Kapitel 18

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Alpträume. Sie verfolgten mich schon seit meiner Kindheit, doch in den letzten zwei Jahren hatte ich es eigentlich ganz gut im Griff. Nicht, dass ich nicht immer noch unter ihnen litt, aber sie ließen mich mittlerweile wenigstens los, sobald ich erwacht war.

Seit ich hier war, wurde es wieder deutlich schlimmer. Mein Kopf konnte teilweise nur noch schwer zwischen Traum und Realität unterscheiden - immerhin lag beides so verdammt nah beieinander.

Der Unterschied lag lediglich darin, dass mich der Alptraum die psychischen Schmerzen in der Nacht nochmal richtig durchleben lässt, während die Realität mir den physischen Schmerz zu Laste trug. Welcher Schmerz davon der schlimmere war, wusste ich ehrlich gesagt nicht. Die Dämonen in meinem Kopf zerrten alles aus mir heraus, doch die Dämonen die mir tagsüber in der Realität begegneten, waren der grausame Grund dafür. Doch das kannte ich schon.

Zehn Tage waren vergangen, seit mir die Zehennägel im Kellerraum entfernt wurden. Zwischenzeitlich wurden drei weitere Videos gedreht und es lief wirklich jedes Mal genau gleich ab - mit Ausnahme der Foltermethode.

Das eine Mal hatten sie mich mit Stromschlägen misshandelt, das andere Mal wurde mir der Rücken blutig gepeitscht und zuletzt wurde ich einfach nur vor der Kamera verprügelt. Was davon jetzt genau das Schlimmste für mich war, konnte ich gar nicht mal mehr beurteilen.

Es war, als hätte man jegliche Emotion aus mir herausgequält. Ich empfand nichts mehr, außer körperlichen Schmerz. Ich redete auch nicht mehr - mit keinem von ihnen.

Jack hatte es einige Male versucht, denn scheinbar war ich ihm dadurch zu langweilig geworden. Einmal wurde er sogar richtig aggressiv und drohte mir Schläge an, wenn ich ihn weiterhin einfach ignorierte. Es machte ihn wirklich wahnsinnig, seine Psychospielchen nicht mehr mit mir treiben zu können. Wenigstens hatte er mich seitdem auch nicht mehr berührt.

Mittlerweile war es mir tatsächlich völlig egal, was weiterhin mit mir geschah. Am liebsten wäre es mir gewesen, man hätte mich schon längst getötet, doch diese eine, letzte Hoffnung, die ich in mir trug, ließ ich schnell wieder fallen.

Aron versorgte meine Wunden weiterhin täglich, doch auch ihm schenkte ich keinen müden Blick mehr. Ich fühlte mich selber nur noch wie ein reines Objekt - komplett ohne Menschlichkeit, Gefühle und Lebensenergie.

Shannon hatte ich seit der Zehenaktion zum Glück auch nicht mehr sehen müssen. Vielleicht war sie ja mittlerweile weiterverkauft worden. Oder tot. Ehrlich gesagt war auch das mir völlig egal.

Mein Alltag bestand nur noch daraus, morgens in Jacks Anwesenheit duschen zu gehen und Zähne zu putzen, mich anzuziehen, trockenes Brot zu essen, hin und wieder gefoltert und daraufhin wieder verarztet zu werden und zu schlafen.

Okay, manchmal brachte Jack auch sein Notebook ins Zimmer und ließ einen Film laufen, dem ich von Zeit zu Zeit lauschen konnte. Es schien ihn in keinster Weise zu kümmern, ob ich davon profitierte oder nicht. Eher ging es ihm darum, sich selbst die Langeweile vertreiben zu können, während er mich als Last bei sich trug.

Das Notebook. Er hatte es hier liegen lassen.

Jack ging heute Abend, wie auch in den letzten vier Tagen, aus. Keine Ahnung was er so trieb, aber er kam immer erst sehr spät zurück. Er stellte nicht mal einen von den anderen Jungs bei mir ab, er schloss mich einfach ein. Natürlich mit Wasserflasche und Eimer, ähnlich würdelos wie im Keller.

Doch diesmal hatte er sein beschissenes Notebook liegen gelassen.

Schnell stürzte ich mich darauf und zog es zu mir ins Bett. Ich schaltete es ein, wissend, dass sich nicht mal ein Passwort darin befand. Und tatsächlich. Das war meine Chance. Ich musste jetzt schnell handeln und noch schneller denken. Was war das Schlauste, was ich tun konnte?

Psycholove - Deal with the darknet |✔️ [abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt