Kapitel 27 - Nachhilfe

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„So! Das war's dann für heute. Denkt daran, dass die Hausaufgabe nächstes Mal präsentiert wird, also vergesst sie lieber nicht", warnte Herr Gernmat uns alle und ich packte mürrisch meine Sachen zusammen. Donnerstage mochte ich von allen Tagen am wenigsten. Wobei ... Dienstag war auch schlimm.

„Melanie, kommst du bitte noch vor?", fragte mein Lehrer und ich nickte ihm zu, während Viktor und Keno sofort wieder ganz aufgeregt miteinander beredeten, was Herr Gernmat wohl von mir wollen könnte. Missmutig ging ich zu ihm vor. Bei ihm konnte es ja nur um die Nachhilfe gehen.

„Melanie, ich habe am Montag leider keine Zeit, da bin ich auf einer Fortbildung. Sollen wir die Nachhilfe auf heute Mittag verschieben? Ich bin bis halb vier sowieso hier", schlug er vor und schulterte seine Tasche, ehe er auch seinen Schlüssel einsatzbereit in den Händen hielt.

Ich nickte wenig begeistert. Die Nachhilfe mit ihm war ätzend langweilig und obwohl ich mich sehr bemühte, verstand ich vieles nicht, aber er war geduldig. Eigentlich war das unfair, dass er mir half, den anderen aber nicht. Na ja, ich profitierte wenigstens davon.

„Okay, super, dann machen wir das so!", freute er sich und ging mit mir zur Tür. „Sehr hübsches Kleid übrigens. Du siehst richtig gut darin aus", fügte er lächelnd hinzu und ich sah an mir herunter.

„D-Danke", sagte ich überfordert. Herr Gernmat lächelte nochmals und neigte dann seinen Kopf.

„In dem Fall bis halb vier. Ich freue mich schon", sagte er freundlich und ich nickte.

„Bis heute Nachmittag", sagte ich zögernd und sah ihm hinterher, während er mir nochmal zuwinkte, als er durch den Gang davon ging. Ich seufzte lange.

Müde hörte ich in Kunst den Vorträgen meines Lehrers über verschiedene Techniken zu, während ich die neugierigen Blicke an mir abperlen ließ. Ich hatte mich dazu entschieden, wieder mein gelbes Kleid anzuziehen. Ich wollte mich wirklich nicht von den anderen einschüchtern lassen. Ich blieb einfach weiterhin für mich und versuchte, das nicht zu sehr an mich heran zulassen. Irgendwann würden sie es lassen.

Und zumindest mein ständiges Zeichnen hatte sich ausgezahlt. Wir sollten ein Tier unserer Wahl malen und ich entschied mich für eine Katze. Ich gab wirklich mein Bestes und es machte mir Spaß.

Wenigstens waren während Kunst auch alle ruhig, weil man mit Kopfhörern Musik hören durfte und damit eigentlich wirklich jeder offline war.

Vertieft in die Lieder und ihre Arbeiten hielten alle die Klappe und ich genoss den langen Moment der Stille. Es gab für mich fast nichts angenehmeres, als solche Augenblicke wie jetzt, in denen es mir fast so vorkam, als wäre ich eine ganz normale Schülerin in einer ganz normalen Klasse. Es war fast schon friedlich.

„Melanie, hast du ein Problem?", fragte meine Lehrer mich, als er bemerkte, dass ich nicht weiter zeichnete. Sofort wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.

„Ä-Äh, nein, tut mir Leid", sagte ich sofort unterwürfig, während sich ein paar nähere Schüler argwöhnisch umdrehten. Der Lehrer nickte verstehend und drehte weiter seine Runde durch die Tischreihen.

Sofort wendete mich wieder meinem Bild zu. Diese Stunde wurde es noch nicht fertig, aber bis jetzt ich war zufrieden.

Nachdem ich am Mittag alleine irgendwo gelernt hatte und nun Chemie überstanden hatte, traf ich mich mit Herr Gernmat wie vereinbart vor der Bibliothek.

Ich stand etwas dumm herum und wartete, aber er kam lange nicht. Ich sah auf meine Uhr. Um halb vier war mein Unterricht vorbei gewesen und nun war es vier. Sollte ich einfach nach Hause gehen?

Seufzend ließ ich mich auf einem der Holzbalken, die als Bänke dienten, nieder. Wenn er um viertel nach vier noch nicht da wäre, würde ich gehen.

Müde schloss ich meine Augen und döste ein wenig, als ich die Tür des Notausgangs hörte. Ich sah zu der Tür, wo gleich jemand aus dem Gang erscheinen würde, der zum Ausgang führte. Schnelle Schritte folgten und Herr Gernmat tauchte ziemlich außer Atem im Türrahmen auf.

Enslaved I - For EternityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt