel die Jungs entdecken, die wie immer an den Tischen saßen und sich unterhielten.

Sie hatten mich nicht entdeckt, zum Glück. Langsam beugte ich mich zu meinem Rucksack und wollte meine Sachen verstauen.

Als ich den Reißverschluss öffnete, flog zwischen den Gurten ein Zettel hervor. Sofort blieb mein Herz stehen.

Das war der erste Zettel seit Wochen, seit der Polizei, seit den Drogen. Ich hatte Angst, was darauf stehen könnte.

Zitternd drehte ich den weißen Zettel um und folgende Worte kamen zum Vorschein.


Du warst wirklich brav, Süße. Sollte ich dich vielleicht belohnen?


Schwer atmend sah ich mich um, ehe mein Blick nochmals auf die Nachricht fiel. Ich hätte gedacht, er würde wegen dem Vorfall immer noch vor Wut kochen, aber davon war gar nichts zu sehen. Er war trotz der Polizei besser drauf, als ich erwartet hatte.

Voller Angst stand ich auf. Ich war nicht in der Verfassung, in irgendeiner Weise daran zu denken oder das zu verarbeiten. Der erste Zettel seit Wochen und ich fühlte mich, als wäre es der erste, den ich je bekommen hatte.

Enslaved I - For EternityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt