Kapitel 7

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Astoria glaubte in ihrem ganzen Leben noch nie so wütend gewesen zu sein. Sicher nicht. Noch nie und das sollte schon etwas heißen. Ihre Schritte waren energisch, als sie das bekannte Firmengebäude betrat. Wo zum Teufel war ihre Gelassenheit hin? Ihr entspanntes Ich nach dem Wochenende? Vermutlich beide geflohen, nachdem Astoria diesen Wisch auf ihren Tisch bekommen hatte von einer ihrer Sekretärinnen. So viel zum Thema entspannte Woche. Es war Montagvormittag und sie stand jetzt schon kurz davor einen Schlaganfall zu erleiden. Sie stieg in den Aufzug und drückte den Knopf für die oberste Etage. Umklammerte in der rechten Hand immer noch das Schreiben, dass sie gerade Mal vor zwanzig Minuten bekommen hatte. Ein Schreiben, über das sie Jack telefonisch informiert hatte. Jackson der gesagt hatte, dass sie sich beruhigen sollte und sie später zum Mittagessen darüber reden würde. Er war bei einem wichtigen Geschäftstermin und selbst bei dem hatte er Zeit gefunden an sein Handy zu gehen und das für sie. Für sie alleine.

Sie konnte nicht warten. Sie würde ihn umbringen. Sie würde Draco Malfoy ganz langsam qualvoll umbringen. Dieser arrogante Wichser. Oh sie würde Malfoys verdammten Kopf abreißen, nachdem sie ihn ganz langsam gequält hatte. Dieses dumme Arschloch. Die Aufzugtür öffnete sich und sie betrat den Flur, der mit Holz ausgekleidet war und diversen modernen Gemälden. Es hatte sich offenbar nichts verändert. Rein gar nichts. Sie sah, wie am Empfang ein Herr aufsah. James. Draco Malfoys persönlicher Assistent. Ein Mann der vielleicht ein oder zwei Jahre älter als Draco war. Er stand sofort auf.
„Miss Greengrass?", sagte er verwundert, aber Astoria blieb nicht stehen, sie ging entschlossen dem Büro entgegen, was James dazu veranlasste, um seinen Arbeitsplatz zu laufen und ihr zu folgen. „Miss Greengrass, er ist beschäftigt. Bitte."

„Beschäftigt? Oh ja, ihr Chef wird gleich sehr beschäftigt sein." Nämlich damit seine Fetzen zusammenzusuchen, nachdem sie ihn in tausend Teile zersprengt hatte. Sie riss die Tür auf. Auf den ersten Blick schien sich auch in dem Büro nicht viel verändert zu haben. Dunkle Möbel. Wenig Dekoration. Kühl und dunkel, so wie seine Seele. „DU!", fing sie an, als Malfoy verwirrt aufsah. Er saß vor seinem Schreibtisch offenbar über Unterlagen gebeugt. „Du widerliche, verachtenswerte Ratte!", beschimpfte sie ihn und schlug ihre Hände auf den Tisch, als sie vor ihm stehen blieb.
Er stand auf. Gleichgültig und Emotionslos, was sie nur noch mehr verärgerte.
„Ich habe versucht Sie aufzuhalten."
Der Blonde hob die Hand.
„Schon gut, James. Ich denke, wir kommen klar."
Klarkommen? Sie kamen klar? Seit wann? Sie würde ihn erstechen mit dem verdammten Glasbrieföffner auf seinem Schreibtisch. Der immer noch dort lag, wo er immer lag. Penibel genau auf seinem Platz.

„Wie kannst du es wagen deine Unterschrift zu verweigern!", prangerte sie ihn an, als James ging und Draco sich wieder setzte.
„Weil es mein Recht ist.", meinte er gleichgültig und sie lachte falsch auf, umklammerte den Brief fester mit ihren Fingern der einen Hand.
„Dein Recht?! Du hast gar kein Recht, Malfoy. Nicht das Geringste."
Wie konnte er von Rechten sprechen? Ausgerechnet er?!
„Du irrst dich. Ich bin Auroras...", fing er an und sie unterbrach ihn barsch.
„Oh wage es ja nicht, dieses Wort in den Mund zu nehmen! Wage es ja nicht, Malfoy oder ich töte dich auf der Stelle!"
„Das bezweifle ich doch sehr stark.", antwortete er ruhig und seine Augen musterten sie dunkel.
Seine Augen schienen sich auf den Brief zu heften, den Astoria immer noch umklammert hielt. Einen Brief vom englischen Ministerium. Ein Brief der den Antrag von Jackson und ihr ablehnte, weil Draco Lucius Malfoy nicht zustimmte und was noch besser war, er wollte Ansprüche geltend machen. Ansprüche gegenüber Aurora.

„Die neue Gesetzgebung gibt nicht nur euch Frauen Rechte, weißt du."
Sie schnaubte.
„Das ist mir egal. Scheißegal. Unterscheibe den verdammten Antrag und lasse mich und meine Tochter in Ruhe."
Sein Blick wurde ärgerlich.
„Sie ist auch meine Tochter."
„Deine Tochter?", wiederholte sie schrill. „Du hast deine Tochter abgeschoben, bevor sie noch auf der Welt war, du Arschloch."
„Ich...", begann er und sie unterbrach ihn.
„Was weißt du schon von ihr? Wusstest du vor dem Antrag überhaupt ihren Geburtstag? Warst du für sie da, als sie als Baby nicht richtig getrunken hat? Zu schwach dafür war? Warst du da, als sie krank war? Als sie ihre ersten Schritte gemacht hat? Laufen gelernt hat? Sprechen? Ihr erster Tag in der Kita?" Er presste die Lippen zusammen. „Kennst du ihre Freunde? Wer ihr Kinderheiler ist? Gegen was sie allergisch ist? Was sie gerne mag? Welche Gemüse sie liebt? Wovor sie Angst hat? Wer ihr Pate ist? Ihre Lieblingsfarbe? Ihr Lieblingskuscheltier?"

Er stand auf und wandte sich vom Schreibtisch und somit von ihr ab.
„Das spielt keine Rolle."
„Oh doch, Malfoy. Das tut es. Das sind Dinge, die ein Vater wissen müsste und du weißt nichts von ihr. Rein gar nichts. Weil du dich für sie einen Dreck interessiert hast. Für sie und für mich." Es stach. Fest in ihrer Brust. Wie damals. Wie damals, als ihr Vater sie zusammengeschrien hatte. Als sie erfahren hatte, dass Draco sich freigekauft hatte. Als sie England verlassen musste. Als sie mit ihrer Tochter wenige Stunden nach der Geburt alleine war. Diese Wunde schien gerade wieder aufzubrechen. Jetzt, wo sie so schön verheilt war. Sie atmete schwer. „Du hast keine Ahnung, wie schwer das war.", sagte sie leise.
Nicht die geringste.
„Astoria...", fing er ruhiger an und er verstummte, als sie ihn wieder funkelnd fixierte mit ihren Augen.

„Nein. Ich sagte nein. Du hast keine Ahnung, wie das damals war. Du hast dich schön freigekauft von deinen Pflichten und mich sitzen lassen.", redete sie weiter. „Ich wäre in der Gosse gelandet, ohne Edward und meine Großeltern. Ist dir das eigentlich klar? Mein Vater,", sie betonte das Wort Vater mit Abscheu. „Hat mir keinen Knut gegeben. Er hat sogar das Erbe, das mir von meiner Mutter zusteht eingezogen. Ich hatte nichts. Gar nichts. Ohne den Rest meiner Familie hätte ich mit Aurora im Armenhaus landen können. Und du willst dich jetzt, als der Mann präsentieren, der ihr Vater ist? Nur über meine Leiche."
„Was geht hier vor?", fragte eine vertraute Stimme und sie beide wandten sich kurz zur Tür.
Lucius stand dort. Musterte sie beide. Wie lange war er schon da?
„Es ist nichts.", wehrte Draco ab.
Nichts? Das war nichts?

„Wenn du glaubst, dass ich zu diesem Termin erscheinen werden, dann hast du dich geirrt.", fuhr sie fort und blickte Draco böse an.
„Das ist ein Klärungstermin für alle Beteiligten. Um eine Lösung und Einigung zu finden.", erklärte er und sie schüttelte den Kopf.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich mit dir einigen werde. Wozu? Um Aurora nach gerichtlicher Anordnung alle vierzehn Tage zu dir zu bringen? Eher reiß ich mir meine Arme heraus, als dir mein Kind zu geben!"
„Es geht hierbei nicht um uns, Astoria!"
„Doch genau das tut es!", schrie sie ihn an. „Denkst du, ich bin blind. Dir geht es doch gar nicht um Aurora, sondern nur um dich selbst. Weil du nicht klarkommst, dass ich glücklich bin. Weil du mir Jack nicht gönnst."

„Das ist lächerlich.", wehrte er ab und Lucius trat näher.
„Was ist hier genau los?"
Astoria reichte Lucius den Brief und wandte sich wieder Draco zu.
„Du darfst das nicht.", presste sie schwer hervor und er sah sie verwirrt an.
„Ich darf was nicht?"
„Das Aurora antun. Du darfst aus ihr nicht einen Spielball machen." In seinen Augen regte sich etwas und Astorias Herz zog sich schmerzhaft zusammen, beim Gedanken an ihre Tochter. Sie blinzelte gegen die ersten Tränen an. „Du darfst sie nicht benutzen, nur um dich besser zu fühlen. Sie versteht das nicht, Draco. Sie versteht nicht, warum ihr Papa zuerst nichts wissen von ihr will und jetzt schon. Weißt du, wie es war, als sie begonnen hatte das zu begreifen? Dass es nicht normal ist, dass alle anderen Freunde von ihr Mamas und Papas haben?"
Aurora war nie wirklich traurig darüber gewesen, aber verwundert. Doch sie war froh Jack zu haben. Jack war ihr Papa. Zumindest sagte sie das immer.

„Und jetzt wo sie einen Papa hat, nimmst du ihr ihn weg.", fügte sie hinzu und strich sich energisch über die Wangen und versuchte sich zu beruhigen. „Ich lasse das nicht zu, Draco. Weil sie das nicht versteht. Sie versteht das nicht, wenn du sie benutzt und dann wieder links liegen lässt. Sie ist zu klein und zart, um dein krankes Spiel zu durchschauen, du arrogantes Arschloch." Sie entriss Lucius den Brief und sah Draco scharf an. „Ich werde dem nicht freiwillig zustimmen, Malfoy. Auf gar keinen Fall und wenn ich vor Gericht gehen muss und deinen verdammten Ruf noch mehr zerstören muss, um meine Tochter zu schützen, dann werde ich das tun. Verlass dich darauf."
Er sagte ihren Namen, als sie sich umwandte, aber sie ging. Blieb nicht stehen, sondern stieg in den Aufzug ein. Als die Türen sich schlossen, wischte sie sich erneut über die nassen Wangen. Nein, sie würde Aurora nicht zu einer Marionette machen lassen von Draco Malfoy. Auf gar keinen Fall.

Verkauftes GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt