Kapitel 24 - Vergangener Zorn

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Genervt hörte ich dem Vortrag meiner Physiklehrerin zu. Wir hatten gerade Elektrizität. Das bedeutete Versuche, Versuche und nochmal Versuche. Und Versuche bedeuteten Gruppenarbeit.

Physik war das einzige Fach, in dem ich vorne in der ersten Reihe mit drei anderen Mädchen saß. Unsere Lehrerin hatte es so organisiert. Das hielt die Mädchen jedoch nicht davon ab, mich zu ärgern. Es war wie eine Sechs im Lotto der Hölle. Melissa saß nämlich direkt neben mir und sie ließ keine Gelegenheit aus, um mich zu schikanieren.

In der heutigen Gruppenarbeit sollten wir den elektrischen Kreislauf für eine Klingel bauen, die laut schellen sollte, sobald der Schalter an war. Ich hatte keine Ahnung, wie wir das anstellen sollten.

„Die Gruppen wie immer", bestimmte meine Lehrerin mit dem üblichen, unwirschen Ton und gab die Bretter an die Tischreihen aus, auf denen wir den Kreislauf würden bauen können. Berichtigung, den ich würde bauen können.

Noch bevor Melissa etwas sagen konnte, erhob ich schon unterwürfig meine Stimme.

„Ich hole die Materialien", sagte ich und stand auf. Melissa lächelte freudig, als hätte sie endlich ein wildes Tier gezähmt und könnte nun machen, was sie wollte.

Ganz so leicht würde ich es ihr in bestimmten Gebieten aber nicht machen. Die Arbeit für sie erledigen, nun ja, das war noch okay, weil es mir ehrlich gesagt völlig egal war. Aber mich einfach in den Dreck werfen, das würde ich nicht zulassen.

Ich brachte die Kabel, die Zange, einfach alles, was man brauchte. Melissa war mit ihren zwei Freundinnen gerade tief in ein Gespräch über Modehefte und neuste Trends vertieft.

„Na Freak? Du scheinst dich mit Mode ja eher nicht so auszukennen, oder?", fragte sie gehässig und ich schüttelte den Kopf.

„Nein, tue ich nicht", sagte ich ehrlich und mied Blickkontakt.

„Das sieht man dir an", höhnte eine Anhängerin und ich nickte.

„Was müssen wir jetzt machen?", fragte Melissa, als ihr langweilig wurde.

„Wir müssen den Plan nachbauen", erklärte ich und zeigte auf das Blatt, das wir bekommen hatten.

„Wir?", fragte sie sofort mit einem skeptischen und scharfen Unterton.

„Ich", korrigierte ich mich und fing an, gehorsam ihren Anweisungen zu folgen.

„Das ist falsch", meinte eine ihrer Freundinnen plötzlich missbilligend und ich sah auf.

„Nein, das ist richtig", widersprach ich und Melissa sah mich verächtlich an.

„Wie war das gerade, Freak?", fragte sie bedrohlich leise. Mein Herz setzte einen Moment vor Angst aus, aber ich versuchte, ruhig zu bleiben. Das hier war nicht mein erstes Rodeo.

„Wenn es falsch ist, könnt ihr es ja auf mich schieben. Wenn es richtig ist, kann ich sagen, dass Hannah mich auf einen Fehler hingewiesen hat, den ich übersehen habe. Wie wäre das?", fragte ich beschwichtigend und versuchte, eine feste Stimme zu haben. Melissa schien kurz zu überlegen, während hingegen Hannah die Idee ausgezeichnet gefiel.

„Na gut, machen wir es so", stimmte Melissa schließlich zu und ich war wieder mir selbst überlassen, während die zwei versuchten, aus Melissa herauszukitzeln, in wen sie nun verliebt war. Aber das bekamen sie nicht hin, dazu war Melissa zu stur.

Obwohl nur ich allein arbeitete, war unsere Gruppe als erstes fertig und unsere normalerweise strenge Lehrerin, lobte die gute und schnelle Arbeit sehr.

„Hannah hat Melanie vorhin auf einen Fehler hingewiesen. Nur wegen ihr sind wir so schnell fertig geworden", verkündete Melissa stolz vor der Klasse, die interessiert der Lehrerin und ihrem Lob gelauscht hatten. Ich sah währenddessen einfach zu Boden und zupfte ein bisschen an meinem grünen Shirt herum.

Enslaved I - For EternityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt